Zwei Jahre verhandeln für 23 Seiten Korrektur in zwölf Gesetzen

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2014 gibt es für Invaliditätspensionen neue Regeln. Davor gab es mehr als zwei Jahre Besprechungen, Protokollanmerkungen und ein Ministermachtwort.

Wien. Es umfasst 23 Seiten und zwölf so unterschiedliche Gesetzesmaterien wie das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Nachtschwerarbeitsgesetz. Das Konvolut ist heuer am 10. Jänner als Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 kundgemacht worden. Auf den Durchschnittsbürger mag das Bündel abschreckend wirken, brisant und weitreichend ist es auf jeden Fall. Denn für tausende Menschen, die ab 1. Jänner 2014 in Invaliditätspension gehen wollen, regelt das Gesetz neu, was sie machen müssen, bevor sie krankheitsbedingt die Pension antreten können. Auf unter 50-Jährige kommen stattdessen medizinische und berufliche Rehabilitation zu.

Im Parlament kürzerer Beratungsteil

Bevor das Gesetz nun in gut zwei Monaten relevant wird, hat es schon weit mehr als zwei Jahre an Vorarbeiten hinter sich. Weil es sich bei den Pensionen um eine stets politisch besonders heikle Materie handelt, dauerte es auch länger, bis das Gesetz schließlich mit den Stimmen der SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten am 5. Dezember 2012 im Nationalrat beschlossen wurde. Und davon waren die Beratungen in der gesetzgebenden Körperschaft mit Sicherheit der kürzeste Teil.

Am Anfang stand ein Problem: Rund ein Drittel der Pensionierungen in Österreich erfolgt krankheitsbedingt besonders früh. Die Regierung wagte sich im Zuge des 27-Milliarden-Stabilitätspakts im Winter 2012 an die heiße Kartoffel. Vorerst geschah das nur mit Protokollanmerkungen beim Beschluss des Stabilitätspakts im Ministerrat am 6. März 2012. Demnach sollte die „Systemstellung bei Invaliditätspensionen unter 50“ bis zum Sommer nachgeliefert werden.

In den umfangreichen Anmerkungen zum Regierungsbeschluss wurden Vorgaben schon detailliert festgeschrieben. Die jeweiligen Fachreferenten (insgesamt sind es zehn) im Kabinett von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), die zuständigen Beamten und der Minister selbst hatten dies zuvor abgeklärt. Kurz danach konnten die Legisten, eine Handvoll Beamte in der Pensions- und Arbeitsmarktsektion des Ministeriums, eine Rohfassung des Gesetzesentwurfes ausarbeiten. Gleichzeitig lief über Wochen und Monate ein „unglaublich langwieriger“ Prozess der politischen Klärung. Drehscheibe dafür sind stets die Kabinettsmitarbeiter, in diesem Fall federführend Joachim Preiss, der Kabinettschef des Sozialministers und des sogenannten „Spiegelministeriums“ beim Koalitionspartner ÖVP. Diese sitzen in dem nur wenige Gänge weiter am Wiener Stubenring angesiedelten Kabinett von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

„Die haben fast schon bei uns gewohnt“

So wanderten Vorschläge und Varianten für bestimmte Teile des Sozialrechtsänderungsgesetzes ungezählte Male hin und her. Dazu kamen zahlreiche Beratungen. „Die haben fast schon bei uns gewohnt“, formuliert Preiss. Weiters wurden im roten wie im schwarzen Ministerium die erfahrenen Experten der Sozialpartner von Wirtschafts- und Arbeiterkammer sowie Gewerkschaftsbund eingebunden. Ganz wichtig war auch: Weil de facto ohne Sanktus des Finanzministeriums – und speziell im kostspieligen Pensionsbereich – gar nichts geht, wurden schon vor der Begutachtung Kalkulationen mit den Experten des Finanzressorts nicht nur einmal abgecheckt.

Ohne ein Machtwort Hundstorfers im Juli wäre es wegen Differenzen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vermutlich trotzdem nicht dazu gekommen, dass der offizielle Entwurf des Ministeriums zum Sozialrechtsänderungsgesetz gemäß Vorgabe der Regierung vor dem Sommer in die mindestens sechswöchige Begutachtung geschickt worden wäre. Am 24. Juli 2012 war es dann so weit: Der Gesetzestext wurde zur Einholung der Stellungnahmen neben dem Rechnungshof und dem Finanzministerium nun auch ganz hochoffiziell an die Sozialpartnerorganisationen und die Länder zur Begutachtung ausgeschickt.

Beamte sichten die Stellungnahmen

Das Sichten der einlangenden Stellungnahmen wird von der jeweils zuständigen Sektion übernommen, das ist eine der klassischen Aufgaben der Beamtenschaft im Sozialministerium. Technische Ergänzungen oder offenkundige Fehler werden von dieser gleich behoben, politisch brisante Punkte landen wieder bei den Kabinettsmitarbeitern der Minister, beim Kabinettschef, harte Konfliktpunkte bei den Ministern selbst.

Beim Sozialrechtsänderungsgesetz war nach den monatelangen intensiven Vorberatungen die Endabfertigung für den Ministerratsbeschluss im Herbst bereits die einfachere Aufgabe. Das bekannt gute Verhältnis der Ressortschefs Hundstorfer und Mitterlehner war bei der gesamten Vorbereitung jedenfalls von Vorteil. „Das lebt von der guten Chemie nicht nur auf Ebene der Minister, sondern auch auf Ebene der Kabinettsmitarbeiter“, sagt Preiss. Schließlich waren zu dieser Zeit parallel längst die Vorarbeiten für das Sozialrechtsgesetz 2013, etwa für die Bildungsteilzeit, voll im Gang.

ZUR PERSON

Rudolf Hundstorfer (62) ist seit Dezember 2008 Sozialminister. In seinem Ressort wurde federführend in der zu Ende gehenden Legislaturperiode auch das Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 fertiggestellt. Dieses bringt als Kernpunkt ab Beginn 2014 auch eine Neuregelung, um die Zahl der Invaliditätspensionen einzudämmen. In die Ausarbeitung war nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern auch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen eingebunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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