Lauter Pauschalurteile über „Parteisoldaten“

Eine neue Studie zur Parteinähe der Nationalbank-Gouverneure strotzt von Fehlern. Behauptungen, Spitzenleute der OeNB hätten nur mit Rücksicht auf Regierungen agiert, sind anhand einiger Entscheidungen leicht zu widerlegen.

Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur!“ An den legendären Satz von Bruno Kreisky muss man unvermeidlich denken, wenn man den Bericht von Christian Höller über das Machwerk des Politologen Laurenz Ennser-Jedenastik über die „Unabhängigkeit von Notenbanken“ und den Kommentar von Josef Urschitz dazu liest („Lauter unabhängige Parteisoldaten“, beides 16.Jänner).

Schon bei der Aufzählung der angeblichen Gouverneure der Oesterreichischen Nationalbank hätten die „Presse“-Redakteure erkennen müssen, dass diese „Forschungsarbeit der Universität Wien“ von Fehlern strotzt. Sie wird mit Statistikdaten und Verdrehungen der Wirklichkeit stipuliert, dass die angeführten Persönlichkeiten an der Spitze der OeNB alle mehr oder weniger stramme Parteisoldaten und Marionetten der Regierungen waren und sind, ohne auf die tatsächlichen Leistungen und Geschehnisse näher einzugehen.

Kienzl trotzte Kreisky

Zuerst eine Korrektur zu den angeführten „Gouverneuren“: Die Herren Rizzi, Margaretha, Kamitz, Schmitz, Kloss, Koren und die Dame Schaumayer waren keine Gouverneure, sondern Präsidenten der OeNB. Das ist ein erheblicher Unterschied. Die Präsidenten führten in den Sitzungen des Direktoriums zwar den Vorsitz, hatten aber keine Stimme. Die Geschäfte der OeNB führte das Direktorium unter der Leitung des Generaldirektors, der sozusagen Vorgänger des heutigen Gouverneurs war. Der erste Gouverneur der OeNB war Klaus Liebscher.

Die Behauptung, die Spitzenfunktionäre der OeNB hätten allesamt mit Rücksicht auf die Regierungen und Parteien agiert, ist anhand einiger Entscheidungen der Notenbank zu widerlegen.

Beispiel1: Als 1971 das Bretton-Woods-Abkommen zerfiel und der US-Dollar als Leitwährung problematisch wurde, musste die OeNB handeln. Der Generaldirektor dieser Zeit war Heinz Kienzl, der seither unbestritten als „Vater der Hartwährungspolitik“ gilt. Der damalige Bundeskanzler, Bruno Kreisky, war mit der Hartwährungspolitik aufgrund der Meinung seiner Berater nicht einverstanden und versuchte mehrmals, Druck auf die OeNB auszuüben, um eine Aufweichung des harten Schilling zu erreichen. Das Direktorium und Kienzl leisteten erfolgreich Widerstand. Es gehörte aber einige Courage dazu, dem mächtigen Bundeskanzler die Stirn zu bieten – obwohl, wie man weiß, beide derselben politischen Partei angehörten. Die von Kienzl entrierte Bindung des Schilling an die DM durch die OeNB zählt zu den wichtigsten und nachhaltigsten Beiträgen zum Aufbau und zur Wahrung des Wohlstands in Österreich.

Beispiel2: Bundeskanzler Kreisky machte 1978 den bis dahin im Parlament als Oppositionsführer agierenden, ehemaligen Finanzminister Professor Stephan Koren zum Präsidenten der OeNB.

Keine Proporzspielwiese

Kreisky wollte damit drei Fliegen mit einem Schlag treffen: erstens die ÖVP durch den Verlust ihres wichtigen Klubobmannes schwächen, zweitens einen hervorragenden Fachmann an die Spitze der OeNB setzen, drittens einen bis dahin als Gegner der Hartwährungspolitik auftretenden, möglichen Verbündeten für die Aufweichung des harten Schilling finden. Koren aber enttäuschte diese Hoffnung und trat als Präsident vehement für die Fortsetzung der Hartwährungspolitik ein.

