Politisches Wohnen: Luxus war gestern

Politisches Wohnen Luxus gestern
Politisches Wohnen Luxus gestern(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Bruno Kreisky logierte in einer Villa, die meisten Bundespräsidenten auch. Die heutigen Politiker hingegen wohnen gewöhnlich, wie der breite Mittelstand. Mehr können sie sich nicht leisten: politisch, nicht finanziell.

Er bewohnte mit Familie, Chauffeur, Köchin und Haushälterin eine der schönsten Villen in Döbling. „Armbrustergasse Nr.15“ war der Treffpunkt der Großen dieser Welt, und Bruno Kreisky umgab sich gern mit ihnen. Im Garten neben dem großzügigen Schwimmbassin tüftelten Willy Brandt und Olof Palme Strategien für ein neues Europa aus.

Dass der Vorsitzende der damals größten sozialistischen Partei Mitteleuropas, der österreichische Bundeskanzler, einen großbürgerlichen Haushalt führte (wobei er in ständiger Angst lebte zu verarmen), störte keinen. Im Gegenteil. Die Genossen waren stolz auf Kreisky und gönnten ihm auch seinen Ruhesitz auf Mallorca („Ein kleines Schrebergartenhäusl“, wie er sagte).

Dergleichen ist heute undenkbar. Die meisten Politiker haben Domizile, die dem breiten Mittelstand entsprechen. Eine Villa können sie sich nicht leisten: politisch, nicht finanziell. In Zeiten, in denen die (hohen) Wohnkosten allerorten zum Wahlkampfthema geworden sind, ist mitunter schon eine Genossenschaftswohnung zu viel. Die Salzburger Landespolitik diskutiert gerade zum wiederholten Male, ob es moralisch vertretbar sei, dass Gabi Burgstaller eine solche in Hallein bewohnt. Der Landeshauptfrau wird vorgeworfen, eine Sozialwohnung zu blockieren.

Für 115 Quadratmeter zahlen Burgstaller und ihr Mann 766 Euro im Monat. Der Preis sei vergleichsweise günstig, weil der Mieter selbst für allfällige Investitionen aufkommen müsse, rechtfertigte sich die Landeshauptfrau. Und versicherte, dass weder sie noch ihr Mann jemals eine Wohnbauförderung oder Ähnliches bezogen hätten.

Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen auf, nicht nur in Salzburg: Wie dürfen, wie sollen Politiker wohnen? Was ist ihrer angemessen? Nützen sie ihre Position für ein schönes, aber billiges Eigenheim aus? Oder sind sie Opfer gezielter Unterstellungen aus den Giftkabinetten der Konkurrenz? Nicht immer fällt das Urteil leicht.

Spindeleggers Jugendsünde. Michael Spindelegger etwa wurde diese Woche von seiner Vergangenheit eingeholt. Über einen ATV-Mitarbeiter war publik geworden, dass der Vizekanzler von 1987 bis 1999 eine Gemeindewohnung in der Hinterbrühl gemietet hatte. Für 93 Quadratmeter zahlte Spindelegger, der Sohn des Bürgermeisters, monatlich 3915 Schilling. Inflationsbereinigt wären das heute rund 500 Euro. In jenen Jahren machte der junge ÖVP-Politiker Karriere: Bundesrat, Nationalrat, EU-Abgeordneter. Dementsprechend stieg auch sein Gehalt.

Umgehend wurde Spindelegger der Doppelmoral verdächtigt, weil seine Partei seit Kurzem einen Gehaltscheck im (Wiener) Gemeindebau fordert: Nach zehn Jahren sollten alle Mieter ihr Einkommen offenlegen müssen. Liegt es über einer bestimmten Grenze, wird entweder die Miete erhöht. Oder der Bewohner sucht sich eine neue Bleibe.

Galten für den jungen Spindelegger andere Kriterien? Er habe acht Jahre lang einen freiwilligen Mietaufschlag bezahlt, der sozialen Zwecken in der Gemeinde zugutekam, versicherte der ÖVP-Chef. Belege wurden keine vorgelegt. Ist halt auch schon lange her.

Spindelegger wohnt nach wie vor in der Hinterbrühl, mittlerweile aber in einem Haus, gemeinsam mit seiner Familie. Ein solches besitzt auch Kanzler Werner Faymann – es steht in Liesing, wurde von seinen Eltern errichtet und vor zehn Jahren von Faymann und seiner Ehefrau, der Wiener Stadtpolitikerin Martina Ludwig, umgebaut.

Politisch engagiert sich der Kanzler jedoch weniger für die Haus- und Wohnungseigentümer als für die Mieter – eine klassisch sozialdemokratische Klientel. Gehaltsüberprüfungen im Gemeindebau lehnt die SPÖ deshalb strikt ab: Das würde – wie in anderen Städten Europas – die soziale Durchmischung gefährden und Armenbauten zur Folge haben, argumentiert Faymann.

Die wohnungspolitischen Geister in der Regierung scheiden sich, wenn man so will, an einem wie Peter Pilz. Der grüne Sicherheitssprecher lebt seit 1970 in einer 61-Quadratmeter-Wohnung im Goethehof, einem Gemeindebau im Herzen Kaisermühlens mit rund 50 Stiegen und 700 Parteien. Mit seinem Abgeordnetengehalt von 8306,90 Euro im Monat würde Pilz ziemlich sicher durch den Gehaltscheck der ÖVP fallen. Doch er unterstützt sogar deren Position: Er verlange seit 20 Jahren, dass Besserverdiener im Gemeindebau eine „marktübliche Miete“ zahlen, sagt Pilz. In seinem Fall habe er das der Gemeinde Wien auch schon öfters angeboten – vergeblich.

