Kein Widerspruch zum EU-Recht

Warum eigentlich sollte es keine Staatsbürgerschaft für Investoren geben? Eine Antwort an Professor Peter Hilpold.

Professor Peter Hilpold hat recht, einige wichtige Entscheidungen zur Unionsbürgerschaft zu zitieren und ihre Bedeutung zu unterstreichen (siehe seinen Gastkommentar „Unionsbürgerschaft als Handelsware?“ vom 12.2.). Er liegt aber falsch mit dem Anspruch, die Gewährung von Unionsbürgerschaft für Investitionen widerspreche der Philosophie des EU-Rechts.

Als Befürworter der Unionsbürgerschaft verteidige ich ihre Flexibilität und ihre Macht, die manche Kritiker geradezu engstirnig leugnen wollen. Mein Argument ist einfach: Den Maltesern das Recht zu verweigern, Investoren die Staatsbürgerschaft zu verleihen, kann nur mit einer falschen Auslegung des Gesetzes gestützt werden. Ich konzentriere mich auf die Rechtsprechung, die Hilpold ausgelassen hat, und erinnere an den Kern der Philosophie des EU-Rechts.

Die EU basiert auf der Grundlage des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung. Die Mitgliedstaaten bestimmen, was durch die EU zu regulieren ist. Die Verträge sind hierzu sehr deutlich: Alle Kompetenzen, die nicht auf die EU übertragen wurden, bleiben bei den Mitgliedstaaten. Des Weiteren sind darin die wichtigsten Werte der Union in Artikel2 zusammengefasst. Dazu gehören Demokratie, Menschenrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit.

Der rechtspolitische Kern

Die Probleme mit der Unionsbürgerschaft, auf die Hilpold hinweist, wären real, wenn nicht all diese Prinzipien Teil des rechtspolitischen Kerns der Union wären. Seine Argumente implizieren zweierlei: Demokratie wird in der EU nicht berücksichtigt (da jemand anderer als die Malteser selbst entscheiden soll, wer Malteser ist), und das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird in der Union missachtet, mit Verweis auf das schwammige Konzept der „Philosophie des EU-Rechts“. Beide Punkte sind falsch, ja sogar gefährlich, da sie die gesamte Grundlage der Konstruktion der EU ignorieren.

Trotz aller Rechtsprechung zu den Grundprinzipien, besonders zur Ermächtigung und Loyalität, die es der Union verbietet, ohne Ermächtigungsgrundlage Gesetze zu erlassen oder in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einzugreifen, müssen drei Fälle beleuchtet werden.

Drei Fälle, drei Beispiele

Im Fall Micheletti hat das Gericht entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten anerkennen müssen: Dies nennt man „angemessene Achtung des Gemeinschaftsrechts“. Im Fall Chen hat sich das Gericht noch einmal behauptet: Ein in Belfast geborenes Mädchen chinesischer Eltern ist Irin und damit vollwertige EU-Bürgerin; das Vereinigte Königreich muss dies anerkennen.

Im Fall Rottmann urteilte Generalanwalt Maduro, dass die Annahme von EU-Staatsbürgerschaft ein „Derivat“ sei, die damit verbundenen Rechte aber „autonom“ seien. Rottmann so zu interpretieren, dass diese Unterscheidung wegfiele, bedeutet, die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zu ignorieren.

Alle Arten von Erwerb der Staatsangehörigkeit sind gleichwertig: etwa einen griechischen Vorfahren auszugraben, die Ernennung zum Professor in Österreich oder als Folge des Zusammenbruchs der zypriotischen Banken Millionen zu verlieren. Man braucht Mut, um zuzugeben, dass Staatsbürgerschaft im Grunde genommen eine zufällig zugewiesene Institution ist. Wenn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit der Preis für einen populistischen Punkt sind, ist es zu gefährlich, diesen Punkt nicht infrage zu stellen. Hilpold liegt nicht falsch, er hat gar kein Argument.

Prof. Dr. Dimitrij Kochenow ist Dozent für Europäisches Recht am Institut für Europäisches und Wirtschaftsrecht der Juristischen Fakultät der Universität Groningen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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