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Über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich

Eva Komarek, General Editor for Trend Topics, Styria Media Group, im Interview mit Stefan Engleder, CEO von Engel Austria, im „Presse“-Studio.
Eva Komarek, General Editor for Trend Topics, Styria Media Group, im Interview mit Stefan Engleder, CEO von Engel Austria, im „Presse“-Studio.Roland RUDOLPH
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Wie geht es dem Industriestandort Oberösterreich? Mit welchen Herausforderungen sind Unternehmen konfrontiert und kann Innovation den Standort stärken? Eva Komarek, General Editor for Trend Topics, Styria Media Group, erörterte dringende Wirtschaftsfragen mit Stefan Engleder, CEO von Engel Austria.

Als Hersteller von Kunststoff-Spritzgussmaschinen erarbeitete sich der Familienbetrieb Engel seit 1945 einen Platz an der Weltspitze. In Werken in Oberösterreich und weiteren Standorten in Europa, Nordamerika, China und Korea konstruiert und fertigt Engel Austria Spritzgussmaschinen für Kunststoffe. Das Kundenportfolio ist breit gestreut und reicht von der Medizintechnik, der Automobil- bis zur Verpackungsindustrie.

Im „Presse“-Studio spricht Eva Komarek, General Editor for Trend Topics, Styria Media Group, mit Stefan Engleder, CEO von Engel Austria, über das Thema Maschinenbau und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs in diesem Bereich.

Wie entwickelt sich die Konjunktur für Engel?

Stefan Engleder: Es zeigt sich ein sehr heterogenes Bild. Die asiatischen Länder, allen voran China, scheinen sich zu erholen und die Vereinigten Staaten sind nach wie vor stark. Aber Europa schwächelt ziemlich, was mehrere Gründe hat. Vor allem die deutsche Automobilindustrie bereitet uns Kopfzerbrechen, zudem die hohen Energie- und Rohstoffpreise und die hohen Lohn-Stückkosten in Österreich. Das ist ein toxischer Mix. Da Engel über eine Exportquote von 95 Prozent verfügt, sind wir nach wie vor optimistisch, weiterhin gute Umsätze einfahren zu können.

Wie stellen sich die Rahmenbedingungen am Industriestandort Österreich dar?

Ich würde sagen, dass sie noch gut sind. Wir befinden uns im globalen Wettbewerb, betreiben neun Standorte weltweit und können die Bedingungen gut vergleichen. In Asien gibt es einen starken Wettbewerb, und wir sehen, dass gerade China, aber auch Japan hier durch Deflation deutlich günstiger werden. Zudem gibt es gewisse Auflagen wie in Europa nicht. Dementsprechend verschiebt sich der Wettbewerbsvorteil in Richtung Asien. Amerika spielt hier eine untergeordnete Rolle, denn es wird viel importiert, was positive Auswirkungen auf Österreich hat. In den USA gibt es hohe Schutzzölle auf chinesische Produkte. Deshalb können wir unter guten Bedingungen von Europa aus nach Amerika liefern.

Europa ist beim Maschinenbau weltweit führend. Wie sehr hat China auf der technologischen Ebene aufgeholt?

China hat sehr stark aufgeholt und Europa muss zusehen, die technologische Vorreiterrolle zu wahren. Deutschland und Österreich sind hier noch vorn, was die Technologie betrifft. Gerade in Österreich funktioniert vieles sehr gut. Durch die Forschungsförderung gibt es einen Forschungsschwerpunkt. Wir waren nach der Pandemie etwas überrascht, dass China sehr aufholen konnte, denn de facto war China für uns drei Jahre lang nicht erreichbar. Faktum ist, dass die Chinesen diese drei Jahre sehr intensiv genutzt und sehr viel in Technologie investiert haben. Diese Technologie wollen sie nicht nur im Land behalten, sondern auch exportieren.

Wie hoch ist die Exportquote von China nach Europa?

Wir können nur mutmaßen. Man kann aufgrund von Zoll-Statistiken gewisse Schlüsse ziehen, aber wir wissen es nicht exakt. Ich gehe davon aus, dass etwa 20 Prozent aus China nach Europa in die Euro-Zone importiert werden. Dieser Trend ist stark wachsend. Vergleiche kann man mit der Automobilindustrie ziehen. Noch vor einigen Jahren hat man in Europa keinen chinesischen Automobilhersteller gekannt, heute sind die Zeitungen voll davon.

Wo können Sie noch einen technologischen Vorsprung gegenüber China verzeichnen?

Hier gibt es mehrere Aspekte. Das Wesentliche ist, dass wir, als Hersteller von Spritzgussmaschinen, Anlagenbauer sind. Wir fertigen Anlagen, die auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Das ist eine hohe Varianz, die wir sehr gut abbilden können. Das beginnt beim Auftragsprozess und setzt sich bei der technischen Auftragsklärung, der Konstruktion bis hin zur Realisierung fort. Die Asiaten sind aufgrund der hohen Volumina eher im Standardbereich angesiedelt. Es ist ein großer Vorteil, dass wir unsere Produkte kundenspezifisch zuschneiden können. Weitere Aspekte sind Steuerungstechnik und Digitalisierung. Wir haben über unseren Spritzgießprozess ein volles Verständnis für die Technik und können Prozesse und den Energieverbrauch optimieren. Das ist nach wie vor ein Wettbewerbsvorteil.

In den USA findet eine Re-Industrialisierung statt. Wie wettbewerbsfähig ist Europa im Vergleich mit den Vereinigten Staaten?

