P.E.N. Österreich: Präsidiale Willkür statt Statuten

Gastkommentar. Der Vorstand steuert den österreichischen Ableger der internationalen Schriftstellervereinigung gerade zu neuen Ufern: die Synthese von finanziellem und moralischem Bankrott. Ein Sinologe spielt dabei eine besonders eigenartige Rolle.

Themen des kulturellen Lebens spielen im Wahlkampf keine Rolle. Umso wichtiger ist es, sich auch in seiner Endphase zu Wort zu melden, wenn in einem subventionierten Kulturverein Dinge geschehen, die den Vereinszielen diametral widersprechen.

Die Rede ist vom P.E.N.-Club Österreich und seiner Entwicklung seit 2011, als er schon einmal insolvent war. Nunmehr steuert die Vorstandsmehrheit neue Ufer an: die Synthese von finanziellem und moralischem Bankrott.

Der Club hat sich dem freien Wort und den Menschenrechten verschrieben. Das setzt klare Haltungen voraus. Doch wie sieht das praktisch aus? Der Sinologe Wolfgang Kubin mit Lehrstuhl in China, seit zwei Jahren im Vorstand des P.E.N., gilt in Exilkreisen als europäische Zentralfigur der relativierenden Propaganda des Pekinger Regimes, dessen Vernebelungsstrategie auf Pandabären für Zoos und forciertem Ausbau der Konfuzius-Institute (KI) fußt.

Armselige Botschaften

Der P.E.N. lässt sich vom hiesigen Konfuzius-Institut sponsern, der P.E.N.-Präsident war gerade fast zwei Wochen in China und kehrte mit der armseligen Botschaft „Wir wissen zu wenig“ zurück. Wer unbeeinflusst von chinesischem Sponsoring Zeitungen liest, weiß genug über dieses Regime. Meine Frage, wer diese China-Reise finanziert habe, blieb unbeantwortet.

In der Edition P.E.N. sind chinesische Gedichte erschienen. Im Nachwort entwickelt Kubin eine wirre Dialektik von „nicht zu wenig, sondern von zu viel Freiheit“ und behauptet, die deutschsprachigen Lande seien heute Heimat des chinesischen Gedichts, „und das tut allen Seiten gut (sic!)“. Der P.E.N. als fünfte Kolonne.

Der vom Regime verhaftete und in die USA abgeschobene Schriftsteller Bei Ling hat bis heute Einreiseverbot. Die Pekinger Behörden verhinderten seine Teilnahme am China-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2011. Bei Ling protestierte (mit dem englischen P.E.N.), als zur London Book Fair 2012 nur regimetreue Literaten eingeladen wurden. Kubin bezeichnet ihn als „selbst ernannten Dissidenten“. Salman Rushdie unterschrieb heuer einen in „Guardian“ und „Times“ publizierten Brief, in dem auf das Schicksal von Liu Xiaobo hingewiesen wurde.

P.E.N.-Vorstand Kubin sagt dagegen über Liu Xiaobo: „Den kennt hier niemand. Die Menschen in China haben andere Probleme.“ Menschenrechte seien hierzulande „hoch definiert“, in China gelte es aber, den nächsten Tag zu überleben. No na: Liu Xiaobo ist unbekannt, weil verfemt. Kubins Aussage ist eine zynische Entgleisung: Das Überleben ist Teil der Menschenrechte, die man weder reduzieren noch hinaufschrauben kann.

Nur relativierende Worte

Nicht überraschend also, dass der P.E.N.-Präsident meine Vorschläge, mit Amnesty International zu kooperieren, immer brüsk zurückgewiesen hat. Während sich AI und PEN – International Writers in Prison für Liu Xiaobo einsetzen, schlummert der österreichische Ableger vor sich hin. Umso infamer Kubins Behauptung, „man kommt also heute nicht mehr ins Gefängnis dafür, dass man schreibt“.

