Der diskrete Charme der Dynastien

Familien-Konzerne. Einst prägten sie Österreichs Wirtschaftsgeschichte: Heute haben die großen Industrie-Familien viel Glanz, aber kaum Vermögen eingebüßt.

A
ls der Industrielle Herbert Turnauer im Jänner 2000 starb, stand das Gros der österreichischen Journalisten vor dem gleichen Problem: Es galt, umfassende Nachrufe auf den Verblichenen zu schreiben. Doch die Faktenlage war dürftig. Die Wenigsten kannten den legendären Mann, der 92 Jahre alt geworden war. "Geheimnisumwitterter Krösus", war eine Formulierung, die damals recht oft verwendet wurde. Turnauer wäre das nur recht gewesen: Zeit seines Lebens verbat er sich Einblicke in seine Privatsphäre. Über seinen Reichtum, den er sich nach 1945 aus eigener Kraft geschaffen hatte, gab es eine strikte Informationssperre. Fotos von ihm waren Mangelware. Turnauer, der in einer von außen uneinsehbaren Villa im 19. Wiener Gemeindebezirk lebte, fürchtete nichts so sehr wie eine Entführung.

Das war nicht bloß eine Marotte eines alternden Mannes. Für Österreichs traditionsreiche Unternehmerfamilien war Diskretion stets oberstes Gebot: Der Industrielle Karl Kahane scheute das gleißende Licht der Öffentlichkeit ebenso wie die Meinls, die Swarovskis oder Harriet Hartmann, einst ebenso legendäre wie reiche Eigentümerin des Papierkonzerns Frantschach.

Heute ist natürlich - fast - alles anders: In den einstigen Familien-Imperien sind längst die Nachfolgegenerationen am Werk - und die haben in der Regel mit Geheimniskrämerei wenig am Hut. Reichtum ist in Zeiten wie diesen nichts, was man verstecken muss. Zumal er sich im Laufe der Jahrzehnte auch einigermaßen relativiert hat: Viele einstige Familien-Konzerne sind entweder an die Börse gegangen, an ausländische Konzerne verkauft worden, oder schlicht und einfach unter den zahlreichen Erben aufgeteilt worden.

Turnauers Industriereich, das sich auf die Produktion von Verpackungen, Isoliermaterialien und Platten spezialisierte, ist nach seinem Tod auseinander gedriftet: Turnauer-Tochter Christine de Castelbajac erbte den Verpackungssektor, Sohn Max Turnauer wurde der Rest zugedacht, für den nun Turnauer-Enkel Stanislaus verantwortlich ist. Aus dem Riesen-Konglomerat wurden zwei zwar durchaus ansehnliche, aber dennoch bescheidenere Unternehmen.

Das Senf- und Essig-Imperium der Familie Mautner Markhof wurde unter der Ägide der jüngeren Generation massiv dezimiert: Ende 2001 wurde die Produktion nach 311 Jahren an den Münchener Konkurrenten Develey verkauft. Dem Unternehmen - das ebenfalls auf zwei Familienzweige aufgeteilt war - ging es zu dem Zeitpunkt wirtschaftlich schlecht: Zahlreiche Familienmitglieder hatten die notwendige Hereinnahme von Kapitalgebern verhindert, die dringend erforderliche Expansion war daher nicht möglich. Jetzt versucht das neue Clan-Oberhaupt, Manfred Leo Mautner Markhof, wieder im Feinkost-Geschäft Fuß zu fassen.

Familienstreitigkeiten haben letztlich auch zum Verkauf des Palmers-Konzerns geführt: 2004, 90 Jahre nachdem der Wiener Kaufmann Ludwig Palmers mit einem kleinen Gemischtwarenhandel in Innsbruck den Grundstein für Österreichs größten Wäschekonzern legte, verkauften die Erben das Imperium an zwei Investmenthäuser. Zum kolportierten Kaufpreis von 80 Mill. Euro.

Ein spektakulärer Verkauf prägte auch die jüngste Geschichte einer 150 Jahre alten Kaufmannsdynastie, die 1862 mit einem kleinen Kolonialgeschäft begann. Der Meinl - das war für Generationen ein Stück österreichischer Lebensmittel-Tradition. Julius V., der seit seinem Studium in der Schweiz nur der "Lizentiat" genannt wird, krempelte nicht nur die familieneigene Bank zu einem feinen Investmenthaus um. Er verkaufte auch die gesamte Handelskette Ende der neunziger Jahre an die Konkurrenten Rewe und Spar. Geblieben ist der Gourmet-Tempel am Wiener Graben - und die Marmelade- und Kaffeefabriken, der milliardenschwere Immobilienbestand, die Osteuropa-Aktivitäten und die Meinl Bank. Die Popularität des Mohren (Marke und Logo wurden 1920 erfunden) steht im krassen Kontrast zur Öffentlichkeitsscheu von Julius V. Sickern Pläne von neuen Investments durch, etwa bei der Telekom Austria, gibt es dazu bloß ein trockenes "no comment".

1994 veränderte sich für die Familie Mayr-Melnhof endgültig die bisher von Tradition geprägte Welt. 1993 starb das Familienoberhaupt Franz Mayr-Melnhof bei einem Autounfall und der älteste Sohn Franz, eines von sechs Kindern, übernahm erst 17-jährig das Imperium. Ein Jahr später wurde der industrielle Teil des Besitzes, der weltgrößte Kartonhersteller, an die Börse gebracht. Die Familie Mayr-Melnhof, die auch der größte private Waldbesitzer Österreichs ist, musste sich erst mit den Veröffentlichungs-Regeln eines börsenotierten Unternehmens anfreunden. Die Sorge, die Zügel aus der Hand gegeben zu haben, war aber unbegründet. Konzern-Boss Michael Gröller und sein Nachfolger Wilhelm Hörmanseder agieren nie im Alleingang. Und so erfolgreich, dass der Konzern jährlich fette Dividenden abwirft. Auch für die Adelsfamilie, die weiter die Mehrheit hält.

Die Familie Hartmann hat sich hingegen von ihren wirtschaftlichen Aktivitäten völlig getrennt. Harriet Hartmann, Witwe des Gründers von Österreichs größtem Papierkonzern Frantschach, übergab ihr Vermögen zunächst an ihre Neffen Michael, Andreas und Christian Kaufmann. Keiner von ihnen trat jedoch in die Konzernführung ein. Frantschach wurde von externen Managern geführt - von der alten Dame aber genau kontrolliert. 2004 übernahm die südafrikanische Mondi-Gruppe Frantschach. Eine Ära ging zu Ende.

Diese Gefahr besteht bei der Familie Swarovski keinesfalls. Zwar erlebt der Tiroler Kristall-Konzern, dessen Wert auf zwei Mrd. Euro geschätzt wird, immer wieder Familienfehden. Doch dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens können die nichts anhaben. Mitte 2002 übergab das bisherige Clan-Oberhaupt Gernot Langes-Swarovski das Zepter an Sohn Markus. Und der sorgt für weitestgehende Kontinuität - auch was die zurückhaltende Informationspolitik über Interna betrifft.

Seine Cousine Fiona ist da schon viel offenherziger: Seit ihrer Liebesaffäre mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser gibt sie bereitwillig Auskunft über ihr Privatleben.


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