Grasser: Spitzensteuersatz sinkt nicht vor 2009

Interview. Mittelstand und die Spitzenverdiener müssten sich mit einer Entlastung noch einige Jahre gedulden. Zuvor müsste bis zum Jahr 2008 der Haushalt wieder ausgeglichen werden.

Die Grüne Wirtschaft forderte in einem Gespräch mit der "Presse" die Absenkung des leistungsfeindlichen Spitzensteuersatzes. Sie lehnten dies stets als unfinanzierbar ab. Verkehrte Welt in der Steuerpolitik?

Karl-Heinz Grasser: Wohl kaum. Uns geht es um Glaubwürdigkeit, und diese fehlt mir bei den Grünen. Wir haben drei Milliarden Euro an nachhaltiger Entlastung beschlossen. Sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne haben im Parlament gegen diese Entlastung gestimmt. Es gibt eine klare ideologische Trennlinie: Rot-Grün sind für tendenziell steigende Steuern und Abgaben und wir (Schwarz-Blau-Orange, Anm.) entlasten und nehmen den Staat zurück. Wir sind jenes Land, das in den letzten Jahren die Steuer- und Abgabenquote am stärksten in der gesamten EU gesenkt hat.

Kommt nun ein niedriger Spitzensteuersatz - derzeit 50 Prozent - und wenn ja, wann?

Grasser: Unser Fahrplan sieht so aus, dass wir bis 2008 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen wollen und erst danach die nächste Steuerreform umsetzen werden. Die Progression in Österreich ist zu stark. Auch hier werden wir handeln, Leistung muss sich lohnen.

Grüne, Sozialdemokraten und BZÖ werden im nächsten Wahlkampf um den Mittelstand buhlen, und die ÖVP wird Ihren Stammwählern mit der Botschaft gegenübertreten: "Tut uns leid, aber für Euch haben wir nichts"?

Grasser: Ich glaube, die Bevölkerung hat Verständnis dafür, weil sie für eine solide Finanzierung ist. Und sobald wir wieder Spielraum haben, machen wir die nächste Entlastung. Niemand kann erwarten, dass wir alle Probleme des Landes in sechs oder sieben Jahren lösen. Und niemand wird sich hinstellen und sagen, wir führen 2005 die nächste Steuerreform durch und senken zusätzlich auch noch das Defizit. Wir haben eine gute Bilanz vorzuweisen und wir haben noch viel vor.

Wie weit könnte denn der Spitzensteuersatz sinken?

Grasser: Das ist derzeit noch nicht zu sagen.

Die Slowakei hat die Flat-Tax eingeführt, in Tschechien ist sie geplant. Kommt Österreich da nicht schön langsam unter Druck?

Grasser: Eine Flat-Tax für die Einkommensbesteuerung lehne ich auf jeden Fall ab. Ganz einfach, weil sie unsozial wäre, die Verteilungswirkung wäre katastrophal, wird sie ja meist mit einer höheren Umsatzsteuer gegenfinanziert wird, was vor allem niedrige Einkommen trifft. Wer mehr verdient, soll auch mehr zum Sozialsystem beitragen.

Vor kurzem forderten Sie, reichen Bürgern Sozialleistungen zu streichen, etwa die Familienbeihilfe. Ab welchem Einkommen oder Vermögensstand ist denn jemand reich?

Grasser: Das ist zur Zeit kein aktuelles Thema. Wir haben keine konkreten Pläne zu diesem Thema. Deshalb will ich mich auch gar nicht darauf einlassen, wann jetzt jemand reich ist und wann nicht. Priorität hat derzeit die Reduktion der Arbeitslosigkeit. Alle namhaften Wirtschaftsforscher haben uns geraten, noch stärker in die Forschung zu investieren. Das tun wir nun mit der Forschungsanleihe. Eine Milliarde mehr für die Forschung hat bisher noch keine Bundesregierung bereitgestellt.

Wie lange wird denn diese Legislaturperiode dauern?

Grasser: Bis zum Herbst 2006.

Werden Sie im Herbst 2006 noch Finanzminister sein?

Grasser: Sicher.

Sie haben keine Pläne, noch vor dem Sommer in die Privatwirtschaft zu wechseln?

Grasser: Nein. Das ist kein Thema. Ich denke, wir haben viel erreicht, aber es gibt auch noch extrem viel zu tun. Wir müssen uns überlegen, wie wir mehr Wachstum schaffen und die Arbeitslosigkeit reduzieren können und wie die nächste Steuerreform aussieht. Die Herausforderungen sind also nach wie vor sehr groß, und 2006 ist dann der Wähler am Wort.

Sie würden auch für eine weitere Legislaturperiode zur Verfügung stehen, so der Kanzler Schüssel heißt und Sie im Team haben will?

Grasser: Ja, es wäre eine Herausforderung den Haushalt bis 2008 zu konsolidieren und die nächste Steuerreform durchzuführen.

Sie haben aber mehrfach angekündigt, höchstens zwei Legislaturperioden im Amt zu bleiben. . .

Grasser: Schon, Sie müssen aber auch sehen, dass die erste Legislaturperiode (2000 bis 2002, Anm.) relativ kurz war.

In letzter Zeit war relativ wenig über Ihre fiskalpolitische Rolle die Rede, vielmehr vom "Jet-Set-Minister Grasser", Ihren Capri-Urlauben, Einkaufsreisen nach New York und dergleichen. Selbst in der ÖVP wird befürchtet, dass Sie zunehmend an Autorität verlieren. . .

Grasser: Das ist völliger Unsinn. Es ist nur so, dass wir in diesem Land Gott sei Dank Meinungsfreiheit haben und die Journalisten schreiben dürfen, was sie wollen. Ausländische Zeitungen interessieren sich mehr für die österreichische Fiskal- und Wirtschaftspolitik.

Hat Sie das massive Interesse an Ihrem Privatleben überrascht?

Grasser: Ja, weil es neu ist. Das gibt es bei keinem anderen Politiker in Österreich. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren einen 14- bis 16-Stunden-Arbeitstag, so wie jeder Minister. Es braucht sich keiner Sorgen machen, wenn ich ein Wochenende durcharbeite, und auch nicht, wenn ich ein Wochenende in Italien bin. Ich habe aber das allergrößte Interesse, dass privat auch privat bleibt. Jeder muss mit sich selbst ausmachen, welchen Eingriff er im Privatleben anderer Leute vornimmt. Aber es ist einfach lächerlich, wenn die Paparazzi schon auf den Bäumen sitzen.

Waren es nicht Sie selbst, der sein Privatleben vor einigen Jahren öffentlich gemacht hat?

Grasser: Keineswegs. Ich habe dem langen Drängen einer Illustrierten nachgegeben und zu Fragen über mein Privatleben mit einer früheren Lebenspartnerin Stellung genommen. Die Initiative ging nie von mir aus.


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