Gastkommentar

Als „Cristo Rei“ ausradiert wurde

Passt die religiöse Statue in Lissabon etwa nicht in die schöne schnelle Welt der Automobilmarke Porsche?

Der deutsche Automobilhersteller Porsche hat für das Modell 911 S/T einen Werbefilm in Portugal gedreht und dabei die bekannte Christus-Statue „Cristo Rei“ südlich von Lissabon wegretuschiert. Die kreuzförmige Statue steht auf einem 75 Meter hohen Sockel über dem Rio Tejo, ihre ausgebreiteten Arme wenden sich der portugiesischen Hauptstadt zu – ein eindrücklicher Gestus der Zuneigung, ja des Segens. Die Statue selbst ist 28 Meter hoch – und für jeden, der die sechsspurige Hängebrücke Ponte de 25 Abril passiert, ein unübersehbares Wahrzeichen.

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Die Idee für eine gigantische Christus-Skulptur am Ufer des Tejo kam dem Patriarchen von Lissabon, Kardinal Manuel Gonçalves Cerejeira, in den 1930er-Jahren bei einem Besuch in Brasilien. Als er die monumentale Statue „Cristo Redentor“ auf dem Berg Corcovado südlich von Rio de Janeiro sah, wünschte er sich eine ähnliche Skulptur auch für Portugal. Die portugiesische Bischofskonferenz gab 1940 den Anstoß dafür: Sollte Gott Portugal vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs bewahren, wolle man aus Dank am Ufer des Tejo eine Christus-Statue errichten. Nach dem Krieg löste man das Versprechen ein. Der portugiesische Bildhauer Francisco Franco de Sousa realisierte die monumentale Skulptur. Nach zehnjähriger Bauzeit konnte die Statue 1959 eingeweiht werden. Durch eine Aussichtsplattform, von der man den Tejo, die Stadt Lissabon und den Atlantik sehen kann, ist sie ein heute viel besuchtes touristisches Ausflugsziel.

Der deutsche Autobauer hat den „Cristo Rei“ in seinem Werbespot entfernt, als passe die religiöse Statue nicht mehr so recht in die schöne schnelle Porsche-Welt. Dabei kam das Modell 911, dessen 60-Jahr-Jubiläum gerade glitzernd inszeniert wird, nur wenige Jahre später auf den Markt. Warum dann die Retusche? Offensichtlich sollte niemand im Sinne der negativen Toleranz Anstoß an dem christlichen Wahrzeichen nehmen. In vorauseilender Vorsicht wollte man nicht- oder andersgläubigen Kundinnen und Kunden entgegenkommen, als solle die mobile Moderne der Zukunft eine religionsfreie Welt sein. Ein aufmerksamer Facebook-Nutzer wies auf diesen werbetechnischen Ikonoklasmus hin: „Hey @Porsche, why did you erase the statue of Jesus Christ in your video filmed in Lisbon?“ Mit einem roten Kringel hat er die Leerstelle für alle sichtbar markiert und damit die religiöse Zensur des Unternehmens offengelegt.

Porsche reagierte auf Kritik

Der Hinweis auf die Christus-Retusche durch Porsche fand in der Welt der Facebook-Nutzer große Resonanz und empörte Kritik. Neben dem Wallfahrtsort Fátima zählt der „Cristo Rei“ in Almada für das mehrheitlich katholische Portugal zu den wichtigsten Pilgerstätten – und es ist nicht besonders geschichts- und religionssensibel, das Symbol zu tilgen. Auch andernorts ist heute die Tendenz zu beobachten, religiöse Zeichen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Man glaubt, man sei neutral, wenn man christliche Symbole neutralisiert – und merkt nicht, dass eine solche Strategie auf eine Privilegierung der Religionslosen hinausläuft.

Porsche reagierte umgehend auf die Welle der Kritik, nahm die Retusche zurück und entschuldigte sich, man habe niemanden verletzen wollen. Das religiöse Symbol, das weg war, ist im Werbespot jetzt wieder da. Auch Porsche scheint demnach auf Schutz und Segen, die durch die ausgebreiteten Arme des „Cristo Rei“ symbolisiert werden, nicht verzichten zu können.

Jan-Heiner Tück (*1967 in Emmerich, Deutschland) ist Professor am Institut für Systematische Theologie und Ethik der Universität Wien. Schriftleiter der Zeitschrift „Communio“; zahlreiche Publikationen; lebt in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(„Die Presse“, Print-Ausgabe 10.8.23)

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