Das Wissenschaftsministerium wird aufgelassen, ein neues Ministerium geschaffen. Umweltminister Berlakovich und Justizministerin Karl verlieren ihre Posten.
Nach hektischen Personaldebatten hat der VP-Vorstand am späten Donnerstagabend die Ministerliste und den Koalitionspakt mit der SPÖ einstimmig abgesegnet. Das gaben Seniorenbundpräsident Andreas Khol und Oberösterreichs Landeschef Josef Pühringer im Anschluss an die Sitzung bekannt.
Die Veränderungen in der schwarzen Regierungsmannschaft sind tiefgreifend: Das Wissenschaftsministerium wird aufgelassen, ein neues Familien- und Jugendministerium ins Leben gerufen. Das drang am späten Donnerstagabend aus der Volkspartei an die Öffentlichkeit. Der bisherige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle verliert seinen Posten. Seine Agenden wandern an das Wirtschaftsministerium und damit an Reinhold Mitterlehner ab. Und das, obwohl Töcherle "in Umfragen immer einer der beliebtesten ÖVP-Minister war", wie er gegenüber dem "ORF" sagte. "Ich verstehe das nicht", fügte er hinzu.
Einen Platz in der schwarzen Regierungsmannschaft erhält hingegen Meinungsforscherin Sophie Karmasin , die künftig einem neu geschaffenen Familien- und Jugendministerium vorstehen soll. Noch im Nationalratswahlkampf hatte die 46-Jährige die Performance der Parteien analysiert, in den Jahren 2012 und 2013 präsentierte sie gemeinsam mit VP-Justizministerin Beatrix Karl die "Vertrauensstudie Justiz".
Tiroler wird Landwirtschaftsminister Und eine dritte Neuerung wurde bekannt: Beatrix Karl wird das schwarze Regierungsteam verlassen und durch den Strafverteidiger Wolfgang Brandstetter , Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der Wiener Wirtschaftsuniversität, ersetzt. Er hat zuletzt den früheren Telekom-Vorstand Rudolf Fischer sowie den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev vertreten.
Ein neues Gesicht bekommt auch das Landwirtschaftsministerium. Wie die "Presse" erfahren hat, wird Nikolaus Berlakovich durch den Tiroler Andrä Rupprechter abgelöst. Der 53-Jährige hat bereits Polit-Erfahrung in den Kabinetten von Franz Fischler und Wilhelm Molterer gesammelt. Zuvor war der Kärnter und frühere Rewe-Vorstand Werner Wutscher als Favorit für das Amt gehandelt worden.
In der neuen Regierung finden sich viele altbekannte, aber auch ein paar neue Gesichter. Der Großteil der Mannschaft steht bereits fest. Die SPÖ wird neben dem Kanzler sechs Minister und eine Staatssekretärin stellen, die ÖVP sieben Minister und einen Staatssekretär. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) muss gehen, sein Nachfolger wird der Tiroler EU-Beamte Andrä Rupprechter. Seinen künftigen Arbeitsplatz kennt der 52-Jährige gut. Denn seine Karriere hatte einst im Agrarministerium unter Franz Fischler begonnen. Rupprechter arbeitete sich bis zum Sektionschef hoch, ehe er als Direktor für Ländliche Entwicklung nach Brüssel wechselte. Derzeit ist er Direktor für Kommunikation und Transparenz im EU-Rat. Meinungsforscherin Sophie Karmasin steht künftig für die ÖVP einem neu ins Leben gerufenen Familien- und Jugendministerium vor. Die 46-Jährige ist seit 2006 Geschäftsführerin der Karmasin-Motivforschung. Sie absolvierte Psychologie und Betriebswirtschaft, war danach für diverse Werbeagenturen tätig. Es folgte ein Auslandsaufenthalt als Produktmanagerin bei Henkel in Belgien und Holland, ehe die Währingerin 1985 in den elterlichen Betrieb einstieg. (c) Bruckberger Nachfolger von Beatrix Karl wird Wolfgang Brandstetter (Archivbild aus dem Jahr 2006), Strafverteidiger und Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Der 56-Jährige ist nicht ÖVP-Mitglied, wird ideologisch aber eher der schwarzen Reichshälfte zugeordnet. Brandstetter und Spindelegger sind seit ihrer Zeit als Uni-Assistenten befreundet. (c) Michaela Bruckberger Im SPÖ-Team gibt es nur ein neues Mitglied: Die 32-jährige Juristin Sonja Steßl. Sie sitzt seit 2009 für die SPÖ im Nationalrat und wird nun im Finanzsstaatssekretariat Platz nehmen. APA/HELMUT FOHRINGER Ebenfalls ins Finanzstaatssekretariat wechselt Jochen Danninger (ÖVP). Bisher war der 38-jährige Oberösterreicher Kabinettchef von VP-Parteichef Michael