Öffentliches Wirtschaftsrecht: Zu lange Verfahren in der "Königsdisziplin"

Das Umweltrecht, und hierbei vor allem die Umweltverträglichkeitsprüfungen, ist einer der Hauptpfeiler in diesem Rechtsbereich. Die damit beschäftigten Anwälte müssen meist mehr sein als bloß Anwälte.

Wien. Ja, es gibt auch in anderen Rechtsbereichen lange Verfahren. Und ja, es gibt auch dort oft komplexe Verfahren mit verschiedensten Parteien und deren Partikularinteressen. Ein jahrelanges Verfahren, in dem mitunter über 1000 Einwände von mehreren hundert Parteien eingebracht werden, gibt es aber so gut wie nur im Umweltrecht bei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP).

Umweltrecht ist zwar nur eine der vielen Rechtsmaterien, die unter dem Begriff öffentliches Wirtschaftsrecht zusammengefasst werden. Daneben gibt es mit dem Vergabe- oder dem Energierecht auch nicht minder spannende Bereiche. Doch wohl kaum eine Rechtsmaterie steht so im Blickpunkt des öffentlichen Interesses wie das Umweltrecht. Kein Wunder, handelt es sich dabei nicht selten um große Bauprojekte, die fast immer regional, oft aber auch national für Aufregung sorgen.

Who's who der Infrastruktur

So gibt ein Blick auf die wichtigsten UVP-Prüfungen der vergangenen Jahre eine wahre Zusammenfassung über jene Infrastrukturprojekte, die in den Zeitungen redaktionelle Artikel und Leserbriefseiten füllten: in Wien und Niederösterreich etwa die dritte Piste des Wiener Flughafens, die von Schönherr Rechtsanwälte betreut wurde. Der Semmering-Basistunnel (Fellner Wratzfeld & Partner) oder das Wasserkraftwerk Schwarze Sulm (Eisenberger & Herzog), die vor allem in der Steiermark für öffentliche Aufregung sorgten. Oder – eher im Westen des Landes – der Linzer Westring, um den sich Haslinger/ Nagele & Partner kümmerten, sowie die Tauerngasleitung für die sich Niederhuber & Partner verantwortlich zeichnet.

„Die UVP ist im Umweltrecht sicherlich die Königsdisziplin“, meint dazu auch Wilhelm Bergthaler von Haslinger/Nagele & Partner. Denn ein Anwalt sei darin in der Regel mehr als einfach nur Anwalt – er sei quasi ein Projektleiter. „Nur, wenn er sich mit Ökologen und Technikern kurz schließt, kann er am Schluss zum gewünschten Ergebnis kommen. Dabei müssen die Anwälte auch über den Tellerrand schauen und die Juristensprache ablegen, sodass sie auch der Vogelkundler versteht“, so Bergthaler.

Richtige Kommunikation sei aber nicht nur mit Mitstreitern aus anderen Disziplinen wichtig, sagt Martin Niederhuber von Niederhuber & Partner. Entscheidend sei auch die Kommunikation mit Projektgegnern sowie der Öffentlichkeit – sprich Medien. „Wenn man die Öffentlichkeit verliert, hilft auch alle Juristenkunst nicht mehr weiter. Denn wenn die öffentliche Meinung kippt, kippt irgendwann auch die Politik.“

Erschwert werde diese Aufgabe, indem die UVP-Verfahren immer größer und komplexer werden. „Die UVP wurde zu einer Luxusvariante aufgebläht, der Mut zur Lücke fehlt“, so Bergthaler. „Für kleinere Projekte in der Landwirtschaft oder im Tourismus ist das bereits ein wirkliches Problem. Das überfordert die Leute.“ Dem stimmt auch Niederhuber zu: „Man verheddert sich in der UVP relativ leicht.“

Schädigt Wirtschaftsstandort

Für darauf spezialisierte Anwälte keine schlechten geschäftlichen Voraussetzungen, möchte man meinen. Nicht unbedingt, entgegnet Niederhuber: „Wäre es nur halb so kompliziert, verdienten wir genauso gut. Auf Dauer schädigen die zu großen, zu langen Verfahren den Wirtschaftsstandort.“

Dennoch sind sich beide einig, dass die UVP auf jeden Fall eine Verbesserung zum einstigen Zustand der vielen voneinander unabhängigen Prüfungen ist.

„Früher waren die Projektgegener eine nebulöse Bürgerstimme. Jetzt gibt es ein konkretes Gesicht und somit auch einen Verhandlungspartner“, so Bergthaler.

ÖFFENTLICHES RECHT – DIE TOP 10

1 . Haslinger/ Nagele & Partner

2. Niederhuber & Partner

3. Neger Ulm Rechtsanwälte

4. Binder Grösswang

5. Wolf Theiss

6. CMS Reich-Rohrwig Hainz

7. Fellner Wratzfeld & Partner

8. Schönherr Rechtsanwälte

9. Bartlmä Madl Köck

10. Siemer – Siegl – Füreder & Partner

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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