Gericht: "Geknebelt" bei der 24-Stunden-Pflege

Der Sozialminister will alles ausleuchten: Hundstorfer geht gegen „schwarze Schafe“ bei 24-Stunden-Betreuung vor.
Der Sozialminister will alles ausleuchten: Hundstorfer geht gegen „schwarze Schafe“ bei 24-Stunden-Betreuung vor.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Ein Urteil gegen Agenturverträge heizt die Debatte an: Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagt den schwarzen Schafen den Kampf an. Für den ÖGB ist das die zweitbeste Lösung und mehr Geld nötig.

Wien/Ett. Um die Rund-um-die-Uhr-Betreuung tausender Österreicher daheim ist es in den vergangenen Jahren recht ruhig gewesen, seit diese 24-Stunden-Pflege vor Jahren auf eine legale Basis gestellt wurde. Alle Schwierigkeiten wurden damit nicht aus der Welt geschafft, wie nun ein Urteil des Linzer Landesgerichts zeigt. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat eine Agentur, die Pflegekräfte vermittelt, geklagt und recht bekommen, wobei das Urteil aber noch nicht rechtskräftig ist.

Nach Ansicht des VKI werden in diesem Fall und bei weiteren Agenturen rechtswidrige Knebelverträge abgeschlossen, wobei etwa die Haftung der Agentur für Verhalten der – vielfach ausländischen – Pflegekräfte ausgeschlossen wurde. Pfleger und betreute Menschen hätten eingeschränkte Möglichkeiten, während Agenturen Verträge jederzeit kündigen könnten.

Das Linzer Urteil ist Wasser auf die Mühlen des Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Dieser kritisiert seit Längerem die bestehende Regelung und fordert ein Verbot der 24-Stunden-Betreuung auf Selbstständigenbasis (mehr als 90 Prozent der Pflege daheim erfolgen über dieses Modell). Es würden Arbeitnehmerrechte durch Scheinselbstständigkeit ausgehebelt. Das Urteil zeige, dass „nicht alle Agenturen hundert Prozent seriös“ arbeiten, folgert der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz.

Der ÖGB geht weiter als Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Der Ressortchef sagte am Montag vorerst „schwarzen Schafen“ unter den Betreuungsagenturen den Kampf an.

Mehr Geld durch Erbschaftssteuer

ÖGB-Mann Achitz schickt ausdrücklich voraus, dass er dem Sozialminister „Dank und Anerkennung“ im Zusammenhang mit Verbesserungen durch den Pflegefonds zolle, der eine Übergangsfinanzierung sicherstellt. Was aber die 24-Stunden-Betreuung betrifft, so sei das „alles nur die zweitbeste Lösung“, erklärt er im Gespräch mit der „Presse“.

Die beste Lösung seien das Verbot der 24-Stunden-Betreuung auf Selbstständigenbasis und die vom Gewerkschaftsbund geforderte Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, damit es zusätzlich Mittel für die Pflege gebe: „Es gehört mehr Geld ins System.“ Dann könne Pflegepersonal mit ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen angestellt werden. Hundstorfer hat sich zuletzt gegen ein Verbot dieses Modells gewandt, weil ein funktionierendes System infrage gestellt werde.

Ob der ÖGB Verständnis für diese ablehnende Haltung seines ehemaligen Präsidenten Hundstorfer habe? „Ja“, antwortet Achitz, „weil der Herr Sozialminister davon ausgeht, dass für die 24-Stunden-Betreuung derzeit nicht mehr Geld zur Verfügung steht.“

Rechnungshof rügt neues Gesetz

Mit einer Gesetzesänderung für einen Pflegefonds pumpt der Sozialminister allerdings hunderte Millionen zusätzlich in die Pflege. An dem Entwurf, der heute, Dienstag, im Ministerrat beschlossen werden soll und bis 2016 weitere 650 Millionen Euro speziell für mobile Pflege bringt, stößt sich der Rechnungshof. Denn es wird, wie das Kontrollorgan in seiner Stellungnahme bemängelt, nicht näher dargestellt, aus welchen Gründen der Fonds höher dotiert wird.

Die Kritik des Rechnungshofes fällt noch viel schärfer aus: Was die Verteilung der Mittel auf die Länder betrifft, von denen die Verlängerung des Fonds naturgemäß begrüßt wird, vermisst er sachliche Kriterien. Im Klartext: Geld wird einfach auf die Länder aufgeteilt. Damit gibt es kaum Anreiz, die bestehenden unterschiedlichen Kostenstrukturen zu berücksichtigen. Es spielt also keine Rolle, ob mit dem Geld sparsam umgegangen wird. „Teure“ wie auch „günstige“ Heime werden finanziert.

Wenig Kostenbewusstsein

Insgesamt fehle eine Vereinfachung des komplizierten Verrechnungssystems. So gab es, wie der Rechnungshof anmerkt, für die Finanzierung eines Heimplatzes in der Höhe von 3200 Euro 19 unterschiedliche Zahlungsströme.

Kostenbewusstsein angesichts der Geldsorgen vermisst auch der Seniorenrat, die Dachorganisation der Pensionistenverbände. Es wird beanstandet, dass bis zu 40 Prozent der Mittel ins Folgejahr mitgenommen werden können.

Auf einen Blick

Pflegefonds. Bis 2. Mai war ein Gesetzesentwurf von Sozialminister Rudolf Hundstorfer in Begutachtung: Der Bund stellt bis 2016 weitere 650 Millionen Euro für Pflege bereit. Der Rechnungshof kritisiert, dass nicht angeführt wird, aus welchen Gründen mehr Geld notwendig ist. Mangelndes Kostenbewusstsein wird auch beklagt: So sei es egal, ob Geld für „teure“ oder „günstige“ Heime fließt. Der Ministerratsbeschluss ist heute, Dienstag, vorgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2013)

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