Spindelegger. APA/Dragan TATIC Angeführt wird die neue Regierung wie die bisherige von SP-Bundeskanzler Werner Faymann. APA/GEORG HOCHMUTH Den Posten des Vizekanzlers behält VP-Chef Michael Spindelegger. Der bisherige Außenminister wechselt aber das Ressort: Er übernimmt das Finanzministerium. APA/WOLFLINGSEDER/SATRAPA Josef Ostermayer steigt vom SP-Staatssekretär zum Kanzleramtsminister auf. Den Bereich Medien behält er. Die Kultur (derzeit im Unterrichtsministerium) und den öffentlichen Dienst (bisher bei Heinisch-Hosek) bekommt er dazu. Der bisherige Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) steigt zum Außen- und Integrationsminister auf - und wird damit mit 27 Jahren Österreichs bisher jüngster Minister. APA/HELMUT FOHRINGER Die bisherige Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) löst Claudia Schmied als Unterrichtsministerin ab und nimmt die Frauenagenden mit. APA/HERBERT NEUBAUER Kein neues Gesicht bekommt das Sozialministerium: Der 62-jährige Ex-ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bleibt für weitere fünf Jahre im Amt. Das Innenministerium bleibt in der Hand von ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). GEPA pictures Gekommen um zu bleiben ist auch Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Der Oberösterreicher behält sein Büro am Wiener Stubenring für eine weitere Legislaturperiode. Die Presse Für Landesverteidigung und Sport trägt weiterhin Gerald Klug (SPÖ) die Verantwortung. Er hat die Agenden erst im März 2013 von Norbert Darabos übernommen. APA/HELMUT FOHRINGER Kein Wechsel auch im Infrastrukturministerium: Doris Bures (SPÖ) bleibt in Amt und Würden. APA/ROLAND SCHLAGER Alois Stöger (SPÖ) galt seit Monaten als Wackelkandidat, bleibt nun aber doch. APA/GEORG HOCHMUTH Wer in der neuen Regierung sitzt Die Verhandlungen in der Volkspartei verliefen bis zuletzt hektisch: Parteichef Michael Spindelegger hatte sich noch am frühen Abend mit Bauernbundobmann Jakob Auer und dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter zu einem Sechs-Augen-Gespräch zurückgezogen.
Nur ein neues Gesicht bei SPÖ Im Regierungsteam der SPÖ wird es dagegen nur ein neues Gesicht geben: Die 32-jährige Juristin Sonja Steßl wechselt aus den Abgeordnetenreihen als Staatssekretärin ins Finanzministerium - als Nachfolgerin von Andreas Schieder, der jetzt Klubobmann ist (Mehr: Details zum Regierungsprogramm ).
SPÖ und ÖVP wollen ihr Regierungsprogramm am Freitag vorstellen, die Inhalte sind aber bereits nach außen gedrungen. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Die Normverbrauchsabgabe beim Autokauf sowie die motorbezogene Versicherungssteuer werden erhöht. Die Alkoholsteuer wird um 20 Prozent angehoben, die Steuer auf Sekt und Prosecco um einen Euro je Liter. Für eine Steuerreform gibt es eine Absichtserklärung ohne einen Termin. Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 „in Richtung“ 25 Prozent gesenkt werden. BilderBox Die Familienbeihilfe wird mit 1. Juli 2014 je nach Alter der Kinder auf 180, 200 und 220 Euro erhöht. Das System des Kindergelds wird umgestaltet: Künftig soll es ein Konto mit einer Fixsumme geben, Dauer und Bezugshöhe sind frei wählbar. Unangetastet bleiben indes die Gelder für die Ganztagsbetreuung an Schulen (400 Mio. Euro), den Ausbau der Kinderbetreuung und für den Wohnbau (276 Mio. Euro), von denen ursprünglich Teile für die Familienbeihilfe abgezwackt werden sollten. Bis 2018 soll das faktische Pensionsalter, wie von der ÖVP verlangt, um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahre steigen. Passiert dies nicht, sind verpflichtend weitere Eingriffe vorzunehmen. Welche, entscheidet die Koalition. Einigt sich diese nicht, muss eine Schlichtungsstelle mit Experten Klarheit bringen. (c) Clemens Fabry Für Arbeitgeber wird ein Bonus-Malus-System eingeführt. Wenn sie über 50-jährige Arbeitslose einstellen, sollen sie einen Bonus erhalten. Betriebe, die ältere Mitarbeiter hinauswerfen, sollen hingegen mit einem Malus zu bestraft werden. Konkret soll ab 2017 für alle Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern, die nicht ausreichend Mitarbeiter über 55 beschäftigen, eine neue Abgabe für altersgerechte Arbeitsplätze eingeführt werden. Diese Abgabe wird zu 50 Prozent als Bonus für die Beschäftigung älterer Mitarbeiter eingesetzt, die restlichen 50 Prozent fließen in die betriebliche Gesundheitsförderung. