Liberal betrachtet

Der Staat verliert seine Autorität auf der Straße

Wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, das bürgerliche Zusammenleben einigermaßen aufrechtzuerhalten, verfehlt er seinen ureigentlichen – liberalen – Zweck.

Demnächst beginnt wieder die Saison der morgendlichen Sitzblockaden. Der öffentliche Verkehr wird teilweise zusammenbrechen, weil ein paar Akteure ihr Anliegen für so bedeutend halten, dass sie sich weder an die allgemeinen Regeln der demokratischen Willensbildung noch an jene des bürgerlichen Zusammenlebens zu halten glauben müssen. Alle, die ihrem Alltag nachgehen, haben das Nachsehen: jene Eltern, die ihre kranken Kinder zum Arzt bringen, jene Männer, die ihre schwangeren Frauen ins Spital führen, jene Ärzte, die Operationen durchzuführen haben, jene Arbeiter, die Frischbeton rechtzeitig zur U-Bahn-Baustelle bringen müssen.

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Wenn das Beispiel der illegalen sowie umwelt- und wirtschaftsschädigenden Straßensperren Schule macht, könnten sich bald andere Gruppen absolutistisch über das Gesetz stellen. Infrage kommen sowohl die extreme Rechte, die die Methoden ihrer politischen Gegner gern kopiert, als auch pseudoreligiöse Sekten, die glauben, die Welt retten zu müssen. Auch aktuelle Überlebensmotive könnten den Nährboden für die neuartige Aufmerksamkeitsstrategie bilden.

Die Gefahr tätlicher Konfrontationen wächst ständig. Wenn der Staat nicht in der Lage ist, das friedliche Zusammenleben einigermaßen aufrechtzuerhalten, verfehlt er seinen ureigentlichen – liberalen – Zweck. Damit verliert er auch an Autorität. Denn der Staat ist in erster Linie eine Zweckgemeinschaft zur Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die des Nächsten beginnt. Schafft es die Regierung nicht, für Recht und Ordnung zu sorgen, wird sie in aller Regel abgewählt.

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