Gastkommentar

Hymnus an unsere Retter, in Wald und Haus zu singen

Gastpolemik. Hört nicht auf die, die widerliche und schamlose Lüge verbreiten. Erhöret uns, das Volk der mittleren Normalitätsvernunft!

Gegrüßet seid ihr, ihr heiligen Landesmütter und fröhlichen Landbäuerinnen, ihr Waldhäuslerinnen voll der Gnade, ihr Haimbucherinnen und Haseläugigen und Svasektiererinnen, ihr Karnerinnen und Mahrerinnen und Mahnerinnen vor der roten Gefahr, ihr Nehämmerinnen segens- und zukunftsreich. Ihr seid gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit sind die Früchte eures Geistes. Ihr heiligen Frauen der vorletzten Tage, wir, die mit Vernunft und Normalität Gesegneten, die wir breit sind und in der Mitte, wir loben und preisen euch, die ihr Großes an uns getan habt.

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Wir danken euch, dass ihr die Reichen vor ihren Neidern beschützt, dass ihr sie mit euren Gaben beschenkt und dass ihr die Armen bestraft für ihren Unwillen und ihr Unglück.

Wir danken euch, dass ihr die Gebärmütter aus der Knechtschaft der Arbeit befreit und sie heimführt an den Herd und in die Kinderstube und unter die begattende Obhut.

Wir danken euch, dass ihr das große pandemische Unrecht, das uns jahrelang angetan wurde, wiedergutmacht, und dass ihr zurückgebt, was uns durch grausame Gesetze genommen wurde.

Wir danken euch, dass ihr uns und unser schönes Automobilland vor klebrigen Anfeindungen bewahrt und nicht vor dem zerstörerischen und selbstsüchtigen grünen Terror einknickt.

Wir danken euch, dass ihr uns vor den Töchtern, den wild gewordenen, schützt, die unsere Söhne und unsere heilige Hymne bedrohen, und vor jenen, die tagaus, tagein der Sprache Gewalt antun, indem sie ihr mit falschen Buchstaben und Zeichen zu Leibe rücken.

Wir danken euch, dass ihr uns jene vom Leibe haltet, die aus der gottgegebenen Geschlechterrolle fallen wie der faule Apfel vom Stamm und die dabei unsere Kinder und Kindeskinder verderben mit Verdorbenem.

Wir danken euch, dass ihr die Festung Europa kraftvoll verteidigt gegen die Horden der Unerwünschten und Ungläubigen und dass ihr die Schulhöfe reinigt und befreit vom babylonischen Sprachengewirr derer, die auch in der siebten Generation nicht zu uns gehören wollen und werden.

Wir danken euch, dass ihr in die Herzen der Menschen schaut und, dem Erzengel gleich, ihre Seelen abwiegt, um diejenigen aufzuspüren, die sich mit dem Antichristen einlassen, dem Engel der Finsternis, dem schrecklichen Gespenst, das da heißet Sankt Marx.

Wir danken euch, dass ihr uns vor seiner Prophetin warnt, der bableryonischen Hure, hinabgestimmt und am dritten Tage wieder auferwählt, abgefahren in die Hölle vor den Toren der großen Stadt, wo sie sitzet zur Linken der Ohnmächtigen, zu richten die lebenden Untoten.

Wir danken und lobpreisen euch, dass ihr uns und all unsere Sorgen und Ängste ernst nehmt, dass ihr uns abholt an den armseligen Haltestellen unseres Lebens und uns mitnehmt in eure glänzende Herrlichkeit.

Ihr heiligen Frauen der vorletzten Tage, wir bitten euch, hört nicht auf die lauten Ideologinnen und die luftigen Traumtänzerinnen, die die Mitte von den Rändern her bedrohen.

Hört nicht auf die Empörten, die da sagen, die Menschen in unserem Lande hätten andere als die von euch zum Kanon erhobenen Sorgen, schenkt ihnen keine Aufmerksamkeit, wenn sie euch mit Profanitäten wie Mieten oder den Preisen von Strom oder Lebensmitteln belästigen.

Glaubt ihnen nicht, wenn sie schamlos behaupten, sie könnten mit ihren Löhnen nicht mehr das Auslangen finden, und sagt ihnen, sie müssten einfach mehr leisten und dorthin gehen, wo das Geld ist, anstatt zu jammern vom Morgen bis zum Abend.

Verschließt eure Ohren gegenüber den Neidern und den Hetzern, die da glauben, für mehr Gerechtigkeit und gegen die Ausbeutung des Menschen eintreten zu müssen.

Hört erst recht nicht auf die Verblendeten, die die Ausbeutung der Natur anprangern und in apokalyptischen Bildern ihr nahes Ende heraufbeschwören, sondern macht euch weiter die Erde untertan, wie es eure und unser aller Christenpflicht ist.

Und glaubt vor allem jenen nicht, die behaupten, ihr wärt mit euren Taten nur die Wegbereiterinnen und Steigbügelhalterinnen für die, die da bald kommen wird in all ihrer Herrlich- und Dämlichkeit: die größte aller Gaulreiterinnen, die Herrin der Herzen und des Volkes und dessen Kanzlerin jetzt und immerdar.

Sie, die hinwegfegt die völkerwandernden Horden und die volkszersetzenden Demagoginnen, aber auch euch, weil ihr noch viel zu zaghaft seid. Sie, die unser Fleisch und Blut reinigt, um nur noch aus dem völkischen Vollen schöpfen zu können. Sie, die die Feste Europa in neuem Glanz errichten und neue Achsen ziehen wird von Wien nach Budapest und Warschau und Moskau und Rom und schließlich auch Berlin, Schneisen der verbrannten heiligen Erde, die dann endlich, endlich nur noch uns, dem von allem Bösen erlösten Volksvolk, in Ewigkeit amen gehören wird.

Wir bitten euch, hört nicht auf die, die solch widerliche und schamlose Lügen verbreiten. Wir bitten euch, erhöret uns, das Volk, das Volk der mittleren Normalitätsvernunft!

E-Mail an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Thomas. Lehmann

Martin Horváth (*1967 in Wien) studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst, lebt als Autor und Musiker in der Bundeshauptstadt. Zuletzt erschienen sein Roman „Mein Name ist Judith“ (Penguin Verlag) und das Libretto zur Oper „Der Fremde“ (Musik: Gerhard E. Winkler).

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