Herbst 1913: Man wartet auf des Kaisers Tod

Herbst 1913
Herbst 1913 (C) Tyrolia, 2013
  • Drucken

Eine wissenschaftliche Historikertagung in Krems zum Vorabend des Ersten Weltkriegs, die ersten Bücher mit Analysen über den Ausbruch des Krieges und über den Thronfolger Franz Ferdinand d'Este.

Im Herbst des Jahres 1913 war „alles auf Schiene“, wie wir heute, hundert Jahre später, sagen würden: Das Manifest zur Thronbesteigung des 50-jährigen Habsburger-Prinzen Franz Ferdinand von Österreich-Este lag fertig in den Schreibtischen der Wiener Hochbürokratie, man wartete auf das Ableben des 83-jährigen Kaisers Franz Joseph. Das war in diesem Herbst 1913 sogar höchst wahrscheinlich. Doch der alte Kaiser in Schönbrunn erholte sich noch einmal von der Bronchitis.

Franz Ferdinands engste Ratgeber, darunter Heinrich Lammasch, hatten schon den Text seiner Thronproklamation entworfen, „Mastermind“ war der Oberst des k.u.k. Generalstabs, Alexander Brosch Edler von Aarenau, Leiter der Militärkanzlei des Thronfolgers im Belvedere.

Dieses „Programm zum Thronwechsel“ wollte zwar nicht den Dualismus zwischen den Deutschen und den Magyaren in der Monarchie abschaffen. Aber es sollte seiner Substanz entleert werden, beschreibt der Franzose Jean-Paul Bled in seiner soeben erschienenen Biografie über FF unter dem Titel „Der eigensinnige Thronfolger“.

Der neue Kaiser Franz II. von Österreich hätte sofort gehandelt: Sechs Monate waren dafür eine verdammt knappe Zeitspanne, denn spätestens dann hätte er als neuer Apostolischer König von Ungarn seinen Eid auf dessen Verfassung leisten müssen. Und danach wäre er gefesselt gewesen. So musste er schnell sein: Das Programm empfahl, die politische Vormachtstellung der Aristokratie zu brechen, auch jene des magyarischen niederen Adels. Der war besonders antiösterreichisch eingestellt.

Die erste und wichtigste Reform wäre also die Einführung des allgemeinen Wahlrechts gewesen. Eine Revolution, denn das hätte die Karten im ungarischen Landtag völlig neu gemischt, indem es den nicht magyarischen Völkern eine Mehrheit gesichert hätte (Slowaken, Rumänen, Serben, Kroaten, Slowenen, natürlich auch Deutschen). Das alles – auch die Stärkung der Königsautorität – hätte Franz Ferdinand noch vor Ablegung seines Eides erledigen müssen.

Es sollte nicht dazu kommen. 99 Jahre nach dem Attentat und der Entfesselung des Ersten Weltkrieges sind schon etliche Werke renommierter Historiker auf dem Markt, die der Vorgeschichte dieser ersten Weltkatastrophe des 20. Jahrhunderts auf den Grund gehen. Wir haben die ersten bereits lesen dürfen und stellen sie vor. Weitere folgen.

Historiker tagen an der Donau-Uni

Auch die erste Tagung mit Bezug auf das kommende Gedenkjahr ist fixiert. Zum Auftakt treffen dieser Tage international renommierte Experten an der Donau-Universität in Krems zusammen. Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung (Graz, Wien) organisiert im Auftrag der niederösterreichischen Landesregierung diese wissenschaftliche Konferenz. Unter dem Titel „Leben mit dem großen Krieg. Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive“ diskutieren Zeitgeschichtler aus England, Russland und den USA mit heimischen Fachleuten diesen ersten industrialisierten und weltumspannenden Krieg, der ein zentrales Element einer europäischen Zivilisationskrise bildete. Den aktuellsten Forschungstrends der Weltkriegs-Historiografie folgend, werden verschiedenste Aspekte des Krieges beleuchtet.

Warum Niederösterreich? Weil die Schallaburg im Jahr 2014 eine zentrale Rolle spielen wird. Nicht nur die Großausstellung „Jubel & Elend. Leben mit dem großen Krieg 1914–1918“ findet dort ab 29. März 2014 statt, die Schallaburg wird auch Drehscheibe von Forschungs-, Vermittlungs- und Publikationsprojekten rund um den Ersten Weltkrieg sein.

In Krems hat der in Graz lehrende Zeithistoriker Stefan Karner bei der Eröffnung der internationalen Expertentagung die große Aktualität der Ereignisse Anfang des 20.Jahrhunderts, ihre katastrophale Dynamik in Politik, Rüstung, Militär und unter der Zivilbevölkerung hervorgehoben. Er will zeigen, „was die erstmalige Massenmobilisierung im 20. Jahrhundert, das Massensterben und die ungeheuren Kriegsfolgen bis auf den heutigen Tag, bedeuten“, sagt Karner, der in Graz das erwähnte Boltzmann-Institut führt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Zeitreise

Bücher zum ersten Weltkrieg

Eine Buchauswahl und Analysen über den ersten Weltkrieg.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.