Zeitgeschichte: KPÖ drängte auf Teilung Österreichs

Historiker präsentierten neue Erkenntnisse zur sowjetischen Besatzungspolitik.

WIEN. Die Kommunistische Partei Österreichs hat in der zweiten Hälfte der 40er Jahre die sowjetische Führung aktiv dazu gedrängt, die Teilung Österreichs ins Auge zu fassen: Dies ist eine der neuen historischen Erkenntnisse, die ein vom Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung unterstütztes Projekt über die sowjetische Besatzung in Österreich 1945 bis 1955 unter der Leitung des Wiener Universitätsprofessors Arnold Suppan (Historische Kommission der Akademie der Wissenschaften) zu Tage gebracht hat.

Doch Moskau antwortete auf dieses KPÖ-Begehren mit einem "Njet". Denn, so der Wiener Historiker und Suppan-Mitarbeiter Wolfgang Mueller, dessen Dissertation über die sowjetische Besatzungspolitik in Österreich im Herbst als Buch erscheinen wird: "Erstens hielt Moskau die sowjetische Besatzungszone in Österreich - Niederösterreich, das Mühlviertel, Burgenland - für zu klein, um eigenständig überleben zu können. Zweitens wären bei einer Teilung die strategisch wichtigen Alpenregionen zwischen Westdeutschland und Italien unter die Kontrolle der Westmächte gefallen - für Moskau ein Horrorszenario." Mueller wird - ebenfalls im Herbst - gemeinsam mit dem russischen Historiker Gennadij Bordjugov einen Sammelband mit über 100 bisher unveröffentlichten Orginaldokumenten aus Moskauer Archiven herausgeben; selbst als streng geheim eingestufte Politbüro-Beschlüsse befinden sich darunter.

Wie Mueller erläutert, plante Moskau in Österreich wie in anderen Staaten Mittelosteuropas und in Ostdeutschland die Bildung einer "Volksfront" aus KPÖ, SPÖ und bürgerlichen Kräften: "Langfristiges Ziel sollte dabei auch in Österreich der friedliche Übergang zum Sozialismus sein."

Nur wenige Tage, nachdem die Sowjetarmee die österreichische Grenze überschritten hatte - am gestrigen Dienstag jährte sich dieses Ereignis zum 60. Mal - gab Stalin einer aus österreichischen Exil-Kommunisten gebildeten "Initiativgruppe" den Marschbefehl nach Wien. Sie sollte der KPÖ einen Startvorteil für das politische Nachkriegsringen verschaffen.

Das Auftauchen Karl Renners am 3. April eröffnete für Moskau dann eine neue Chance: Mitwirkung bei der Bildung einer provisorischen Regierung. Das katastrophale Abschneiden der KPÖ bei den Wahlen am 25. November 1945 - die Kommunisten erreichten rund fünf Prozent, Moskau hatte mit zehn bis 15 Prozent gerechnet - warf dann die sowjetischen Nachkriegsplanungen über den Haufen. Jetzt ging die Sowjetbesatzung dazu über, die KPÖ offen zu unterstützen, vor allem auch finanziell. Laut Mueller erhielt die KPÖ während der zehnjährigen Besatzungszeit 68 Millionen Schilling aus Moskau.

Bisher gab es hinsichtlich der sowjetischen Österreich-Politik 1945 bis 1955 zwei Schulen:

[*] Die Realisten erklärten, Moskau habe Österreich zwar als selbstständigen Staat wiederherstellen, aber wie andere Staaten Mittelosteuropas "sowjetisieren" wollen.

[*] Die Revisionisten argumentierten, dass die Sowjets in erster Linie an einer wirtschaftlichen Ausbeutung des besetzten Österreich interessiert gewesen seien.

Dazu Mueller: "Aus heutiger Sicht betrachtet war Moskau nicht so besessen von der Idee einer Sowjetisierung Österreichs, wie die Realisten argumentierten. Aber die Sowjets waren auch keineswegs so politisch neutral, wie es die Revisionisten dargestellt haben."


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