Beispiel3: Ewald Nowotny war Universitätsprofessor, bevor er in die Politik ging und als Finanzsprecher der SPÖ höchst qualifiziert. Er war nach seiner Zeit als Abgeordneter im Direktorium der EEB und danach als Generaldirektor der Bawag tätig. Er ist – wie alle seine Vorgänger – der Stabilität der Währung verpflichtet und vertritt diese im Gouverneursrat der EZB.

Die Behauptung von Josef Urschitz, dass die OeNB „seit ihrer Gründung die Proporzspielwiese schlechthin“ sei, ist zunächst historisch falsch, da die Gründung 1816 in der Metternich-Ära erfolgte, und ist, was die Zweite Republik anbelangt, eine der üblichen journalistischen Allgemeinplätze.

Die Bevölkerung sieht das anders. Die OeNB erfreute sich bei Umfragen in den letzten Jahrzehnten als Institution größten Vertrauens und lag auch bei der 2013 durchgeführten Befragung gemeinsam mit der Polizei an der Spitze.

Was viele Kritiker nicht wissen, ist, dass die OeNB seit der Konvertibilität des Schilling 1961 bis 2012 insgesamt 52 Milliarden (wertberichtigt) erwirtschaftet und an den Staat, sprich den Steuerzahler abgeliefert hat! Das ist nicht mit dem abgedroschenen Argument zu entwerten, „dass das ja mit dem Geld des Staates“ verdient wurde.

Erwirtschaftetes Vermögen

Jeder, der das behauptet, soll sich die Eröffnungsbilanz der OeNB nach dem Krieg anschauen. Ein trauriger Rest des von den Nazis geraubten und von den Amerikanern sichergestellten Währungsgoldes war das ganze Vermögen. Das spätere große Vermögen der OeNB wurde durch ausgezeichnete Fachleute erwirtschaftet!

Noch nie wurde in der OeNB erwogen oder gar praktiziert, durch Ingangsetzung der Notenpresse das Staatsdefizit zu reduzieren, wie das vor dem Euro von verschiedenen europäischen Staaten zum Schaden der betroffenen Bevölkerung angewendet wurde; eine Geld- und Währungspolitik freilich, die im Wunschkatalog fast aller Regierungen vorkommt.

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es ziemliche Währungsturbulenzen etwa in den Notenbanken Großbritanniens, Irlands, Italiens und einiger anderer Ländern. Laut Ennser-Jedenastik waren in Großbritannien nur parteifreie Experten an der Spitze der Notenbank. Damals wurden die „unabhängigen Experten“ der Bank of England von einer Spekulation am falschen Fuß erwischt, und das britische Pfund musste erheblich abgewertet werden, zum Nachteil gerade der britischen Bevölkerung.

Anschlag auf den Schilling

Wenige Monate später wurde auch gegen den Schilling spekuliert, aber die angeblich „parteiabhängigen Funktionäre“ der OeNB wehrten diesen Anschlag auf den Schilling bravourös ab und bewahrten die Republik vor großem Schaden.

Plakatives in den Raum zu stellen und zwischen den Zeilen zu behaupten, jeder von einer Partei entsandte Funktionär sei nur ein Parteigünstling, automatisch eine Marionette der Politik und vor allem kein Garant für die Unabhängigkeit der Notenbanken, ist meiner Meinung nach einer Studie der Universität Wien unwürdig.

Was sagen Statistiken über Notenbank-Gouverneure mit oder ohne Parteibuch aus, ohne die tatsächlichen Auswirkungen auf die Währungspolitik anhand von Beispielen zu untermauern? Worauf stützt sich die Behauptung von Urschitz, dass Notenbanken nur mehr „bessere Bargeldverteilungs- und Statistikämter“ und de facto „Regierungswerkzeuge“ seien?

Ich empfehle Urschitz und den anderen beiden Herren, noch einmal und besser zu recherchieren, bevor man unsere Notenbank international diskreditiert und sich dabei selbst blamiert.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Herbert Skarke
(geboren 1939) war 40 Jahre in der Oesterreichischen Nationalbank beschäftigt, zuletzt in der Funktion des Direktors der Druckerei für Wertpapiere. Seit seiner Pensionierung übt er etliche ehrenamtliche Tätigkeiten aus, u.a. ist er Obmann-Stellvertreter der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft. Mitherausgeber des Buches „Anton Benya und der Austrosozialismus“. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.