In den Salons an der Ringstraße

Berta Szeps-Zuckerkandl (1864–1945), Alma Mahler-Werfels Freundin.
Berta Szeps-Zuckerkandl (1864–1945), Alma Mahler-Werfels Freundin.„Die Presse“/Archiv
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In Wien blühte um die Jahrhundertwende die noble Einrichtung des Salons. Was der Hochadel einst eingeführt hatte, ahmte nun die „zweite Gesellschaft“ eifrig nach.

Wien. Ein Salon. Gastlicher Treffpunkt eines Freundeskreises, der regelmäßig das Gespräch sucht, um neues Wissen aufzunehmen, weiterzuentwickeln, weiterzugeben.

Ja, das gibt es heute noch allerorten in Wien, nur sind die Salons kaum nach außen bekannt, weil man eher auf Diskretion Wert legt. Die hohe Zeit der berühmten Salondamen mag mit dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie dahin gegangen sein, ganz ausgestorben ist diese gesellige Art von Konversation aber keineswegs.

Die Tradition kommt von der Pariser Aristokratie des 17. Jahrhunderts. Man fühlte sich als Elite, als Kulturträger der feinen Lebensart, der Sitten und der Sprache. Kontakte mit Künstlern und Wissenschaftlern waren Glanzpunkte derartiger Treffen.

In Wien setzt das Salonleben erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein. Der erste Kreis bildet sich um das Ehepaar Charlotte und Franz Greiner. Im Salon Fanny von Arnsteins treffen Adelige, Geschäftsleute, Gelehrte, Künstler und Damen der Gesellschaft aufeinander. Karoline Pichler wieder umgab sich mit höhergestellten Beamten und deren Familien, mit Kavalieren, Gelehrten und Künstlern. Seine erste Hochblüte erlebte der Salon beim Wiener Kongress 1814/15, gewürzt mit Flirts und Tanz, wie geschildert wird.

Bald schon übernahm der reich gewordene Mittelstand vom Adel diesen Brauch. „Ohne das Salonleben wären die prachtvollen Ringstraßenbauten nicht entstanden“, urteilt die Historikerin Helga Peham. Umgekehrt wird auch ein Reim daraus.

Diese „zweite Gesellschaft“ im Wien um die Jahrhundertwende eiferte dem Hochadel in allem nach, wobei die alten Familien langsam in den Hintergrund gedrängt wurden. Was brauchte man, um eine „Salonière“ zu werden? Neben den entsprechenden Räumlichkeiten samt Dienstpersonal Organisationstalent, Kontaktfreudigkeit, Interesse an Menschen und vor allem die Fähigkeit, einen intellektuellen Diskurs zu führen. Dem Ehemann war eher eine untergeordnete Rolle im Salon zugeteilt.

Das Buch führt uns ein in die Welt der Henriette Pereira, es bringt uns in die Häuser der Eskeles, der Weckbecker, der Rothschilds und Metternichs.

Noch heute kann man im Wertheimstein-Palais in Döbling die Aura dieser Salonkultur nachempfinden. Ja, es waren die Damen des Hauses, die diese Freundeskreise zu bilden halfen und zusammenhielten.

Berta Zuckerkandl war so eine Persönlichkeit. Ihre Ära reicht bis in die turbulente Zwischenkriegszeit und endet im Zweiten Weltkrieg. Durch die Tätigkeit ihres Vaters, Moriz Szeps, wuchs sie im Spannungsfeld zwischen Politik, Journalistik und Diplomatie auf: Szeps war nicht nur Chef des „Neuen Wiener Tagblattes“, des Konkurrenzblattes zur „Neuen Freien Presse“, er galt auch als engster und einflussreichster Berater des liberalen Kronprinzen Rudolf.

Die Heirat mit Emil Zuckerkandl, dem berühmten Anatomen der Wiener Schule, öffnete ihr die Welt der Wissenschaft. Ihre wahre Liebe galt aber der zeitgenössischen Kunst. Was der Kaiser und die zahlreichen Erzherzöge in ihrer Rückwärtsgewandtheit verabsäumten, holte Frau Zuckerkandl nach: Bei ihr trafen sich Künstler und Literaten, Wissenschaftler und Architekten. Hier wurden kühne Visionen geboren: Rodin, Klimt, Hoffmann – alles, was Rang und Namen hatte, machte sich eine Ehre daraus, hier zu Gast sein zu dürfen. Eigentlich hätte der Hof diese Bühne bieten sollen, aber weder Franz Joseph noch der Thronfolger, Franz Ferdinand, waren der Kunst ihrer Zeit zugetan.

Gustav Mahler kam nicht sehr oft, dennoch lernte er hier die stadtbekannte Schönheit Alma Schindler kennen und heiratete sie wenige Monate später. Den Zuckerkandl-Salon gibt es heute noch – in adaptierter Form: Die Familie Querfeld erwarb die Wohnung, die genau über ihrem Café Landtmann gelegen ist, für Veranstaltungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2013)

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