Mein Dienstag

So schön war die Zeit nicht

Im Rückblick wäre so manche Erfahrung verzichtbar gewesen. Auch wenn sie noch so schön war.
Im Rückblick wäre so manche Erfahrung verzichtbar gewesen. Auch wenn sie noch so schön war.Mike Blake
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Sind in einer Freundschaft, Beziehung oder Ehe die schönen Jahre den Schmerz wert, den sie am Ende verursachen?

Es gibt da diese Szene in Regisseur Denis Ville­neuves Film „The Arrival“ (2006), der einen trifft wie die Faust eines Italieners, dessen Mutter du beleidigt hast. „Wer ist dieses Mädchen?“, fragt Linguistin Louise (Amy Adams) ganz und gar aufgelöst, nachdem sie zum wiederholten Mal Visionen von einem kleinen Kind hat. Bald darauf erfährt sie, dass dieses Mädchen ihre zukünftige Tochter ist, die im Teenageralter an einer unheilbaren Erkrankung sterben wird.

Durch das Erlernen einer außerirdischen Sprache kann Louise nämlich in die Zukunft blicken. Jetzt steht sie vor der Entscheidung, ob sie das Kind bekommen soll oder nicht. Sie entscheidet sich dafür – wissend, welche Schmerzen auf sie zukommen. Weil sie den Vater des Mädchens (Jeremy Renner, der einen Physiker spielt) nicht einweiht, geht ihre Beziehung in die Brüche. Er kann ihr nicht verzeihen, diese Entscheidung ohne ihn getroffen zu haben.

Was für eine starke und originelle Prämisse für Was-wäre-wenn-Fantasien. Wer von uns hat sich noch nicht gefragt, ob wir eine Freundschaft, eine Beziehung oder eine Ehe eingehen würden bzw. Eltern werden wollten, wenn wir wüssten, dass diese Reise irgendwann abrupt und fatal enden wird? Ich jedenfalls stelle mir diese Frage ständig. Waren die zerbrochenen Freundschaften und Beziehungen die Enttäuschungen wert, zu denen sie geführt haben? Und ich muss gestehen, dass die Antwort in der Mehrheit der Fälle Nein lautet. Was aber gar nicht so überraschend ist. Ich gehörte schon immer zu denjenigen, deren Ärger über eine Niederlage größer ist als die Freude über einen Sieg – im Sport etwa. Oder in der Arbeit. Wenn jemand meine Kolumnen lobt, nehme ich das zur Kenntnis. Wenn er sie kritisiert, frisst mich das innerlich auf und verfolgt mich in den Schlaf.

Zurück zu Freundschaften und Beziehungen. Ehrlich gesagt bin ich froh darüber, dass ich die meisten von ihnen nicht eingegangen wäre, hätte ich gewusst, wie sie zerbrechen werden. Denn das macht die wenigen, auf die ich mich trotz des ernüchternden Endes erneut einlassen würde, noch wertvoller.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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