Kinder als erstarrte Miniaturerwachsene auf den Familienporträts. William Brooke, 10. Lord of Cobham, mit Familie 1567.
Geschichte

Die geheime Welt der Tudor-Kinder

Wenn Historiker bei ihren Epochendarstellungen das Leben der Kinder auslassen, tun sie das zu ihrem eigenen Schaden. Eine neue Studie über die Kinder der englischen Tudorzeit ist ein Beispiel für Sozialgeschichte vom Feinsten.

König Heinrich VIII. war so nervös, dass er seine dritte Frau, Jane Seymour, bei ihrer Niederkunft am 12. Oktober 1537 von männlichen Ärzten betreuen ließ, eine Tatsache, die möglicherweise zu ihrem Tod am Kindbettfieber kurz nach der Geburt beigetragen hat. Er hätte besser getan, dem Fachwissen der erfahrenen Hebammen zu vertrauen. Sie standen den Gebärenden, die sich auf eigene Stühle setzten, bei und wurden von anderen Frauen unterstützt. Die Autorität der Hebammen wurde auch von der Kirche gestützt, vielleicht weil sie Säuglingen, die in Lebensgefahr schwebten, eine Nottaufe geben mussten. Männer waren bei der Niederkunft fast immer ausgeschlossen. Das galt für ein Königshaus genauso wie für eine normale Familie.

Wie ging es weiter mit einem Säugling im England des 16. Jahrhunderts? Vor allem, wenn er nicht als Thronfolger prädestiniert war, sondern in einer armseligen Bauernhütte das Licht der Welt erblickte? Die Taufe, bei der der Pate laut den Namen des Kindes sprach, war unabdingbar. Vornehme waren nicht daran interessiert, sich in der Namensgebung ihres Nachwuchses besonders hervorzutun. Henry, John, Robert, Thomas, William hießen Knaben aus allen Schichten, ebenso wie Anne, Elizabeth, Jane oder Mary bei den Mädchen. Wie heute wurden sie oft abgekürzt: Jack für John, Dick für Richard, Moll für Mary oder Bessie für Elizabeth. 

Allgemein galt die Empfehlung, dass eine Mutter ihr Kind stillen sollte, und zwar zwei- bis dreimal am Tag. Eine Amme heranzuziehen galt als Notlösung, freilich nicht in den wohlhabenden Gesellschaftsschichten. Man nahm an, das Stillen lasse die Frauen schneller altern und verzögere die Rückkehr zur Fruchtbarkeit, das hätte zu kleineren Familien geführt. Die Amme zog außer bei ganz vornehmen Geschlechtern nicht in das Haus des Säuglings, sondern er wurde zu ihr aufs Land geschickt, das als gesünder und weniger anfällig für Epidemien galt.

Findelkinder und erstickte Babys

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