Kunst-Branding: Botschafter der Marke

Die künstlerische Gestaltung einer Firmenfassade kann Image und Bekanntheitsgrad des Unternehmens steigern – aber nur, wenn nicht zu dick aufgetragen wird.

Wer auf der Landesstraße LB 320 durch das steirische Liezen im Ennstal fährt, dessen Blick wird am Ortsrand unwillkürlich von einem auffälligen Firmengebäude angezogen. Ein kräftiges Blau dominiert die gesamte Fassade, an den Längsseiten in Form einzelner, großflächiger Farbflecken, an den Breitseiten als überdimensionales Gemälde, das sich bei genauerem Hinsehen als halb schematische Darstellung der Skyline einer Großstadt entpuppt. Die ungewöhnliche Fassade der MGI Steuerberatung Ennstal ist ein Vorzeigeprojekt von Burn-In, einer Plattform, in der sich die Linzer Werbeagentur Dolzer & Partner, der Farbenhersteller Synthesa und Fassadenbild.com zusammengeschlossen haben. Das selbst gesteckte Ziel der Kooperation: Kunst in der Gestaltung der Außenflächen von Gewerbebauten als Markenbotschafter zu etablieren.

Emotionale Botschaft

Kunst-Branding nennt sich das im Fachjargon, eine Symbiose zwischen Kunst und Architektur, die eine Marke im Unterbewusstsein des Konsumenten verankern und für einen gesteigerten Bekanntheitsgrad, höhere Medienpräsenz und eine Imageverbesserung sorgen soll. Es gehe heute nämlich nicht mehr allein um Dienstleistungskompetenz, meint Sonja Dolzer von Dolzer & Partner, „sondern zusätzlich um die intuitiv empfundene Emotion, die Assoziation und das Vertrauen, das man einem Unternehmen entgegenbringt.“ Das bringe die Fassade als Markenbotschafter ins Spiel, denn „Kunst und Architektur sprechen diese Emotionen implizit und unterschwellig an und beeinflussen damit die Kaufentscheidung“, so Dolzer, die sich dieses Themas auch im Rahmen ihrer Diplomarbeit angenommen hat.

Im Fall von MGI übernimmt diese Aufgabe ein von der niederösterreichischen Künstlerin Susanne Chmel gestaltetes Auftragswerk mit dem Titel „upwards“, das auf eine Fassadenfläche von insgesamt 1100 Quadratmetern appliziert wurde. Die Wolkenkratzer sollen per definitionem das Firmenmotto des „Aufwärtsstrebens“ symbolisieren, und gleichzeitig einen reizvollen, auf die Globalisierung bezogenen „Kontrast zur kleinstädtischen Wirklichkeit des Ennstals“ bilden. Das vibrierende Blau der Skyline wiederum steht für Klarheit und Übersichtlichkeit, Begriffe, die auf Firmenwerte wie geradlinige, seriöse und fundierte Beratung mit Fachkompetenz verweisen.

Ganz unproblematisch ist Corporate Branding mit Fassadenkunst allerdings nicht. MGI etwa brachte die auffällige Gebäudegestaltung nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik ein: „unpassend“, „zu bunt“, „zu dick aufgetragen“ wurde von manchen moniert. Markenexpertin Dolzer sieht darin keinen Widerspruch: Die Leute sollen hinschauen, emotional berührt werden, darüber sprechen. „Kontroversen verschaffen einem Projekt umso größere Aufmerksamkeit“, meint sie. Kritisch äußert sich hingegen Bruno Sandbichler vom Architekturbüro gharakhanzadeh sandbichler in Wien. „Großflächige, rein grafische Darstellungen können sehr schnell zur Übersättigung führen, vor allem dann, wenn sich benachbarte Unternehmen mit Aufmerksamkeitssignalen gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Daneben ist auch der Abnützungseffekt nicht zu unterschätzen.“

Stolz auf die eigene Firma

Bei der Etablierung eines Gebäudes als Markenbotschafter, betont der Architekt, müsse darauf geachtet werden, „eine möglichst tiefgründige architektonische Sprache zu finden, die lange wirkt“. Er selbst hat das beim Ausbau der Logistikzentrale von Alpenmilch in Salzburg versucht, indem er in die lang gestreckte, straßenseitige Fassade des Gebäudes einen Screen aus lasergeschnittenen Alu-Paneelen integriert hat, die er von seinem Bruder Peter Sandbichler, einem bildenden Künstler, gestalten ließ. Für dezente, farbige Akzente sorgen mehrere freiliegende, rechteckige Fensterfronten, die die intendierte Markenbotschaft im Sinn von „Transzendenz“ verstärken.

„Ein richtig in Szene gesetztes Firmengebäude kann als Markenbotschafter eine sehr starke Wirkung entfalten“, betont Sandbichler, „nicht nur als Unterscheidungsmerkmal nach außen, sondern auch mit seiner Strahlkraft nach innen. Der Motivation der Belegschaft ist es nämlich keineswegs abträglich, wenn sie auf das eigene Firmengebäude stolz sein kann.“

Web: www.burn-in.at, fassadenbild.com, www.gs-arch.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)

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