Klimawandel: Die Natur gewährt keine zweite Frist

Entweder die Menschheit respektiert die Naturgesetze – oder die Naturabläufe setzen sich über die bestehende Zivilisation hinweg.

Die Erderwärmung wird zur größten Bedrohung für die Lebensbedingungen der kommenden Generationen. Die Staatengemeinschaft kam vor Jahren zu dem Schluss, dass eine Erwärmung um zwei Grad Celsius das Äußerste ist, was das Ökosystem ohne unvorstellbare Katastrophen verkraften kann. Auch Österreich hat diesbezügliche Beschlüsse mitgetragen.

Doch die aktuelle Entwicklung wird zu einer Erwärmung von vier bis sechs Grad Celsius führen. Das wird die Basis unserer Zivilisation in einigen Jahrzehnten zerstören: durch Naturkatastrophen, Flüchtlingsströme, Hungersnöte etc. Deswegen warnen viele Informierte, nicht nur Klimawissenschaftler, sondern auch die Weltbank, die Internationale Energieagentur, zuletzt auch der Präsident der USA, Obama, und fordern raschen und wirksamen Klimaschutz.

Die Hauptursache für die rasche Erwärmung sind die hohen und immer noch steigenden CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle.

Beispiele: Ein mittleres Haus mit Öl beheizt bläst zehn Tonnen Kohlendioxid pro Jahr in die Luft, mit Gas beheizt sieben Tonnen, ein Kohlekraftwerk etwa ein Kilogramm Kohlendioxid je erzeugter Kilowattstunde!

Radikaler Umstieg ist nötig

Nur ein rascher und radikaler Umstieg auf erneuerbare Energien wie Strom aus Wasserkraft, Wind, Fotovoltaik, Biogas/Biomasse und Wärme aus Solarkollektoren, Biomasse, Geothermie bietet die Chance, das Problem Erderwärmung zu entschärfen.

Bis 2035 muss die Verwendung von Öl, Gas und Kohle zumindest um 50 Prozent reduziert werden, wenn wir unseren Enkeln unvorstellbare Katastrophen ersparen wollen. Das bedeutet keine fossile Energie mehr in der Stromerzeugung, in der Raumwärme, sondern nur mehr in Teilen der Güterproduktion und des Verkehrs.

Die Erderwärmung fällt in eine andere Kategorie von Problemen als Finanzkrisen, Schuldenprobleme oder Wachstumsschwäche. Letztere sind von Menschen verursacht und können durch entsprechende Gesetze und neue Wirtschaftskonzepte gelöst werden – sicher unter Verzicht auf so manche lieb gewordene Gewohnheiten.

In den Fragen des Klimawandels steht die Menschheit Naturgesetzen gegenüber, die sie nicht ändern kann. Entweder sie respektiert diese Gesetze und richtet ihr Verhalten danach aus, oder die Naturabläufe setzen sich über die bestehende Zivilisation hinweg.

Wenn noch weitere fünf bis zehn Jahre soviel CO2 emittiert wird wie derzeit, wird die Atmosphäre so vollgestopft sein mit diesem Klimagas, dass eine Beschränkung der Erwärmung auf zwei Grad Celsius unmöglich wird. Die Menschheit hat nur mehr wenige Jahre die Chance, eine globale Klimakatastrophe zu verhindern.

Sofortiges Handeln ist daher notwendig. Wird diese Chance verspielt, so ist sie unwiederbringlich dahin.

Die Verantwortung für die Energie- und Klimapolitik liegt bei den Nationalstaaten – sie allein haben die Kompetenz, durch ihre Ordnungs-, Steuer- , Finanz- und Förderpolitik die Weichen für 100% erneuerbare Energie zu stellen. Internationale Organisationen wie die Europäische Union, die UNO sind wichtig, aber in entscheidenden Fragen an das Prinzip der Einstimmigkeit gebunden, und daher einfach zu langsam, um rechtzeitig verbindliche Beschlüsse gegen den CO2-Anstieg zu fassen. Was bedeutet das für Österreich?

