Politik in der Zwickmühle

Karikatur: Peter Kufner www.peterkufner.com
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Am Beispiel Sophie Karmasin: „Professionalisierung“ der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung hat in Österreich kuriose Facetten.

Die öffentlichkeitswirksame Darstellung von politischem Handeln ist, so die Essenz der Medialisierungsthese, für politische Akteure zunehmend wichtiger als dieses Handeln selbst. Das mag ein wenig überspitzt formuliert sein, Politik- wie Kommunikationswissenschaft liefern aber hinreichend empirisch fundierte Argumente dafür, dass die Vermittlung von Nachrichten als bedeutender eingeschätzt wird als deren Inhalt. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: Das sich in den Koalitionsgesprächen aufgetan habende Budgetloch wurde in den Medien als kommunikatives Desaster kommentiert. Was folgte, waren Versuche, das Unwort euphemistisch zu umschreiben und die Tiefe des Erwartungslochs in Nebel zu hüllen.

Es ist nicht illegitim, bei der Besetzung eines Kabinetts auch kommunikative Notwendigkeiten (die Regierungspolitik zu verkaufen) zu beachten und kommunikative Talente auf wichtige Posten zu berufen. Beide Koalitionsparteien folgen diesem Ziel: Die SPÖ verleiht dem Staatssekretariat im Finanzministerium ein junges, weibliches Gesicht, mit hoher medialer Präsenz darf gerechnet werden. Die ÖVP hievt ihren Jungstar ins Außenamt und richtet ein neues Ministerium ein – mit beschränktem Gestaltungsspielraum, dafür öffentlichkeitswirksamem Potenzial. Bei der Installierung des Ministeriums für Familien und Jugend und der Ernennung einer telegenen Politikberaterin dürften Aspekte der politischen Kommunikation eine ebenso große Rolle gespielt haben wie sachpolitische Erwägungen.

Das „Beraternetzwerk“

Die Regierungsparteien folgen damit einem Trend, der unter den Schlagworten „Amerikanisierung“ oder „Professionalisierung“ schon länger diskutiert wird. Dessen Implementierung in Österreich trägt jedoch einige besondere Facetten.

Frau Karmasin ist Miteigentümerin der „Karmasin Motivforschung“ und, mit Wolfgang Rosam und Dietmar Ecker, der Sophie Karmasin Market Intelligence GmbH. Beide Agenturen beraten Auftraggeber aus Politik und politiknahen Unternehmen.

Gemeinsam mit Rosam, Gründer der Public Interest Lobbying Constultants GmbH, Peter Filzmaier u.a. errichtet Karmasin 2009 die Kommunikationsgruppe Leading Advisory Group GmbH. Es ist derselbe, durch wirtschaftliche Interessen verflochtene Personenkreis, der Politik berät, Lobbying betreibt und gleichzeitig Politik in den Medien kommentiert.

Die Politik begibt sich in eine Zwickmühle, wenn ein Kommunikationsberater bei der Regierung für spezifische Interessen eines Klienten lobbyiert, dieser Regierung Strategien für die Kommunikation in die Öffentlichkeit empfiehlt, um diese in der Folge in den Medien zu beurteilen. Unter diesen Vorzeichen passiert Kartellpolitik und nicht Professionalisierung im Umgang mit den Medien.

Politik muss, wenn sie sich in ihrer Handlungsfähigkeit nicht einschränken lassen will, dafür sorgen, dass unvereinbare Rollen von unabhängigen Akteuren wahrgenommen werden. Als Ministerin wird Frau Karmasin nicht alle ihre Rollen weiter wahrnehmen dürfen, für Bundesminister besteht ein Berufsverbot. Sie wird wohl eine rechtlich korrekte Lösung der Trennung von ihren Unternehmen finden. Ob es ihr gelingt, sich von „Österreichs bestem Netzwerk“ zu emanzipieren, bleibt abzuwarten.

Gilg Seeber ist Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)

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