Reden in New York vs Realität in Wien

Für den Kampf gegen Menschenhandel gab es vor der UNO viel Eigenlob von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. In Wien wurde die Zahl der damit befassten Ermittler reduziert.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) freute sich schon im Vorfeld auf ihren Auftritt bei der Konferenz über Menschenhandel der UN-Generalversammlung in New York. Schließlich war Österreich Mitveranstalter. Klar, dass sie in ihrer Rede dort das hohe Lied auf die Erfolge Österreichs bei der Bekämpfung des Menschenhandels anstimmte. Selbstkritisches hat bei einer solchen Rede keinen Platz. Natürlich nicht.
Weniger klar ist, warum die Innenministerin Schlepperwesen und Menschenhandel nicht auseinander halten kann. Schließlich ist Menschenhandel im Palermo-Protokoll der UNO aus 2002 ganz klar definiert und hat mit dem Schlepperwesen in 99 Prozent der Fälle so viel gemein wie ein gewöhnlicher Banküberfall ohne Verletzte mit einem vorsätzlichen Mord.
Sei's drum! Während Mikl-Leitner in New York schöne Worte gefunden hat, sieht die Realität bei der Bekämpfung in Österreich in ihrem Einflussbereich des Innenministeriums anders aus: Die Abteilung Menschenhandel bei der Bundespolizeidirektion ist seit drei Jahren von sechs Mitarbeiter auf vier geschrumpft. In Wien befassen sich nur sechs Beamte mit drei Bereichen: Menschenhandel, Prostitution und Rotlicht. Vor 2010 waren es wesentlich mehr. 2010 wurden umgeschichtet. Die Bereiche Schlepperei, Menschenhandel, Cyberkriminalität wurden getrennt. Ursprünglich gab es für den gesamten Bereich 30 Beamte.

Bei der Bekämpfung von Menschenhandel hat man seither personell „gar nichts gemacht", ist zu erfahren. Im Gegenteil. Gegen das Schlepperwesen wurden im Burgenland und Niederösterreich Sonderkommissionen geschaffen.
Das Innenministerium macht für das Schlepperwesen aus einem Grund mehr Ressourcen frei als für den Kampf gegen menschenrechtsverletzende Sklaverei: Geschleppte landen später in viel größerer Zahl bei den Asylbehörden und werden somit zum Problem des Innenministeriums, Opfer von Menschenhandel „verschwinden" in der Sexindustrie oder in unsichtbarer Arbeitssklaverei. Um sie müssen sich die Behörden erst kümmern, wenn der Polizei mit den viel geringeren Ressourcen die Sprengung eines Händlerrings gelingt.Das gelingt hin und wieder und unter größter Anstrengung der befassten Beamten - wie etwa in Wien im November 2011. Bis auf einen der damals Verhafteten gingen alle Händler trotz der Aussagen von Opfern nach einem milden Richterspruch wieder frei.

Wie zynisch ist denn das? Wer immer mit dem Kampf gegen Menschenhandel in Österreich zu tun hat, gibt sich überzeugt: Er könnte viel erfolgreicher sein, würde man ihn im Bund ernst nehmen.
Zum Schluss für Mikl-Leitner zum Nachlesen, damit sie in Zukunft den Unterschied zwischen Schlepperwesen und moderner Sklaverei kennt, hier die Definition der UNO: "Menschenhandel meint die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Form der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilfslosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses der Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavenähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Körperorganen."

Das ist doch nicht schwer zu verstehen, oder?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.