Öl, Gas, Kohle müssen weg

Auch Österreich muss in Teilen seines Energiesystems so schnell wie möglich auf Öl, Gas und Kohle verzichten. Österreich hat dazu besonders günstige Voraussetzungen: Als Gebirgsland haben wir viele Möglichkeiten, die kinetische Energie des Wassers zu nutzen, viele Landesteile bieten günstige Standorte für Windräder, die Sonneneinstrahlung ist deutlich höher als in Deutschland, das Potenzial an Biomasse ist groß und noch nicht ausgeschöpft, und das Interesse der Bevölkerung am Ausbau der erneuerbaren Energien ist besonders stark entwickelt.

Es gibt auch eine Reihe von Konzepten, die den Weg in diese Richtung weisen.

Schon vor einigen Jahren haben die Verbände für erneuerbare Energien eine Strategie entwickelt und der Regierung vorgelegt, bei deren Umsetzung Österreich bis 2020 schon 50 Prozent des gesamten Energiebedarfes aus heimischen erneuerbaren Quellen decken könnte. Erst kürzlich zeigte der Verband für erneuerbare Energien auf, dass Österreich bis 2020 seinen Strombedarf zu 100Prozent aus Wasserkraft, Wind, Solarenergie und Biomasse/Biogas decken könnte. Auch der Wärmebedarf kann weitgehend auf erneuerbare Quellen umgestellt werden.

Doch greift das offizielle Österreich solche Vorschläge auf?

Das ist derzeit nicht der Fall. Wenn man die aktuelle Bundesregierung im Juni 2013 an ihren Taten misst, kommt man zu dem Ergebnis, dass kein Interesse an einer raschen Energiewende besteht. Seit Jahren stagniert der Anteil der erneuerbaren Energien bei 30 bis 31Prozent.

Die Regierung sieht zu, wie Ölheizungen, anderswo verboten, hierzulande gefördert werden und unterstützt die fossile Wirtschaft und damit die Zunahme der Erderwärmung direkt und indirekt mit großen Geldbeträgen. Und Spitzenvertreter der Elektrizitätswirtschaft melden gerade neue Forderungen zur finanziellen Unterstützung fehlgeplanter Gaskraftwerke an, deren Betrieb wiederum Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen würde!

Keine Änderung in Sicht

Österreich hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, die CO2-Emissionen auch nur unter das Niveau von 1990 zu senken. Sie pendeln derzeit knapp über 80Mio. Tonnen, und die Einschätzung des Umweltbundesamtes besagt, dass sich bei Beibehalten der aktuellen Politik bis 2030 nicht viel ändern wird. Doch im Sinne des Zwei-Grad-Zieles müssten sie bis 2030 halbiert werden.

So liefert Österreich mit der aktuellen Politik seinen Beitrag zu einer globalen Erwärmung von vier bis sechs Grad Celsius. Wenn Österreich diesen Weg in den kommenden Jahren fortsetzt und auch in Brüssel Beschlüsse für eine rasche Energiewende verhindert, dann wird die Chance für Österreich, für Europa und damit auch global, rechtzeitig einen wirksamen Beitrag zur Verlangsamung Erderwärmung zu leisten, für immer dahin sein.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen die Parteiführer und Regierungschefs die Bekämpfung des Klimawandels zur Chefsache machen (Deutschland, Dänemark, Frankreich, USA), herrscht in Österreich das große Schweigen. Muss man daraus schließen, dass im Falle eines Wahlsieges der bestehenden Koalition die Politik zugunsten der fossilen Energien und damit zur beschleunigten Erwärmung weitere fünf Jahre fortgesetzt wird?

Eine Antwort vor den Wahlen wäre nicht uninteressant. Denn eines ist sicher: Die Natur gewährt keine zweite Frist, notwendige Entscheidungen rechtzeitig zu treffen.

Zur Person


E-Mails an: debatte@diepresse.comHeinz Kopetz ist seit dem Vorjahr Vorsitzender des Weltbiomasseverbandes. Der Verband versteht sich als Sprachrohr der globalen Bioenergiebranche. Kopetz war langjähriger Vorsitzender des Österreichischen Biomasseverbandes und Präsident des Europäischen Biomasseverbandes. [Clemens Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Auch dieses Kind in Somalia leidet unter Nahrungsmangel.
Weltjournal

UNO: Weltweit hungern 842 Millionen Menschen

Jeder achte Mensch leidet weltweit an Nahrungsmangel und chronischer Unterernährung. Betroffen sind vor allem Afrika und Asien.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.