Ernte

Auf der Suche nach den perfekten Paradeisern

Man braucht Geduld.<strong> </strong>Sie sind erst reif, wenn sie rote Krägen haben.
Man braucht Geduld. Sie sind erst reif, wenn sie rote Krägen haben. Foto: Tiwald
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Warum gibt es keine Paradeissommeliers, die beschreiben können, wie sich eine German Gold von einer Gelben Uitz unterscheidet? Über den leichten Geschmack nach Pfirsich, den Geruch von Schokolade und Käufer, die nur rote Tomaten essen.

Vor ein paar Wochen habe ich meine erste Salbe gebraut (Bienenwachs, Olivenöl), dazu brauchte ich Steinklee; ein paar prächtige, alles überragende Exemplare fand ich auf einer Wiese bei der Dorfeinfahrt. Ich watete durch das knisternde, hüfthohe Gras, getüpfelt mit Wildblumen, winzige Heuschrecken hüpften in panischer Eile weg vor meinen Schritten, und ich – wie man hier sagt – brockte den Klee: die Salbe daraus, hat Tanja mir im Kräuterkurs beigebracht, soll die Venen unterstützen. Ob das zutrifft, kann ich nicht beurteilen, auf jeden Fall duftet sie nach intensiv dosierter Vanille und fühlt sich seidig an zwischen meinen Fingerkuppen.

Zuletzt habe ich Zeit verloren, wollte, kaum aufgewacht, am Computer sitzen, Text produzieren, Wörter schlingen; dann hat mich aber das Kräuterbeet vorm Haus nicht mehr losgelassen, der Salbei musste zurückgeschnitten, das Unkraut gezupft, der Lavendel in Büscheln kopfüber ans Pflanzenbord in die Küche gehängt werden, wo er nicht nur seinen Duft konserviert, sondern auch diesen konkreten Vormittag, den ich mit ­den Kräutern zugebracht habe, wortlos, verstrickt vielmehr in eine liebevolle Handlung an und mit – Pflanzen.

Ein Grund im tiefen Südburgenland

Ich kann nicht behaupten, dass ich einen grünen Daumen hätte (ich höre Isa lachen: „Eher einen grauen Daumen!“), ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages meine Sommer in der Nähe (sogar unmittelbarer) von Folientunneln voller Biogemüse verbringen und es mit eigenen Händen auf einem Bauernmarkt verkaufen würde. Mittlerweile sind es fast siebzehn Jahre ge­worden. Die Herrin des Hügels, auf dem ­Zucchini, Kürbisse, Tomaten, Paprika und vieles mehr in langen Reihen gedeihen, ist Isa, sekundiert von Alfred, der sich neulich braune Knie geholt hat, als er die Bahn der abge­ernteten Kohlrabi bearbeitete. Isa und Alfred sind in den späten Achtzigern hierhergezogen, ins tiefe Südburgenland, und haben ein altes Haus zu neuem Leben erweckt, samt umgebendem Grund, auf dem Apfelbäume ihre alten Kronen entfaltet haben, Quitten und Maulbeeren wachsen. Aus dem ausgelaugten Boden – Erbe konventioneller Landwirtschaft – haben die beiden wieder satte, dunkle Erde gemacht. Und es wächst. Alles. Fast alles – das sich deutlich ändernde Klima ist ein Faktor, der uns noch herausfordern wird.

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