Am Anfang gab es nur drei Listen

Gruesz Gott und Heil Hitler - Kirche unter dem Hakenkreuz
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Wahlkämpfe in Österreich: 1945 war der Stimmzettel noch sehr „überschaubar“. Erst der Urnengang 1949 brachte eine vierte Partei ins Spiel und in den Nationalrat.

Neun Parteilisten bei den bevorstehenden Wahlen bundesweit: ein Rekordwert? Keineswegs. Auch im Jahr 1999 gab es einen derart bunten Stimmzettel. Damals hießen die „Exoten“ etwa „Die Unabhängigen“ (DU) des Geschäftsmanns und Adabeis Richard Lugner oder „Nein“ (nämlich zu Nato und EU). Auch die „CWG“, die „Christliche Wählergemeinschaft“, verfehlte den erstrebten Einzug ins Hohe Haus mit Bomben und Granaten. Und das „Liberale Forum“ von Heide Schmidt flog mit nur 3,65Prozent (168.612) der abgegebenen Stimmen wieder aus dem Nationalrat.

Auch bei dem Urnengang davor – 1995 – bewarben sich kuriose Listen, die heute schon aus dem Gedächtnis verschwunden scheinen. Wer denkt noch an die „Vereinten Grünen – Liste Adi Pinter“ oder an die „Österreichische Naturgesetzpartei, Fritz Georg, Die Beste Partei“? 13 Listen standen damals zur Auswahl, einige davon traten aber aus Mangel an Ressourcen nur in vereinzelten Wahlkreisen an.

Am Beginn der Zweiten Republik sah es ganz anders aus. Drei Parteien – das wars. Schon am 27. April 1945 hatte Karl Renner (S), dem von den Sowjets das Amt des Staatskanzlers übertragen worden war, eine provisorische Staatsregierung gebildet. Die zugelassenen Parteien (Volkspartei, Sozialisten, Kommunisten) proklamierten die Wiedererrichtung der Republik Österreich.

Tauziehen um die Kriegsgefangenen

Um legitimiert zu sein, drängten sie auf baldige Nationalratswahlen. Zahlreiche Ungereimtheiten traten auf, die Wählerverzeichnisse gestalteten sich chaotisch. Sämtliche NS-Belastete hatten kein Wahlrecht. Es fehlten auch hunderttausende Kriegsgefangene. Um diese ging es aber indirekt: Wer bringt die Väter, Brüder, Söhne eher aus der Gefangenschaft nach Hause?, das interessierte die Wähler (siehe unten).

Bei diesen ersten Nationalratswahlen der 2. Republik am 25.November 1945 kam die ÖVP mit 49,8 Prozent auf eine absolute Mandatsmehrheit vor der SPÖ (44,6Prozent), während die KPÖ mit 5,4Prozent einen regelrechten Absturz erlebte.

Die Solidarität hielt nur bis 1947, dann verließ der einzige KP-Minister die Konzentrationsregierung unter Leopold Figl.

Die Koalition bekommt Konkurrenz

Bei der Nationalratswahl 1949 durften erstmals wieder jene rund 500.000 Österreicher wählen, die 1945 wegen ihrer einstigen NSDAP-Mitgliedschaft ausgeschlossen waren. Ihr Sammelbecken, der „Wahlverband der Unabhängigen“ („WdU“), wurde vom SP-Innenminister Helmer wohlwollend gefördert: Auf diese Weise sollte die bürgerliche Wählerschaft gespalten und die SPÖ endlich Nummer eins im Lande werden.

Dominierend im Wahlkampf: Bundeskanzler und ÖVP-Chef Leopold Figl. Statt die bürgerliche Splitterpartei „WdU“ frontal zu attackieren, warnte die Volkspartei vor der Gefahr einer „Volksfront“ aus Sozialisten und Kommunisten, die in den Nachbarländern Österreichs zwar bittere Realität war, hierzulande aber keinerlei Chancen hatte. Die SPÖ grenzte sich strikt von den Kommunisten ab und dementierte in ihren Plakaten die VP-Unterstellung empört.

Der 9.Oktober 1949 brachte dann eine herbe Enttäuschung: Der „WdU“ zog zwar mit sensationellen 16 Mandaten in den Nationalrat ein, aber auf Kosten beider Großparteien. Denn der „WdU“ war mit scharfen Attacken gegen die Aufteilung der Republik in Schwarz und Rot in die Wahlschlacht gezogen. Der neue Mandatsstand lautete somit: 77ÖVP, 67SPÖ, fünf „Linksblock“ (KPÖ), 16 „WdU“. Die ÖVP blieb also stärkste Fraktion, stellte mit Leopold Figl weiter den Kanzler und ging wieder eine große Koalition mit der SPÖ ein. Neben den vier Parlamentsparteien hatten übrigens erstmals auch noch sechs Splittergruppen kandidiert, darunter auch eine „Haus- und Grundbesitzerpartei“.

Angstparolen und Schmähungen

Freundlichkeit auf Wahlplakaten war in früheren Zeiten nicht üblich. Angstparolen prägten die künstlerisch gestalteten Affichen und diffamierende Schmähungen des politischen Gegners. Zentrale Figuren der SP-Kampagne waren 1953 etwa der von Viktor Th. Slama entworfene schwarze „Rentenklau“ und der „Hungerraab“. Inzwischen hatte ja Julius Raab in der ÖVP Leopold Figl als starken Mann abgelöst.

Statt im Oktober musste schon am 22.Februar 1953 gewählt werden. Die Koalitionäre hatten kein Budget zustande gebracht. Die ÖVP trat für einen Sparkurs ein, dessen Folgen im Wahlkampf von der SPÖ als Horrorszenario inszeniert wurden: „Elend und Not regiert – wo die ÖVP diktiert.“

Die Volkspartei setzte auf Beruhigung: Sie garantiere eine stabile Währung. Beim nächsten Wahlkampf präsentierte sie folgerichtig auch ihren parteiunabhängigen Finanzminister Kamitz mit dem „Raab-Kamitz-Kurs“. Wie wenig man sich damals um eine Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit kümmerte, zeigt die Episode um den zweifellos kompetenten Kamitz: Der Finanzexperte war NSDAP-Mitglied gewesen. Raab befahl nur kurz: „Des is' mei Zahlenrabbi, den brauch i'. Tut's mir den entnazifizieren.“

Nächsten Samstag:

Die erste Wahl nach dem Staatsvertrag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2013)

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