Nicht gerade topexklusiv ist auch die Gegend, in die Eva Glawischnig vor einigen Jahren gezogen ist. Mit ihrem Mann, dem TV-Moderator Volker Piesczek, und den Söhnen bewohnt die Grünen-Chefin das Dachgeschoß eines Altbaus in Hernals. Wobei der Umbau lange Zeit die Baupolizei beschäftigt hat. Die Baubewilligung wurde zwar schon im Jahr 2003 erteilt. Allerdings vergingen neun Jahre, bis alles in Ordnung war. Nach Abschluss der Arbeiten hatte sich herausgestellt, dass eine hofseitige Gaupe breiter und höher war als erlaubt. Gerade bei Dachbodenausbauten ist die Wiener Bauordnung streng. Gerichtet hat es schließlich der Bauausschuss des Bezirks im September 2012 – mit einer Ausnahmegenehmigung.

Straches Villa.Für reichlich Gesprächsstoff in politischen Kreisen sorgte zuletzt auch Heinz-Christian Straches neues Heim. Einige Medien berichteten, dass sich die Verlobte des FPÖ-Chefs in eine Klosterneuburger Villa eingemietet hat. Strache soll dort seit März aus- und eingehen. Bestätigen will er das nicht. „Das ist Privatsache“, ließ er über seinen Sprecher ausrichten.

Hauptwohnsitz des FPÖ-Chefs bleibt jedenfalls eine Wohnung im dritten Wiener Gemeindebezirk. Andernfalls könnte er sich wohl politisch angreifbar machen. Immerhin ist Strache auch Landesparteiobmann in Wien.

Auch die österreichischen Bundespräsidenten pendelten seit jeher zwischen demonstrativer Bescheidenheit und dem Anspruch auf eine „Amtsvilla“, die – andererseits – in keiner Weise mit den Domizilen auf der Döblinger Hohen Warte mithalten konnte. Theodor Körner, der eiserne Junggeselle, bekam von der amerikanischen Besatzungsmacht eine Villa in Grinzing zur Verfügung gestellt, als er gewählt war und die riesige Amtswohnung des Wiener Bürgermeisters im Rathaus räumen musste. Sehr zu seinem Unwillen übrigens, denn der alte Herr wollte eigentlich gar nicht Präsident werden.

Sein Nachfolger Adolf Schärf hatte eine große Wohnung in der Josefstädter Skodagasse und blieb seinem Domizil auch als Bundespräsident treu. Ohne Leibwächter, ohne Personal. Bei schönem Wetter ging er zu Fuß ins Amt.

Mit Franz Jonas wurde die Sache dann heikler. Aus der Bürgermeisterwohnung musste er ausziehen, aber mit seiner Frau Grete verfügte er nur über eine Floridsdorfer Gemeindewohnung. Also begab sich die Regierung auf die Suche nach einer Amtsvilla. Kurt Grimm, die graue Eminenz der Creditanstalt, hatte eine. Noch dazu auf der Hohen Warte. Die Liegenschaft verfügte über einen prächtigen Garten, der bis hinunter zum Sportplatz der Vienna reichte. Das Haus genügte den Ansprüchen des Ehepaares Jonas, aber als die Kirchschlägers einzogen, war es schon sanierungsbedürftig. Erst recht, als die Familie Waldheim dort Einzug hielt.

Kurt Waldheim besaß zwar ein Domizil am Lobkowitzplatz, aber die Amtsvilla stand außer Frage. Sie wurde saniert und ausgebaut. Freilich war die Bausubstanz an ihrem natürlichen Ende angelangt. Verzweifelt suchte der nächste Mieter, Thomas Klestil, ein würdigeres Ambiente, doch es fand sich nichts. Erst in den letzten Monaten seiner Amtszeit sorgte Klestil für den Lebensabend vor. Mit seiner zweiten Frau Margot erwarb er in Hietzing eine bescheidene Villa, deren beschauliche Ruhe er nur einen Monat lang genießen konnte. Dann kam der Zusammenbruch, ein Herzstillstand, tags darauf verstarb er.

Fischers Schlössl.Die alte Amtsvilla auf der Hohen Warte wurde erst unter Klestils Nachfolger veräußert (und mittlerweile für ein Wohnprojekt abgerissen) – nicht nur, weil dem Bund die Renovierungskosten zu hoch gewesen wären. Heinz Fischer und seine Ehefrau Margit wollten ihre Altbauwohnung in der Josefstädter Straße nicht verlassen. Diese nette Adresse verdankt der Bundespräsident seinem Schwiegervater. Otto Binder war einst Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung. Und das Haus stand in deren Besitz.

2004, in seinem ersten Wahlkampf, hatte Fischer versprochen, nach seinem Amtsantritt auch das ehemals kaiserliche Jagdschloss in Mürzsteg, das alle Bundespräsidenten recht gern genutzt hatten, verkaufen zu lassen. Dazu kam es aber nie. Weshalb Fischer ab und an vorgehalten wird, doch nicht so ganz das bescheidene Staatsoberhaupt zu sein, als das er sich gern gibt.

Oft ist Fischer allerdings nicht in Mürzsteg anzutreffen – und zwar aus gutem Grund: Das Schlössl entspricht längst nicht mehr den baulichen Standards von heute. Wärmedämmung war zu Kaisers Zeiten nämlich noch ein Fremdwort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2013)

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