Über Jahrzehnte hinweg war Hongkong die Wirtschaftsmetropole Asiens. Dies hat sich in den vergangenen Jahren geändert.
Abstieg

Hongkong verliert langsam an Bedeutung

Einst war die Metropole in Südchina der wichtigste Handelsplatz der Region. Doch inzwischen leidet Hongkong auch wirtschaftlich an der politischen Repression Chinas. Junge Talente verlassen die Stadt.

Die Halbwertszeit von Wissen, das einem Ingenieur im Studium vermittelt wurde“, sagt Oscar Venhuis in kühl-analytischem Ton, „hat sich seit den 1960er-Jahren von einem Jahrzehnt auf 18 Monate reduziert.“ Der Niederländer zitiert aus dem Gedächtnis. Diese Daten sind existenziell für sein Geschäft, denn die Botschaft soll sein: Was man in technologieorientierten Fächern heute an der Uni lernt, ist binnen kurzer Zeit schon wieder überholt. „Und da docken wir an. Wir trainieren all die Leute, die von ihren Universitäten nicht passend für einen Job ausgebildet wurden.“

Oscar Venhuis, ein lässiger Typ mit grünem Sweater und buntem Basecap, fläzt sich in seinen Stuhl und sagt einen langen Moment nichts. Als wüsste er genau, dass sein Geschäftsmodell funktioniert, und außerdem: dass es hier funktioniert. Venhuis sitzt nicht etwa in seinem Büro, sondern in einem edlen Café klassischen Stils in einem Shoppingcenter in Hongkong. „Im Prinzip ist unser Business ja überall relevant.“ Deshalb hier erst recht? Hongkong sei immerhin das Bindeglied zwischen Ost und West. Und Venhuis‘ Dienste könne man von überall wahrnehmen, auch von einem Café aus.

Der Niederländer mit koreanischen Wurzeln ist Co-Chef des Start-ups Happyer, einem Anbieter von Upskilling-Kursen im Tech-Bereich. Als der Betrieb kurz vor der Pandemie gegründet wurde, war die Idee noch nicht, diverse Schulungen – von Coding-Sprachen wie Python über Onlinemarketing bis Data Science – online anzubieten. Covid-19 diktierte den Gründern ein digitales Umschwenken. Mittlerweile ist Happyer sowohl on- als auch offline. Und das Unternehmen floriert, schon in der Pandemie wurde eine halbe Million US-Dollar Umsatz generiert, der Break-even-Punkt erreicht.

„Wir werden weiter wachsen“, ist Venhuis sicher. Für 40.000 bis 50.000 Hongkong-Dollar (rund 4800 bis 6000 Euro) können sich Klientinnen über vier Monate in einem der angebotenen Bereiche trainieren lassen. Die mehreren Hundert Personen, die die 15 Mitarbeiter von Happyer bisher weitergebildet haben, sind größtenteils Uni-Absolventen, die von ihren Arbeitgebern schon bald nach Einstellung zurück in die Schule geschickt wurden. „Für Unternehmen in Hongkong ist es schwieriger geworden, die passenden Leute zu finden“, resümiert Venhuis nüchtern. „Es hat hier einen Exodus gegeben.“

Ein Exodus, von dem Happyer profitiert, da Arbeitgeber nun in diejenigen Personen, die noch hier sind, umso intensiver investieren müssen. Aber Oscar Venhuis, der um die Jahrtausendwende selbst als Uni-Absolvent erstmals nach Hongkong zog und sich in den Multikulturalismus und die Dynamik der 7,5-Millionen-Metrople verliebt hat, ist mit seinem Betrieb einer der wenigen, die sich über den Abfluss von Talenten freuen können. Um 140.000 Personen ist die Arbeitsbevölkerung von Hongkong seit 2020 geschrumpft. Und es ist ungewiss, ob sie jemals zurückkommen werden.

Hongkong, die als Handelshub berühmte Metropole an der Südküste von Festlandchina, hat schwierige Jahre hinter sich – und womöglich noch weitere vor sich. Als „Asiens Weltstadt“ bezeichnet die Regierung den einst autonomen Stadtstaat gern. Dabei setzt schon der Abfluss von Talenten ein großes Fragezeichen hinter diesen Namen, in dem ja auch eine Behauptung steckt. Ist Hongkong wirklich noch die Stadt Asiens, wo sich Menschen aus aller Welt treffen, um ins Geschäft zu kommen?

Falsche Versprechungen?

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