Jungwähler: Die unterschätzte Macht

WIENER GEMEINDERATSWAHLEN - (Jung-Waehler)
WIENER GEMEINDERATSWAHLEN - (Jung-Waehler)APA
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Jeder fünfte potenzielle Wähler ist jünger als 30 Jahre. Sie machen es Parteistrategen sehr schwer: Sie sind schwierig anzusprechen und wenig treu.

Wien. Wie schneiden Fair-Trade-Kondome in den Kategorien Verpackung und Abrollverhalten ab? Gibt es wiederverwendbare Binden– und: Wie cool ist Julian Schmid? Diesen Fragen geht das Magazin „Eva“ nach – die Erfindung der Grünen, um Jungwähler anzusprechen. Nach der Präsentation des 35 Seiten dicken Heftes dauerte es nicht lange, und im Netz war schon eine Diskussion entbrannt.

Peinlich fanden es die einen, originell die anderen. Eines ist jedenfalls sicher: Es fällt auf. Und das ist für Wahlgeschenke nicht die schlechteste Strategie. Mit 200.000 Exemplaren des Magazins im Gepäck gehen die grünen Jungkandidaten auf Bundesländertour. Sie sollen wohl das Ziel erfüllen, das Parteichefin Eva Glawischnig formuliert hat: „die Nummer eins bei den Jungen werden“.

Einer davon ist Julian Schmid, 24 Jahre alt, auf Platz acht der grünen Bundesliste und auf dem Cover von „Eva“. Ob ihm die Inszenierung, die ein bisschen an ein Mitglied einer Boyband erinnert, nicht unangenehm sei? Nein, das müsse man „mit einem Augenzwinkern“ sehen, meint er. Denn das Heft sei ein politisches Magazin, in dem grüne Themen wie Umweltschutz, Gleichberechtigung von Homosexuellen und mehr Frauenrechte angesprochen würden. „Außerdem beschwert sich jeder, dass die Politik nichts für Erstwähler anbietet. Wir machen das“, sagt Schmid.

Tatsächlich bemühen sich die Parteien heuer, besonders jugendlich zu erscheinen. Zumindest was die potenziellen neuen Abgeordneten betrifft. Beinahe jede Partei hat einen Funktionär Mitte 20 auf den vorderen Rängen ihrer Liste platziert. Diese sind dann auch dafür verantwortlich, die Wähler unter 30 anzusprechen, und touren deshalb durch die Bundesländer.

Vor allem für die Großparteien ist dies eine schwierige Aufgabe. Denn die Jugend wählt, wenn überhaupt, vorwiegend FPÖ und die Grünen. Laut einer Studie des GFK-Instituts fühlen sich 16 Prozent der Jungwähler von der FPÖ angesprochen, elf Prozent von den Grünen. SPÖ und ÖVP liegen mit acht Prozent gleichauf.

Allerdings ist auch immer wieder die Rede davon, dass die ältere Generation die Wahlen bestimmt, weil sie schlicht die größere Bevölkerungsgruppe ausmacht. Zahlt es sich also für die Parteien überhaupt aus, Geld und Mühe in den Jugendwahlkampf zu investieren?

Auf Senioren ist Verlass

Immerhin 21 Prozent der Wahlberechtigten in Österreich sind zwischen 16 und 30 Jahre alt, die Gruppe der über 60-Jährigen macht hingegen gut 30 Prozent aus. Hinzu kommt freilich, dass der Anteil an Nichtwählern bei den Jungen um einiges höher ist als bei den Älteren. Und: Der Stammwähler wird immer mehr zum Auslaufmodell. Laut einer Imas-Umfrage sind 52Prozent der über 50-Jährigem noch an eine Partei gebunden, bei den Wählern unter 30 sind es nur noch 16 Prozent.

Kurzum: SPÖ und ÖVP können sich auf ihre treuen Senioren verlassen. Doch mit der Zeit kommen ihnen ihre Wähler immer mehr abhanden. Oder, wie es der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier nennt: „Die Großparteien sind die Opfer der Zukunft.“ Ihr Problem: Sowohl FPÖ als auch Grüne würden sich auf einen bestimmten Flügel konzentrieren. Die Großparteien hingegen auf eine Mitte, die es nicht gebe, oder nicht mehr allzu lange.

Der klassische junge Grün-Wähler sei jedenfalls „ein Kind der ÖVP-Klientel“: jung, urban, mit einem akademischen Titel. Bei der FPÖ sei es eher ein „Handarbeiter“, den bestimmte Abstiegsängste plagen würden, „selbst wenn dieser Abstieg gar nicht bevorsteht“. Und diese Spaltung in zwei Gruppen würde in Zukunft immer weiter voranschreiten.

„Neos fressen am grünen Fleisch“

„Desto jünger die Wähler, desto mehr reagieren sie aber auf Angebote“, sagt Heinzlmaier – zumindest wenn es ihrem Ideologischen Spektrum entspricht. Es sei ein Glück für die Grünen, dass die Piraten in Österreich nicht Fuß gefasst hätten. Die neue Bewegung hätte gefährlich werden können. „Dafür fressen die Neos am Fleisch der Grünen.“ Denn viele junge Selbstständige könnten zur neuen Partei wechseln. Die FPÖ würde wiederum mit Frank Stronach ein Problem bekommen.

Was kann man also als (Groß-)Partei tun, um die Jungwähler anzusprechen? „Klare Positionen und nicht Schlagworte mitteilen. Und diese verlässlich bis zum Schluss durchziehen.“ Man brauche „kein Geschwurbel über Arbeit und Optimismus“. Sondern konkrete Vorschläge, die man vor allem im Fernsehen und in Zeitungen transportieren müsse. „Dann werden sich bestimmte Gruppen auch bewegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2013)

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