Was ich lese - Julian Roman Pölsler

Julian Roman Pölsler: Autor, Regisseur („Die Wand“), geboren 1954 in der Steiermark

Mein Bett hat eine breite Umrandung mit einer großen Ablage, auf der jene Bücher liegen, die ich beim Einschlafen lese oder wenn ich nachts aufwache und nicht mehr einschlafen kann. Derzeit sind dies die Bücher dreier österreichischer Schriftstellerinnen. Je nachdem, wann ich aufwache, lese ich in einem mir für diese Stunde optimal erscheinenden Buch: Wache ich um drei Uhr früh auf, lese ich Marlen Haushofer. Selten Die Wand, darin habe ich ja die vergangenen sieben Jahre gelesen. Nein, jetzt lese ich Die Mansarde und Wir töten Stella (Ullstein); großartig geschriebene Romane, die man kennen sollte, wenn man bereit ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, was ist in dieser Welt, die einen schlaflos macht.

Sollte ich um vier Uhr früh aufwachen,lese ich in den Arbeiten einer weiteren großen Schriftstellerin, die mich ebenfalls schon lange verfolgt, besser gesagt, der ich schon lange folge: Christine Lavant. Entweder lese ich in ihren GedichtbändenDie Bettlerschale, Der Pfauenschrei, Spindel im Mond (Otto Müller) oder in Das Wechselbälgchen(Wallstein). Diese Erzählung hat eine archaische Kraft, die mich immer hinaus(ver)führt aus dieser Welt, die mich nicht schlafen lässt, und hineinführt in eine andere Welt, in der die Schlaflosen mit ihrer Welt ringen bis zum bitteren Ende.

Und wache ich um fünf Uhr auf, greife ich zu Engel des Vergessens von Maja Haderlap (Wallstein), deren Sprache michimmer wieder aufs Neue beeindruckt.

Wenn ich in einem der genannten Bücher lese, weiß ich, dass ich im Morgengrauen nicht allein bin mit meinen Gedanken in dieser Welt – was ja um diese Stunden oft so scheinen mag. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2014)

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