Der Pensionist als Demonstrant und warum er Monika Lindners Dissertation zitierte

Was einen Pensionisten antrieb, vor dem Parlament am Tag der Angelobung Monika Lindners zur "wilden" Abgeordneten zu protestieren. Und warum diese ihren ursprünglichen Vornamen Astrid nicht mehr wollte.

Ein einsamer älterer Bürger (Name bekannt, Anm.) demonstrierte vergangene Woche vor dem Parlament, während drinnen die erste Sitzung des neuen Nationalrats stattfand. „Die Polizei hat gesagt, ich darf. Nur die Stufen darf ich nicht betreten". Er hält eine selbst gezimmerte Holztafel hoch: „Moneyka go" steht auf dem angeklebten Zettel. Und darunter ein Zitat: „Wer keine Flügel hat, soll nicht fliegen". Nein, es stammt nicht von Neos-Chef Matthias Strolz, der zu diesem Zeitpunkt vielleicht gerade bei seiner ersten Rede die Arme zur Flugbewegung hoch hebt, weil er dem Parlament Flügel verleihen möchte.
Das Zitat stammt aus Monika Lindners Dissertation, mit der sie 1969 promovierte.

In dem Moment, in dem der Pensionist als Demonstrant den Titel der Arbeit zitiert, wird es angesichts der Vorgänge drinnen im Plenum doch sehr österreichisch komisch: „Die Pantomime im Alt-Wiener Volkstheater". Die Dissertation verfasst von Astrid Monika Heiss. Lindners aktuelle Pantomime (schweigend in der letzten Reihe ohne Sitznachbarn) im neuen Wiener Volkstheater, als das so manche Bürger gerne das Parlament sehen würden. „Nichts als Theater" ist einer der gefährlichsten Sätze aus dem Volksmund, wenn es um die wichtigste Institution einer gefestigten Demokratie geht.
Warum er sich das antue, hier so allein gegen die „wilde" Abgeordnete, vormals ORF-Chefin, zu demonstrieren? „Weil mich das aufregt und weil die Polizei gesagt hat, ich darf". Was ihn aufregt dürfte die Doppelpension (ASVG plus ORF-Betriebspension) und der Abgeordnetenbezug sein.
Er macht seinen Ärger gerade zu jener Zeit Luft, als sich andere darüber aufregen, dass normale Bürger keinen Zutritt auf die Besuchergalerie des Parlaments hatten: Diese sei reserviert für „Klubmitglieder und ihre Familien", sei ihnen am Eingang bedeutet worden. Alle anderen Interessenten würden nicht eingelassen werden. So viel zum Volk, meint einer der Abgewiesenen und ist sich mit dem Lindner-Verärgerten einig.
Der Pensionist als einsamer Demonstrant war wohl Lindners geringstes Problem in der abgelaufenen Woche, die nun irgendwie in einer Strafanzeige der FPÖ wegen Auftragsvergaben in ihrer Zeit als ORF-Chefin mündete.
Denn es gab
a) die Vorwürfe rund um ihre Tätigkeit für das St. Anna Kinderspital
b) die ORF-interne Untersuchung der Vergabepraxis im ORF
c) eine Petition auf Facebook, dass Lindner ihr Mandat zurückgeben soll.
d) die Veröffentlichung eines Buch-Beitrages, in dem Lindner ihre früheren Förderer
Erwin Pröll (er bestimmte die „Flugrichtung des Heiligen Geistes in Niederösterreich und habe im ORF-Landesstudio lautstark gegen einen Bericht über Karl Schlögl (SPÖ) intervieniert), Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer gar nicht gut aussehen lässt.
e) ausgerechnet in der November-Ausgabe des Magazins „Statement" erscheint ein Lindner-Porträt von Nina Bayer, in dem die Neo-"Wilde" des Nationalrats erklärt, warum sie den Vornamen Astrid fallen gelassen habe: In Tirol hätten alle „Oarschtritt" zu ihr gesagt, daher sei dieser Name „keine Option".
Nimmt man alles zusammen, dann war Lindner in der abgelaufenen Woche die Hauptdarstellerin in - je nach Sichtweise - auf einer Tiroler Bauernbühne oder im Wiener Vorstadttheater (statt Volkstheater). Der letzte Akt fehlt noch.

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