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com) Ein zweites kostenloses Kindergartenjahr für Vier-bis Fünfjährige soll eingeführt werden. Das zweite Kindergartenjahr soll für Kinder mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten verpflichtend werden. (c) Presse (Fabry) Künftig soll es mehr verschränkte Ganztagsschulen geben, in denen sich Unterricht, Lern- und Freizeit abwechseln. Das Regierungsprogramm sieht vor, dass es an jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. "in zumutbarer Entfernung" eine Klasse geben soll, die nach diesem Modell geführt wird, sobald 15 (bzw. in bestimmten Fällen 12) Schüler dafür angemeldet werden. Wie schon im Regierungsprogramm 2008 geplant, soll den Schulleitern mehr Mitsprache bei Personalauswahl bzw. Ressourceneinsatz gegeben werden. (c) Die Presse (Clemens Fabry) Die bis 2016 limitierte Solidarabgabe für Spitzenverdiener wird verlängert. (c) Clemens Fabry Die Mietvertragsgebühr für unter 35-Jährige bei erstmaligem Mietvertragsabschluss zwecks Hauptwohnsitzbegründung entfällt. APA/HELMUT FOHRINGER Die Kosten für Kieferregulierungen, festsitzenden Zahnersatz und Mundhygiene für Kinder und Jugendliche werden künftig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem wird der Spitalskostenbeitrag für Kinder und Jugendliche abgeschafft und ein Gesundheitspass für 7- bis 18-Jährige eingeführt. APA/GEORG HOCHMUTH Die Staatsholding ÖIAG wird neu ausgerichtet. Sie soll selbst über die Steigerung oder Senkung von Unternehmensanteilen die sie verwaltet entscheiden können; allerdings ohne die Sperrminorität von 25 Prozent zu unterschreiten. APA/HERBERT PFARRHOFER Unternehmen sollen künftig bis zu zehn Prozent des Bilanzgewinns, aber maximal 1.000 Euro pro Mitarbeiter, steuerbegünstigt ausschütten können. Die Abgabe soll pauschal 25 Prozent, befristet auf drei Jahre, betragen. Die Senkung von Lohnkosten wird "geprüft". (c) Presse/ Bruckberger Die Hürden für den Parlamentseinzug über Vorzugsstimmen werden noch einmal gesenkt, versprechen SPÖ und ÖVP im Regierungsprogramm. Zurückhaltend äußern sie sich zum Demokratiepaket, dazu soll eine Enquete-Kommission eingesetzt werden.Vage auch die Vorhaben zu einer Verwaltungsreform. Die Regierung dürfte eine Bezirksgerichts-Reform planen, denn das Zustimmungsrecht der Länder bei der Änderung der BG-Sprengel soll gestrichen werden. Und: Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung soll "wirksamer und kostengünstiger gestaltet" werden - die Länderkammer also offenbar kleiner werden. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER) Im Regierungsprogramm findet sich unter der Rubrik Ziel zum Thema "Für eine moderne Polizei und Sicherheitsverwaltung" lediglich folgender Punkt: "Sicherstellung einer zeitgemäßen Polizeiarbeit durch einen zielgerichteten Personaleinsatz, eingebettet in eine leistungsfähige Organisation zur Gewährleistung einer hohen Außendienstpräsenz sowie Ausbau des Bürgerservices und Reduktion des Verwaltungsaufwandes für BürgerInnen und Behörden." (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Bei den staatlichen ÖBB soll ein integrierter Taktfahrplan eingeführt werden. Die drei umstrittenen Tunnelprojekte Semmering, Koralm und Brenner werden in dem Papier nicht erwähnt, allerdings heißt es: "Sowohl der Ausbau der großen Achsen, insbesondere der Südachse, als auch die Modernisierung des Bestandsnetzes, die Bahnhofsoffensive und die Güterterminals wird weiter geführt." www.BilderBox.com Die Regierung will Gerichte entlasten, Gerichtsgebühren evaluieren, und eine neue Justizanstalt mit eigener Jugendabteilung im Raum Wien errichten. Außerdem wurde ins Abkommen die schon von Ex-Ministerin Beatrix Karl angestoßene große Reform des Strafgesetzbuches (samt Beseitigung der Ungleichgewichte bei den Strafen) aufgenommen. Außerdem soll es eine Bezirksgerichts-Reform geben (siehe Punkt "Staatsreform"). (c) bilderbox Was die neue Koalition bringt (Red.)
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