Schweiz teilt in Steuerstreit Richtung Österreich aus

Abkommen. Bern zeigt sich zu Kompromissen bei Steuerprivilegien bereit, prangert aber Sonderrechte in einigen EU-Staaten, unter anderem Österreich, an.

Bern/Wien. Seit acht Monaten verhandelt die Schweiz in Brüssel im Streit über die Gewinnbesteuerung von internationalen Firmen mit Schweizer Hauptsitz. Die Schweiz ist bereit, konkrete Zugeständnisse zu gewähren, schreibt der "Tagesanzeiger" unter Berufung auf EU-Kreise. Sie stimmt demnach der Abschaffung der privilegierten Besteuerung von Firmengewinnen zu, die aus dem Ausland fließen, und zwar für zwei Firmentypen: für gemischte Gesellschaften (Konzerne wie Nestle oder Novartis) und für "Briefkastenfirmen". Die Schweizer verweisen dem Blatt zufolge im Gegenzug aber darauf, dass in vielen EU-Staaten Firmen heute ebenfalls Sonderrechte genießen. Österreich wird namentlich genannt, ebenso Zypern und Malta - aber auch Deutschland und Frankreich.

Was die Schweiz für ihre Konzessionen konkret von der EU will, ist unklar. "Die Idee ist, dass die Schweiz nicht einen härteren Standard einhalten muss als die EU-Staaten", wird Emer Traynor, Sprecherin des EU-Steuerkommissars Algirdas Semeta, in dem Blatt zitiert.

Nicht einlenken will die Schweiz dem Bericht zufolge bei der privilegierten Besteuerung von Holdings, Finanzgesellschaften, bei der Gewährung des steuersparenden Beteiligungsabzugs und bei der privilegierten Besteuerung von sogenannten "Prinzipalgesellschaften". Das sind jene Tochterfirmen, die das Topmanagement beschäftigen und häufig in der Schweiz ihren Sitz haben. Festgefahren sind laut Semeta die Gespräche in der Frage der regionalen Steuerbefreiung. Das Schweizer Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) kommentierte das nicht, hielt über Behördensprecher Mario Tuor aber fest: "Wir sind zu Anpassungen bereit, insbesondere bei der unterschiedlichen Besteuerung in- und ausländischer Erträge."

Schweiz schiebt Schwarzen Peter zurück

Der "Tagesanzeiger" schreibt unter Berufung auf gut unterrichtete Quellen, dass die Schweizer Verhandlungsdelegation diverse Steuerpraktiken von EU-Ländern infrage stellt. Insbesondere gebe es Länder, die "deutlich bessere Konditionen für Konzerne haben als die Schweiz", wird ein Steuerexperte zitiert, der die Verhandlungsdelegation berät: "Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Irland und die Niederlande." In einem detaillierten Vergleich der Schweizer Steuerregimes mit jenen in der EU, der der Delegation vorliegt, werden neben diesen Ländern auch Österreich, Dänemark, Spanien, Zypern und Malta erwähnt.
Als brisant gilt die Erwähnung von Frankreich und Deutschland: Beide Länder sind Haupttreiber der Bemühungen in der EU, die Schweiz auf eine "faire" Linie zu bringen.

Beispiel Frankreich: Das Land gewährt auf Lizenzeinkünfte einen privilegierten Steuersatz von 15 Prozent - also ungefähr auf Niveau der Gewinnsteuern des Kantons Zug. Darüber hinaus wird Konzernen ein hoher Steuerabzug für Forschungs- und Entwicklungskosten gewährt, selbst wenn die Firma rote Zahlen schreibt. Ein solcher Trick sei in der Schweiz nicht möglich, sagt ein Steuerexperte, der die Schweizer Verhandler berät.

Beispiel Deutschland: Bei "Hybridfinanzierungen" würden unterschiedliche Besteuerungsregeln im internationalen Umfeld ausgenützt. Die deutsche Mutterfirma gewährt einer ausländischen Tochterfirma ein "Darlehen" als Eigenkapital. Diese Tochter zahlt der Mutter Zins dafür. Ein Zinsgewinn, den die Mutterfirma dank einer Ausnahme im deutschen Streuerrecht nicht versteuern muss. Die Tochter aber kann die Zinsen als Aufwand abbuchen. Das wäre der Fall einer klassischen doppelten Nicht-Besteuerung, wie sie die OECD und die G-20 letzte Woche an den Pranger gestellt haben.

Im Schweizer Finanz-Staatssekretariat gab es dazu keinen Kommentar. Laut SIF-Sprecher Tuor ist für die Schweiz wichtig, dass "wir eine verbindliche Zusicherung erhalten, dass EU-Länder keine Sanktionen gegen die Schweiz ergreifen, wenn die Schweiz ihre Steuerregimes anpasst". Details ließ er offen.
EU-Kreisen zufolge hat Kommissar Semeta dem Chefunterhändler der Schweiz, Michael Ambühl, beschieden, dass Retorsionsmaßnahmen von Mitgliedsstaaten entschieden würden "und deshalb auch von diesen aufgehoben werden müssten". Dies liege nicht in der EU-Kompetenz.

(APA)

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