Sebastian Kurz: "Neos als Chance, nicht zufrieden zu sein"

Sebastian Kurz Außenminister Österreich 27
Sebastian Kurz Außenminister Österreich 27(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Außenminister über die Folgen einer Hypo-Insolvenz in Kroatien, eine lebensnotwendige Verfassung für Bosnien, seine Zukunft in der ÖVP, die Streitereien in seiner Partei - und warum er letztlich doch nicht bei den Neos ist.

Sind Sie auch der Meinung des Bundeskanzlers, dass eine Insolvenz der Hypo-Alpe-Adria-Bank verheerende Auswirkungen auf Kroatien und Bosnien hätte - gerade auch in Bezug auf Österreichs Image in diesen Staaten?

Sebastian Kurz: Was das Image betrifft, lässt sich sagen, dass es in den EU-Räten, bei denen ich in Brüssel war, kein Thema war. Auszuschließen ist das für die Zukunft aber nicht. Was ich aber grundsätzlich einmal zu dem Thema sagen möchte, ist, dass ich mir einen nationalen Schulterschluss aller Parteien wünschen würde. Anstatt der ständigen Profilierungsversuche der FPÖ. Wenn sich Herr Strache nun als Rächer und Retter inszeniert, dann ist das unglaubwürdig. Es war die FPÖ Kärnten, die das Desaster ausgelöst und ein Verbrechen am Steuerzahler begangen hat.

Die Frage, was passieren würde, wenn die Sparer um ihr Erspartes bei der Hypo umfielen, stellt sich ja auch vor dem Hintergrund der sozialen Unruhen in Bosnien.

Das hätte natürlich Konsequenzen. Ich hoffe aber, dass es uns gelingt, den Schaden für Österreich möglichst gering zu halten - soweit das überhaupt noch geht. Und was Bosnien betrifft: Ich verurteile zwar jede Gewalt bei den Protesten, aber für die friedlichen empfinde ich starke Sympathien. Es gibt eine unfassbar hohe Arbeitslosigkeit, vor allem aber ein nicht funktionierendes politisches System in Bosnien. Dayton hat zwar zu einer Befriedung des Landes geführt, aber noch kein funktionierendes politisches System geschaffen.

Hat Bosnien als Staat langfristig überhaupt eine Zukunft?

Ja, alles andere wäre Wahnsinn. Wir haben nicht nur ein wirtschaftliches Interesse in der Region und eine starke kulturelle Verbundenheit, sondern wir sind auch unmittelbar betroffen, wenn es dort negative Entwicklungen gibt. Ich glaube, dass es notwendig wäre, in Bosnien eine neue Verfassung zu schaffen. Dann hat das Land Zukunft.

Das Land sich selbst zu überlassen ist keine Option?

Das wäre der falsche Weg. Die EU, die dort einen großen Beitrag leistet, hat auch das Recht, Druck auf die Regierenden auszuüben. Sie hat auch die Pflicht, nicht wegzusehen und Bosnien nicht vom Radar zu verlieren.

Die Frage zielte eher darauf ab, ob es den Hohen Repräsentanten noch braucht?

Leider Gottes funktioniert es anders nicht. Weil es seit dem Dayton-Frieden nicht geklappt hat, ein funktionierendes System aufzubauen.

In den vergangenen Jahren hatten Sie mit Bosnien in erster Linie als Herkunftsland vieler Zuwanderer zu tun. Als Außenminister bekommen Sie nun zwar gute Kritiken, vom Integrationsverantwortlichen der Regierung hört man aber nicht mehr so viel.

Erst diese Woche habe ich den Fahrplan für die bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen angekündigt. Und mit der Familienministerin Karmasin jenen für die Umsetzung des verpflichtenden zweiten Kindergartenjahres präsentiert. Mein Integrationsteam hier im Ministerium arbeitet auf Hochtouren.

Um das verpflichtende zweite Kindergartenjahr gab es ein wenig Verwirrung. Wie ist das nun wirklich?

