Ein früherer aufmüpfiger Juso baut nun auf Sicherheit

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Zwischen Müll, leistbarem Wohnen und dem heimlichen Kampf mit Strache: Parlamentsveteran und SPÖ-Klubchef Cap macht sich vor allem Sorgen, ob rote Sympathisanten am Sonntag tatsächlich zur Wahl gehen.

Wien. SPÖ-Wahlkampfbroschüren hat er diesmal keine mit, auch keine Autogrammkarten. An dem Nachmittag und an diesem Ort geht es hauptsächlich darum, anwesend zu sein. Wien Hernals ist die politische Heimat von SPÖ-Klubobmann Josef Cap, das „Mistfest“ am Samstag in der Müllsammelstelle in der Richthausenstraße in „seinem“ 17.Bezirk ist Pflicht. Die ÖVP-Konkurrenz ist mit einem Stand schräg gegenüber der Einfahrt schließlich auch da.

Cap ist nicht und er gibt sich auch in Wahlkampfzeiten nicht betont volksverbunden wie andere Politiker. Er schüttelt nicht demonstrativ Hände. Umgekehrt drängen sich die zahlreichen Besucher nicht um den hageren Mann in der dunklen Jacke ohne Begleittross, der immerhin Klubchef der Kanzlerpartei im Hohen Haus ist.

„Warum setzt di net dazu?“

Es ist angesichts der vielen Darbietungen und Stände links und rechts – von Recyclingdosen über die Volkshochschule bis hin zur Rock-'n'-Roll-Bühne – auch nicht wirklich das Ambiente für große Politik. Das Schimpfen auf Politiker oder wüste Attacken Unzufriedener auf die SPÖ bleiben Cap ebenfalls erspart. Nur einmal ist ein Mann in Lederjacke leicht ungehalten: „Warum setzt di net dazu?“

Da ein „Freundschaft“, dort eine Frau mit Gehstock, deren Mann einst Bezirksparteisekretär der SPÖ in Oberösterreich war, hier ein stämmiger Mann in knallroter SPÖ-Wien-Regenjacke, der freudig grüßt. Rote Sympathisanten registrieren schon, dass eine Woche vor der Nationalratswahl jemand vom roten Parteiestablishment gekommen ist.

„Drei Kinder, leistbares Wohnen?“ Der Stoßseufzer einer jungen Frau bietet dem SPÖ-Klubchef die Gelegenheit, sich ein bisschen über die ÖVP auszulassen: „Da brauchen wir einen Koalitionspartner, der mit uns mitmacht und uns nicht hindert.“

Cap selbst plagen Sorgen, ob alle potenziellen SPÖ-Wähler am Sonntag tatsächlich ihre Stimme abgeben. Das rote Wien ist für die SPÖ angesichts schwächelnder Bundesländer bei dieser Wahl besonders wichtig. „Hingehen“, ist deswegen das häufigste Wort, das ihm in den kurzen Gesprächen über die Lippen kommt.

„Parlament als Lebensaufgabe“

Mit acht Legislaturperioden seit 1983 ist der SPÖ-Politiker neben dem ÖVP-Bauernbündler Jakob Auer der längstdienende Abgeordnete im Nationalrat. Dabei flog Cap 1982 sogar aus dem SPÖ-Parteivorstand. Als aufmüpfiger Juso-Chef hatte er beim SPÖ-Parteitag drei Fragen an den damaligen roten burgenländischen Landeskaiser Theodor Kery gerichtet. Darunter jene, ob es stimme, dass dieser mehr als der Bundeskanzler verdiene. Erst eine Kampagne und 62.000 Vorzugsstimmen brachten Cap, den Intellektuellen und Unbotmäßigen, ins Parlament.

„Ich wollte immer im Parlament sein, weil ich das als Lebensaufgabe betrachtet habe“, sagt Cap heute, „wenn man so ungewöhnlich hineingewählt wird, versteht man das als Auftrag.“ Aber es seien doch etliche dann von ihm enttäuscht gewesen? „Ja, leider“, aber es gebe weiter viele Unterstützer. Cap macht kein Hehl daraus, dass er Klubchef bleiben wolle, „wenn ich die Unterstützung habe“.

Jetzt, 30 Jahre nach dem Aufbegehren gegen die rote Parteiführung, setzt der mittlerweile 61-jährige Cap mehr auf Sicherheit: „Die Leute haben eine Sehnsucht nach Sicherheit, das greife ich auf.“ Es gebe einfach Angst um den Job, um die Pension, um billiges Wohnen. Damit ist er direkt bei den Kernthemen im SPÖ-Wahlkampf.

Ein ganz anderes bewusstes Signal ist anschließend der nächste kurze Abstecher, bei dem Cap als SPÖ-Vertreter begrüßt wird. Auf dem Dornerplatz in Hernals hat die SPÖ ein kleines Fest vor allem für Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien organisiert, von denen viele in dem Grätzl wohnen. Großteils sind es Serben, die seit Jahren in Wien leben. Diese will die SPÖ nicht kampflos der FPÖ und Heinz-Christian Strache, der Serben auch umwirbt, überlassen. Nur den angebotenen Schnaps lehnt Cap dann doch dankend ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)

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