Der Budgetstreit wurde nur vorübergehend beigelegt. Die neuerdings Europa-skeptische ÖVP positioniert sich gegen Kanzler Werner Faymann. Aus strategischen Gründen.
Wien. Mit einem Mal war die Feindseligkeit wieder verflogen. Mag sein, dass die Aussprache zwischen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger, die Ersterer am Montag dringend angeregt hatte, der Grund dafür war. Jedenfalls schlug die ÖVP tags darauf, in der Nationalrats-sondersitzung zum EU-Budget, versöhnlichere Töne an als zuletzt.
Spindelegger nannte das Verhandlungsergebnis, das Faymann in Brüssel erreicht hatte, nicht mehr mangelhaft, sondern „akzeptabel“ – obwohl es keinen „Grund zum Jubeln“ gebe. Und auch die anderen Regierungsmitglieder der ÖVP hielten sich auffallend zurück.
Ihre Meinung hat die Volkspartei allerdings nicht geändert. Wandelnder Beleg dafür war einmal mehr Finanzministerin Maria Fekter, die nach dem Ministerrat, der diesmal frühmorgens vor der Parlamentssitzung stattgefunden hatte, ihre Kritik an Faymann erneuerte: Es sei „nicht ganz so befriedigend“, dass Österreich in der nächsten Finanzperiode (ab 2014) höhere Beiträge an die EU zahlen müsse (es sind rund 300 Millionen Euro mehr im Jahr). Aber man müsse das Ergebnis eben zur Kenntnis nehmen.
Faymanns Imagekorrektur
Die EU-freundliche SPÖ, die Europa-kritische ÖVP? Dieser Rollentausch innerhalb der Regierung bahnt sich zwar nicht erst seit Dienstag an. Aber im beginnenden Wahlkampf, in dem die Eurokrise wohl eine Hauptrolle spielen wird, tritt er immer stärker zutage. Faymann versucht seit geraumer Zeit, sein Image als Europa-Skeptiker abzulegen – und den Brief, den er 2008 an die „Krone“ geschrieben hat, vergessen zu machen.
Wann immer große Entscheidungen in Brüssel anstehen, sucht der österreichische Kanzler den europäischen Konsens – ohne auch nur an eine Volksabstimmung zu denken. Brav trug Faymann den Euro-Rettungsschirm mit, den Stabilitätspakt und sogar eine Schuldenbremse. Das brachte ihm zwar Kritik vom linken SPÖ-Flügel ein, versöhnte ihn allerdings mit vielen Kritikern in intellektuellen Kreisen.
Die ÖVP hingegen, die sich selbst Europa-Partei nennt, fällt zunehmend mit einer mehr oder weniger latenten EU-Skepsis auf. Zuletzt hatte Spindelegger sogar mit einem Veto gedroht, sollte der ursprüngliche Haushaltsentwurf nicht zugunsten Österreichs abgeschwächt werden.
Die Wandlung der ÖVP hat vor allem inhaltlich-strategische Gründe: Einerseits will man sich von der SPÖ abgrenzen, andererseits schärfer gegen Budgetsünder im Euroraum auftreten, um die Flanke zur FPÖ und zum Team Stronach zu schließen. Für diesen Job wurde im August Reinhold Lopatka reaktiviert. Er löste Wolfgang Waldner als Staatssekretär ab und mimt seither eine Art Generalsekretär im Außenamt. Zum Leidwesen der SPÖ.
Misstrauensantrag: Keine Mehrheit
Doch die Themenführerschaft in der EU-Kritik wollen sich die Oppositionsparteien – mit Ausnahme der Grünen – im Jahr der Nationalratswahl nicht nehmen lassen. Vor allem Heinz-Christian Strache inszenierte sich in der Sondersitzung als Verteidiger der Bevölkerung. Wäre er Kanzler, hätte er in Brüssel „gekämpft wie ein Löwe“, warf der FPÖ-Chef der „Verhandlungsniete“ Faymann vor. Dann übergab er dem Kanzler einen „Schottenrock der Sparsamkeit“, den er statt Spendierhosen anziehen sollte.
Faymann nahm das Geschenk trocken entgegen, dafür konterte sein Parteikollege Josef Cap: Ob Strache glaube, dass in Brüssel alle in „Schockstarre“ fallen würden, wenn er auftrete? „Sie können froh sein, wenn sie überhaupt durch die Kontrolle kommen“, ätzte der SPÖ-Klubchef in Richtung Strache. Der nächste Angriff kam vom BZÖ, das einen Misstrauensantrag gegen die Regierung stellte. Das Gesuch fand allerdings (nicht ganz unerwartet) keine Mehrheit: Nur FPÖ und Team Stronach gingen mit.
Als Beweis für Faymanns geschickte Verhandlungsführung rund um das EU-Budget verteilten SPÖ-Mitarbeiter inzwischen einen Brief: Ausgerechnet der Vorarlberger ÖVP-Mandatar Edgar Mayer, derzeit Präsident des Bundesrates, hat dem Kanzler schriftlich zum „erzielten Kompromiss“ gratuliert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2013)