Wir wollen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für alle, die es brauchen. Für Kinder, die Entwicklungsdefizite haben, insbesondere, was die Sprache betrifft. Damit sie beim Schuleintritt so gut Deutsch beherrschen, dass sie dem Unterricht auch folgen können. Der Grundstein für eine erfolgreiche Bildungskarriere wird in der Frühförderung gelegt. Daher gibt es auch eine Sprachstandsfeststellung im Alter von dreieinhalb Jahren. Und eben eine Pflicht, den Kindergarten zu besuchen. Gratis soll es - wenn es nach mir geht - für alle Kinder in Österreich sein, zwei Jahre in den Kindergarten zu gehen.

Was denken Sie sich, wenn Sie nun in den Zeitungen lesen, Sie sollten ÖVP-Obmann werden - am besten sofort?

Sicher nicht.

Sicher nicht - ÖVP-Chef?

Michael Spindelegger hat nicht nur mir, sondern vielen jungen Menschen eine Chance gegeben. Ich habe mit ihm immer gut zusammengearbeitet und bin überzeugt, dass wir das auch in Zukunft so fortsetzen.

Wie lange wird Michael Spindelegger noch ÖVP-Obmann sein?

So lange er das möchte. Wir müssen uns immer die Frage stellen, wie wir uns inhaltlich und strukturell weiterentwickeln können. Aber ich glaube nicht, dass die Art und Weise, wie bei uns immer wieder diskutiert wird, die richtige ist. Und wenn ich mir die Meinungsumfragen ansehe, dann sehen das die Wähler genauso.

Die Westachse ist eh auffallend ruhig.

Ich habe ein gutes Verhältnis zu den Landeshauptleuten im Westen. Und ich halte es für legitim, wenn es das eine oder andere Mal unterschiedliche Auffassungen gibt.

War es richtig, nun dem ÖVP-Wirtschaftsbund nachzugeben - zum Preis von 450 bisher nicht eingepreisten Millionen Euro?

Wir sind eine Wirtschaftspartei. Eine Partei, der der Standort wichtig ist. In der Sache ist eine gute Lösung herausgekommen. Es wäre aber besser gewesen, das zuerst intern zu diskutieren.

Was passiert, wenn die ÖVP bei der EU-Wahl weiter an die Neos verliert?

Ich hoffe, dass die ÖVP die EU-Wahl gewinnt. Unabhängig davon ist es sinnvoll, sich mit den Neos auseinanderzusetzen. Durch die Neos gibt es mehr Wettbewerb. Und ich als marktwirtschaftlicher Mensch halte das für etwas Positives und Belebendes. Insofern sehe ich die Neos als Chance für die ÖVP, nicht zu zufrieden mit sich selbst, sondern stets getrieben zu sein, bestmögliche Politik zu machen.

Wären Sie nicht manchmal selbst lieber bei den Neos?

Nein, ich fühle mich in der ÖVP wohl. Nicht, weil ich zu hundert Prozent mit ihr übereinstimme. Sondern, weil ich mich mit ihrem Wertefundament am stärksten identifizieren kann. Mir sind Freiheit und Eigenverantwortung, aber auch die Menschenwürde sehr wichtig.

Das würden auch die Neos unterschreiben.

Ja. Aber es gibt eben auch Bereiche, in denen ich einen anderen Zugang habe. Zum Beispiel im Umgang mit der Religion. Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem wir der Religion die Möglichkeit geben, im öffentlichen Raum stattzufinden.

Steckbrief

1986
Sebastian Kurz wird am 28. August 1986 in Wien geboren. Nach dem Gymnasium und dem Präsenzdienst beginnt ab 2008 seine politische Karriere, zuerst als Obmann der Jungen ÖVP in Wien, ab 2009 dann als Bundesobmann der Jungen ÖVP. 2010 und 2011 ist Kurz außerdem für seine Partei Mitglied des Wiener Gemeinderats.

2011
Am 21. April 2011 wird der Vertraute des nunmehrigen ÖVP-Obmanns und Vizekanzlers Michael Spindelegger im Zuge einer Umbildung des ÖVP-Regierungsteams überraschend als damals 24-Jähriger erster Staatssekretär für Integration im Innenministerium. Bei der Neuauflage der rot-schwarzen Regierung steigt Kurz am 16. Dezember des Vorjahres zum Außenminister auf und nimmt auch die Zuständigkeit für Integrationsfragen mit in sein neues Ressort.

("Die Presse am Sonntag", Print-Ausgabe, 15.02.2014)

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