Als Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis erhielt, schwiegen die Konfuzius-Institute, über die der kanadische Geheimdienst feststellt: „Peking ist losgezogen, die Herzen und Köpfe der Menschen zu gewinnen, um dadurch seine Macht zu zementieren.“ Im Jahr 2010 reiste Li Changchun, damals Propagandachef und fünfter Mann in der Hierarchie, höchstpersönlich in Wien an, um das hiesige KI als „Institut des Jahres“ auszuzeichnen. Wen wundert's, dass der Präsident des KI-gesponserten P.E.N. nur relativierende Worte zu China findet? Die Kritik von Susanne Scholl (Exkorrespondentin des ORF in Moskau) und mir wurde ignoriert, vom Präsidenten wurden wir als „nicht integrierbar“ diffamiert. Der Mann hat dank schöner Reisen viel vom Regime gelernt.

Professor Christopher Hughes von der London School of Economics (LSE) hat das dortige KI als „Propaganda-Organisation“ bezeichnet, die das Ansehen der LSE schädige. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ist besorgt über die wachsende Anzahl dieser Institute und deren Manipulation der öffentlichen Meinung. Die Vorstandsmehrheit des P.E.N. ficht das nicht an. Ein Vorständler stimmte freudig dem Vorwurf zu, die demokratiepolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte verschlafen zu haben. Das erklärt einiges!

Präsidiale Allmacht hat Tradition

Um den Ausgleich zu bezahlen, wird für einen unnötigen Kredit wertvolles Kulturgut (das Archiv) an eine anonyme (!) Investorengruppe verpfändet, anstatt es – Angebot lag vor – an die Nationalbibliothek zu verkaufen und der Wissenschaft zugänglich zu machen. Das alles ohne mein Wissen, ich war gegen diese Vorgangsweise – sie ist finanziell fragwürdig und kulturpolitisch ein Skandal. Statt Statuten herrscht präsidiale Willkür. Ich musste statutengerechtes Vorgehen per Rechtsanwalt einfordern. Vergeblich.

Nach dem Konkurs sagte einst ein Anwalt des alten Vorstands: „In gemeinnützigen, ideellen Vereinen ist der Vorstand meistens nicht begabt in Rechnungswesen und Buchhaltung und daher auf Fachleute angewiesen.“ Wie wahr! Doch der Finanzfachmann wurde ignoriert, weil ein überforderter Präsident sich durch Regeln in seinem Machtanspruch eingeengt sieht. Präsidiale Allmacht ist im P.E.N. schlechte Tradition, hat schon einmal zur Insolvenz geführt.

Gefährdete Glaubwürdigkeit

Die willkürliche Kündigung einer Mitarbeiterin zog eine Klage wegen Geschlechtsdiskriminierung, Mobbing und Sittenwidrigkeit nach sich. Der Präsident hat zudem heimlich E-Mails der Mitarbeiterin kontrolliert und eine private E-Mail an einen Dritten weitergeleitet – der P.E.N. tritt gegen Überwachung auf. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft kam zum Schluss, dass „eine (sexuelle) Belästigung jedenfalls zu vermuten ist“.

Die resultierenden Prozessrisken übersteigen die Finanzkraft des Vereins. Was immer die rechtliche Wertung sein mag (es gilt die Unschuldsvermutung), ein P.E.N.-Präsident, dessen Verhalten Anlass selbst für bloße Vermutungen gibt, ist untragbar. Eine kleine Gruppe hat den Club erneut in eine inakzeptable Situation manövriert: ohne gültige Beschlüsse. Willkür à la China. Die Charta des P.E.N. stellt an Funktionäre höchste moralische Anforderungen. Seine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel.

Ein Lernprozess des Präsidenten ist nicht erkennbar. Bei der Generalversammlung am Dienstag nächster Woche sind die Mitglieder gefragt. Sie müssen entscheiden, wohin es gehen soll: in fragwürdige Gegenden oder zurück zur Charta, zu finanziellem Sachverstand und Solidität. Die Subventionsgeber aber werden klarstellen müssen, unter welchen Umständen eine Förderung aus öffentlichen Mitteln vertretbar ist.

Zum Autor


E-Mails an: debatte@diepresse.comMichael Amon lebt als Schriftsteller und Publizist in Wien und Gmunden. Zuletzt erschien der Kriminalroman „Wehe den Besiegten“ als zweiter Band seiner „Wiener Tetralogie der Vergeblichkeiten“ im Echomedia Verlag/Wien. Amon ist Mitgesellschafter einer kleinen Steuerberatungsgesellschaft. Und er ist Schatzmeister des P.E.N.-Club Österreich.
[Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2013)

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