Das heiße Eisen Mittelstand

Analyse. In der ÖVP will man von konkreten Plänen einer Entlastung nichts wissen.

Wien. Die ÖVP steuert steuerpolitisch auf eine recht verzwickte Situation zu. Während Jörg Haiders BZÖ und mittlerweile auch die SPÖ den "Mittelstand" immer offener umwirbt, hält sich die ÖVP in der Frage der Entlastung mittlerer Einkommen auffallend zurück. Die Notwendigkeit dieses Schrittes wird zwar immer wieder betont, konkrete Pläne dafür gebe es aber nicht. "Es fehlt am Geld", heißt die Begründung, die VP-Funktionäre hinter vorgehaltener Hand immer wieder wiederholen.

Gleichzeitig kursieren Gerüchte, wonach die Volkspartei hinter verschlossenen Türen bereits eifrig an einer Senkung des Spitzensteuersatzes von 50 auf knapp unter 40 Prozent arbeitet. Davon will in der Partei offiziell aber niemand etwas wissen. Im Staatssekretariat von Alfred Finz werden derartige Pläne auf Anfrage der "Presse" nicht einmal kommentiert. Dabei soll gerade im Finanzministerium emsig hin- und her gerechnet werden. "Davon ist uns nichts bekannt", verlautbart auch aus dem Büro von Karl-Heinz Grasser.

Fest steht, dass eine Senkung des Spitzensteuersatzes nicht sehr wahrscheinlich ist. Schon deshalb nicht, weil mit dem Spitzensteuersatz auch die Kapitalertragssteuer (KESt) sinken müsste. Laut Verfassungsgesetz darf die KESt maximal den halben Spitzensteuersatz betragen. Würde also letzterer von 50 auf 48 Prozent sinken, wäre die KESt auf 24 Prozent zu reduzieren. Womit eine Spitzensteuersatz von 48 Prozent einen Steuerausfall von gut 240 Millionen Euro verursachen würde, ein Satz von 40 Prozent würde knapp 1,2 Milliarden Euro kosten - und wäre somit nicht eben günstig.

Eine derartige Summe ist im Budget aus heutiger Sicht schlichtweg nicht auffindbar. Das wäre aber eine Grundvoraussetzung für eine Entlastung. Die Regierung hat sich festgelegt, Reformen nur bei vorhandener "Gegenfinanzierung" - sprich: Einsparung - durchzuziehen. Die ÖVP würde sich letztlich auch schwer tun, angesichts wieder steigender Staatsschulden den Spitzensteuersatz zu senken und damit die vermeintlich Reichen des Landes zu entlasten. Nicht zuletzt in den eigenen Reihen ist mit Widerstand zu rechnen.

Das Thema wird letzten Endes wohl einer eleganteren Lösung zugeführt werden. Wahrscheinlichste Variante: Der Spitzensteuersatz von 50 Prozent bleibt, allerdings gilt er nur noch für Einkommen in astronomischen Höhen - womit kaum noch jemand getroffen wird. Mit dem Vorteil, dass die Kapitalertragssteuer bleiben kann, wo sie ist und schwerpunktmäßig "mittlere" Einkommen entlastet werden (siehe Infokasten). Damit käme die Entlastung um knapp ein Drittel günstiger.

Zudem müsste die ÖVP auch nicht mehr sehr lange rechnen: Einen derartigen Plan hat die Volkspartei längst in der Lade. Dieser wurde bereits im Zuge der letzten Steuerreform vor zwei Jahren ausgearbeitet, aufgrund der vorgezogenen Entlastung des "Kleinen Mannes" und der Senkung der Körperschaftsteuer aber schubladisiert.

Kommentar S. 39


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