Die Chuzpe des Antisemito-Meters

Replik. Der frühere „Kurier“-Herausgeber lässt sich von „Presse“-Querschreiber Martin Engelberg nicht in ein antisemitisches Eck stellen.

Die gute Laune nach einem feinen Urlaub vermag der neuerliche Ausschlag des Antisemito-Meters Martin Engelberg in der „Presse" ja nicht zu verderben. Aber unkommentiert soll seine quergeschriebene Chuzpe denn doch nicht bleiben. Laut Definition leitet sich das vom hebräichen chuzpà für Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit ab. Engelberg liefert das exemplarisch in der Praxis.
In meinem Blog „Die Anti-Amerikanismus-Keule" hatte ich ihm am 9. Juli vorgehalten: „Kritik an der TEILWEISE (Hervorhebung d. Verf.) schwer völkerrechtswidrigen und rassistisch gefärbten israelischen Politik wird unter anderem von ihm traditionell als antisemitisch vernadert." Engelberg nannte das in einem Kommentar auf meiner Blog-Seite „eine gehässige und falsche Anschuldigung gegen mich". Ich antwortete darauf sofort mit einer Entschuldigung: „Falls ich Ihnen mit dem Vorwurf Unrecht getan habe, tut es mir leid."
Diese meine Entschuldigung „nehme ich selbstverständlich an", schreibt Engelberg jetzt in seiner „Presse"-Kolumne. Damit ist üblicherweise eine Sache erledigt.
Nicht bei Engelberg, der meinen zurückgenommenen persönlichen Vorwurf vorher neuerlich ausbreitet und auch noch verdreht. Ich hätte damit behauptet, dass er „JEDER (Hervorhebung d.Verf.) Kritik an Israel mit diesem Vorwurf begegne". Ich dagegen hatte ganz präzise formuliert, auf welchen Vorwurf gegen die israelische Politik die immer wiederkehrende Unterstellung des Antisemitismus als Antwort kommt. Falls nicht von Engelberg persönlich, dann von zahllosen jüdischen Personen und Institutionen.
Vorurteil, Ressentiment, Begriffe, wie sie in rechten Zirkeln häufig aufträten hält mir Engelberg vor. Und „eine undifferenzierte, nicht gerade sachliche Behauptung zur Politik Israels".


Wesentlich interessanter wenn auch intellektuell fordernder wäre der Versuch eines Nachweises gewesen, was an meiner Kritik falsch sein soll: „Dass die israelische Besetzungs- und Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten anhaltend schwer menschenrechts- und völkerrechtswidrig ist, bleibt auch unter vielen Israelis völlig unbestritten. Dass Teile der israelischen Regierungspolitik von offen rassistischem Antiarabismus geprägt sind, beschämt auch viele israelische Demokraten. Teils fahrlässig, oft gezielt, haben israelische Regierungen alle Friedens-Chancen versäumt oder verbaut, beklagt man auch im eigenen Land."
Als noch kecker empfinde ich den Dreh, meine Entschuldigung umzudeuten. Die Bezeichnung „prominenter Wiener Jude" lasse ihn „ziemlich kalt, und Rabls nachgeschobene Entschuldigung nehme ich selbstverständlich an". Ich wüsste nicht, was es da zu entschuldigen geben sollte.

Unpolemischer Hinweis

Dieser unpolemische und sachliche Hinweis ist wohl angebracht, wenn man sich mit seinem psychologisierenden Geschwurbel über den angeblich tief sitzenden Antisemitismus und Antiamerikanismus bei den Kritikern an Auswüchsen israelischer oder US-amerikanischer Politik beschäftigt. Man muss beileibe nicht so weit gehen wie der alte Kreisky, der sich selbst einmal Aussagen zum Antisemitismus verkniff, denn das sei „wie wenn Karnickel sich zur Vivisektion äußern".

Aber wenn sich jemand wie Kolumnist Engelberg als personifizierter Antisemito-Meter aufspielt, muss man bei einem kürzlich glanzvoll gescheiterten Kandidaten für die Präsidentschaft der Wiener Kultusgemeinde schon auf einen naheliegenden Mangel an kritischer Distanz zum Thema Israel hinweisen dürfen. Jener Kultusgemeinde übrigens, in deren Stadttempel der beste Platz für den jeweiligen israelischen Botschafter in Wien reserviert ist.
In diesem Sinn verbuche ich den objektiv schwer beleidigenden Versuch Engelbergs, mich in ein antisemitisches Eck zu stellen, als vernaderische Chuzpe. Beleidigen kann man mich nur mit meiner ausdrücklichen Genehmigung. Engelberg hat sie ausdrücklich nicht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)

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Keiner meiner Kommentare hat so viele Reaktionen ausgelöst wie jener zu den gemeinsamen Wurzeln von Antiamerikanismus und Antisemitismus, den ich an dieser Stelle vor zwei Wochen geschrieben habe.

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