Bunte Würfel helfen dem Gehirn

(c) Clemens Fabry
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Wiener Schüler haben mit »Neurocubes 3D« eine Software entwickelt, die spielerisch das räumliche Vorstellungsvermögen verbessert. Mehr als 800 Arbeitsstunden brauchten sie dafür.

Warum finden sich manche Menschen besser im dreidimensionalen Raum zurecht als andere? Diese Frage beschäftigte Matthias Purker nach einer Wanderung mit vielen Verirrungen so sehr, dass er gemeinsam mit seinen Klassenkollegen Matthias Dafert und Thomas Müller des heurigen Maturajahrgangs der HTL Ottakring in Wien eine Diplomarbeit zu dem Thema anging. Die Jugendlichen im Alter von 19 und 20 Jahren fanden im Rahmen ihrer Recherchen für die Arbeit heraus, dass räumliches Vorstellungsvermögen in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen eine wichtige Voraussetzung ist. Und dass Menschen, bei denen es nicht so stark ausgeprägt ist, oft ihr Leben lang darunter leiden, manchmal sogar ohne es zu bemerken.


Spiel als Lösung. Das Ergebnis der Arbeit nennt sich „Neurocubes 3D“ und ist eine Software, die auf den ersten Blick einer dreidimensionalen Variante des Puzzlespiel-Klassikers „Tetris“ ähnelt. Formen aus mehreren farbigen Würfeln müssen etwa so angeordnet werden, dass sie durch eine bestimmte Öffnung passen. In einer Abwandlung davon werden zwei Formen miteinander verglichen, während diese unaufhörlich rotieren. In einer dritten Variante müssen die Spieler ein dreidimensionales Objekt nachbauen, zu dem sie nur eingeschränkte Baupläne erhalten. Dafert, Müller und Purkert entwickelten dann einen eigenen Algorithmus, der je nach Geschick des Spielers den Schwierigkeitsgrad automatisch anpasst. Als Motivation gibt es „Achievements“, wie man sie von diversen Videospielen her kennt.

Um den Effekt zu verstärken, nutzt die Software auch stereoskopische Bilder und 3-D-Brillen. Gerade das war sehr aufwendig, berichten die Schüler. Vieles mussten sie durch Herumprobieren lösen. Mehr als 800 Arbeitsstunden seien in das Projekt geflossen, sagt Robert Baumgartner, der als Lehrer der drei Schüler die Arbeit begleitet hat. Er ließ den dreien dabei aber weitgehend freie Hand: „Wenn man mit Spaß arbeitet, funktioniert das besser als unter Zwang.“ Sowohl Baumgartner als auch seine Schüler opferten nicht nur einmal ihre Freizeit, um die Arbeit erfolgreich abzuschließen.

Trotz des spielerischen Charakters soll „Neurocubes 3D“ das räumliche Vorstellungsvermögen trainieren. Jedes der Teilspiele soll unterschiedliche Aspekte dieser Fähigkeit ansprechen. Dafür wurde auch eine Feldstudie mit 30 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Dabei zeigte sich durch die Pre- und Posttests, dass sich nach Nutzung der Software das räumliche Vorstellungsvermögen „signifikant verbessert“ hat, berichtet Renate Csellich-Ruso, die das Diplomarbeitsprojekt wissenschaftlich begleitete.


Zukunft. Für die drei Schüler steht jetzt erst einmal die Matura an. Dafert möchte anschließend als selbstständiger Spieleentwickler aktiv werden. Auch Müller möchte in dieser Branche arbeiten. Die beiden haben im Vorjahr schon gemeinsam an einem Spiel gearbeitet. Purker will zuerst seinen Zivildienst abschließen und danach studieren. Was genau, darauf legt er sich noch nicht fest.

Das gemeinsame Projekt „Neurocubes 3D“ könnte aber länger Auswirkungen zeigen. Mit der Software könnten Verständnisprobleme bei Schülern in Fächern wie Darstellender Geometrie oder Maschinenbau abgeschwächt werden. Der Wiener Stadtschulrat soll bereits Interesse angemeldet haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2013)

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