Gastbeitrag

Haben Kinder ein Recht auf Zukunft?

Österreichs Höchstgericht hat dem Versuch von Kindern, das Klimaschutzgesetz zu verbessern, eine Absage erteilt.

Mit Beschluss vom 27. Juni hat der Verfassungsgerichtshof die Klimaklage von zwölf Kindern und Jugendlichen zurückgewiesen. Bedeutet dies, dass Kinder keine Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen?

Kinderrechte sind durch die UN-Kinderrechtskonvention und durch die Verfassung besonders geschützt. Das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern nennt dabei ausdrücklich auch den Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Leonore Theuer (* 1971) ist Juristin und Sprecherin der Fachgruppe Politik und Recht der Scientists for Future Austria.

Generationengerechtigkeit bedeutet einen gerechten Ausgleich von Freiheiten, Rechten und Lasten, besonders wenn es – wie bei der Klimakrise – um Bereiche geht, die praktisch nicht umkehrbar sind. Aus diesem Kindergrundrecht lässt sich juristisch ein Recht auf Klimaschutz ableiten. Doch es fehlt in Österreich an Rechtsschutzmöglichkeiten, ein solches Recht auch gerichtlich durchzusetzen.

Eine politische Lösung dafür ist nicht in Sicht. Das Klimaschutzgesetz in Österreich ist veraltet und gibt seit zweieinhalb Jahren keine Reduktionspfade mehr für Treibhausgase vor. Das Regierungsprogramm sieht zwar immer noch eine Klimaneutralität bis 2040 vor, die Regierung hat aber kaum Schritte in diese Richtung unternommen. Unser derzeitiger Ausstoß von Treibhausgasen entspricht jenem aus dem Jahr 1985!

Das deutsche Urteil

Hoffnung machte die bahnbrechende Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, das Deutschland zur Nachschärfung seiner Klimaziele verpflichtet hat.

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Es sei notwendig, „mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Gene­rationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten. Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten“, urteilte das deutsche Gericht. Klimaklagen in Österreich scheiterten bisher an den engen Zugangsvoraussetzungen und wurden daher ohne inhaltliche Behandlung vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt. Im Februar dieses Jahres reichten dann zwölf Kinder und Jugendliche eine Klimaklage ein, um damit Teile des unzureichenden alten Klimaschutzgesetzes zu korrigieren.

Sie kritisieren vor allem, dass das Klimaschutzgesetz keine zukunftsorientierten Maßnahmen ermöglicht. Vergeblich: „Der Antrag erweist sich aufgrund des zu eng gewählten Anfechtungsumfanges als unzulässig“, lautet die Begründung des Verfassungsgerichtshofs, weshalb er diese Klage ohne inhaltliche Behandlung abgelehnt hat.

Aushöhlung der Grundrechte

Es hätten demnach größere Teile des Klimaschutzgesetzes angefochten werden müssen. Der Verfassungsgerichtshof kann nur Gesetzesbestimmungen aufheben, aber keine neuen Regelungen schaffen. Es besteht daher keine Möglichkeit, gegen staatliche Untätigkeit vorzugehen.

Auch wenn es zu einer Aufhebung von Bestimmungen kommt, darf laut dem Verfassungsgerichtshof der verbleibende Gesetzesteil keinen völlig veränderten Inhalt bekommen. Das Höchstgericht hat deshalb dem Versuch der Kinder, ihre Rechte durchzusetzen und das Klimaschutzgesetz zu verbessern, eine Absage erteilt.

Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer dramatischer, und unser Rechtssystem muss diesen Anforderungen gerecht werden. Das Beispiel der österreichischen Kinderklage zeigt, dass unser Rechtsstaat weiterhin auf eine Aushöhlung der Grundrechte zusteuert.

Ganz besonders bedroht sind dabei die Kindergrundrechte und das Vertrauen der Jugend in unseren Rechtsstaat.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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