Die USA erheben bis zu 50 Prozent Schutzzölle, auch auf chinesische Spritzgussmaschinen. Dadurch sind wir wettbewerbsfähig und können dementsprechend sehr gut in die USA liefern. Die Re-Industrialisierung findet tatsächlich in den unterschiedlichsten Branchen statt, von der Automobilindustrie über den Infrastruktur- bis in den Medizinbereich. Amerikanische Unternehmen kaufen Hochtechnologie, dementsprechend sind europäische Produkte sehr gefragt.

In den USA selbst werden also keine Hochtechnologieprodukte hergestellt?

Die Vereinigten Staaten haben vor zwanzig Jahren durch die große De-Industrialisierung den Maschinenbau de facto verloren und sind nicht mehr in der Lage, diesen Rückstand aufzuholen. In gewisse Kernbereiche wird investiert, allerdings nicht in den Maschinenbau. Der Maschinenbau wird aus Europa bezogen, wenn es um Technologie geht. Soll es günstig sein, dann wird aus Japan und anderen Regionen importiert.

Bei Spritzgussmaschinen findet eine Twin-Transition statt, also eine grüne und digitale Transformation. Was bedeutet das für Engel?

Wir müssen unseren Spritzgussprozess dahingehend optimieren, um die unterschiedlichsten Materialien, also Rezyklate, zu verarbeiten. Das funktioniert nur mit digitalen Assistenzsystemen. Neumaterial ist sehr klar definiert, spezifiziert und einfacher zu verarbeiten. Ein Rezyklat besitzt eine gewisse Schwankungsbreite auf die man sich einstellen muss, damit am Ende des Tages ein gutes Produkt entsteht.

Nachhaltigkeit funktioniert also nicht ohne Digitalisierung?

So ist es. Oberösterreich ist aber das Silicon Valley der Kunststoffverarbeitung und der Kunststoffentwicklung, denn wir haben hier alle Wertschöpfungsstufen.

Wie gut schlägt sich Österreich im Bereich der KI und der Quantencomputer?

Ich glaube, wir haben das Rennen verloren, was die Grundlagen betrifft. Unabhängig davon, dass wir gute Forscher in unserem Land haben, findet die Kommerzialisierung von diesen Verfahren anderswo statt, vor allem in den USA. Open AI und Chat GPT sind die besten Beispiele. Aber wir können diese Verfahren hier anwenden. In der Industrie ist KI bereits länger im Einsatz, da es eine abgeschlossene und vorhersagbare Umgebung ist. KI ist ja ein Sammelbegriff für viele Verfahren. Durch die Leistungsfähigkeit der Steuerungen kann man diese Verfahren etwa in Spritzgussmaschinen sehr kosteneffizient einsetzen.

Kunststoff genießt nicht den besten Ruf. Wie entwickelt sich hier die Kreislaufwirtschaft?

Das Kunststoff-Bashing ist vorhanden, aber die Emotionalität ist einer objektiveren Debatte gewichen. Es gibt viele Argumente, die für Kunststoff sprechen. Kunststoff ist der Werkstoff für eine moderne Gesellschaft, ohne Kunststoff wäre ein modernes Leben nicht möglich. Denken Sie an die Medizintechnik, an die Mobilität und auch an die Lebensmittelindustrie, wo er bei Verpackungen eine Rolle spielt. Überall dort ist Kunststoff das Material der Wahl, weil er leicht und stabil ist. Nicht der Einsatz von Kunststoff, sondern der Umgang damit ist das Problem. Kunststoffe dürfen nie im Meer landen. Also muss man dafür Sorge tragen, dass der Wertstoffkreislauf geschlossen wird. Die Industrie unternimmt vieles, um den Kreislauf zu schließen, aber es hängt auch vom Konsumentenverhalten ab.

Wie sieht die Situation bei Forschung und Entwicklung in Österreich aus?

Sie ist gut und wir haben hier durch sehr gute Universitäten, Fachhochschulen und HTLs einen Wettbewerbsvorteil. Es gibt Forschungsförderungen, die es sehr attraktiv machen, in Österreich zu forschen. Ich möchte betonen, dass die Situation noch gut ist. Bei Investitionen unternimmt Österreich und auch Oberösterreich viel, aber es herrscht ein Mangel an Studierenden. Wir schaffen es auch nicht, ausländische Studierende anzuziehen und es gibt aufgrund des Images eine grundlegende Vorsicht, was Ingenieursstudien und Kunststoffstudien betrifft. Noch haben wir genügend Fachkräfte, aber wenn wir etwa fünf Jahre in die Zukunft blicken, sieht man einen eklatanten Mangel an Experten auf uns zukommen.

Wie steuert die Firma Engel dagegen?

Wir setzen bei unseren Facharbeitern an und unterstützen den Lehrberuf. Wir haben mehr als 250 Lehrlinge. Diese Lehrlinge werden nicht nur in den klassischen Berufen, wie Zerspanungstechnik und Mechatronik, ausgebildet, sondern wir gehen auch in die Konstruktionslehre und die Anwendungstechnik, um die Facharbeiter höher zu qualifizieren. Ein weiterer Ansatz ist, dass wir im Hochschulmarketing und in der Hochschulförderung sehr aktiv sind. Und wir unterstützen das Thema „Frauen in die Technik“. Das beginnt ebenfalls bei der Lehre. Heute haben wir bei Engel einen Anteil von 25 Prozent an weiblichen Lehrlingen, und das ist für einen Maschinenbauer herzeigbar.

Was würden Sie sich für den Industriestandort Oberösterreich für Engel wünschen?

Dass wir bei den Schulen beginnen, Menschen für Technik zu interessieren, und das nicht als Lippenbekenntnis, sondern richtig.

Information

Das Gespräch fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung OÖ.

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