Die komplizierte Welt oder: Eine Reise ins Unbekannte

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Österreichs Mannschaft ist zu den Paralympics nach Sotschi aufgebrochen. Es herrschen Ungewissheit und Freude.

Wien. Wladimir Putin muss dieser Tage ein unglücklicher Mann sein. Wäre der Präsident Russlands nicht gern in Ruhe bei den Olympischen Spielen und den Paralympics (7.– 16. 3.) gesessen? Doch da vertreibt ein Mob den ihm ergebenen Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch. Was bleibt Putin anderes übrig, als in der Krim einzumarschieren? Vorbei ist die Hoffnung auf ungetrübte Paralympics.

Die Paralympics in Russland haben das Handicap des Vorurteils zu tragen, das Körperbehinderten überall entgegenschlägt, wo sie von Unversehrten noch nicht als Gleichberechtigte anerkannt werden. Putin hätte sich wohl gerade den Gesichtspunkt der Toleranz und Öffnung gern gutgeschrieben. Die österreichische Athletin Claudia Lösch sagt, dass diese komplizierte Welt „auch unsere Welt ist“. Sie muss es wissen, studiert se doch Politikwissenschaft und Jus. In Vancouver vor vier Jahren gewann sie zwei Goldmedaillen (Slalom, Super-G), diesmal ist sie die einzige Frau in der Mannschaft.

Am Montag hieß es im Österreichischen Paralympischen Comitee, alles verlaufe „wie geplant“. Keine Rede von Boykott, aber selbstverständlich werde man die Lage weiter beobachten. Petra Huber, die Generalsekretärin des Österreichischen Paralympischen Komitees (ÖPC): „Wir vertrauen den Organisatoren der Spiele und sind mit den Sicherheitskräften und dem Ministerium in Verbindung.“

Der britische Premierminister David Cameron gab bekannt, dass kein Regierungsvertreter die Paralympics besuchen werde, Sportlern stehe es frei, an den Wettkämpfen teilzunehmen. Die Zahl der Verzichtenden kann sich freilich jederzeit sprunghaft vermehren, falls die Krise eskaliert. Ein Anschlag bei den Paralympics würde Putins Ansehen wohl endgültig zerstören. Daher wird er auch alles Menschenmögliche tun, um wenigstens in Sotschi die Lage hundertprozentig in der Gewalt zu haben, wenn er Gleiches schon nicht für die Krim und die Welt erreichen kann.

Sechs Sportarten

Die Spiele werden in sechs Sportarten ausgetragen: Skirennen und Snowboard, Biathlon und Langlauf, Schlitten-Eishockey, Rollstuhl-Curling. Jeweils in mehrere Formen und Abstufungen der Behinderung (sehbehindert, querschnittgelähmt, arm- oder beinamputiert) eingeteilt, streben die Athleten nach Medaillen. 750 Sportler aus 45 Nationen haben sich angemeldet, dazu 1500 Journalisten.

In Peking haben die Sommer-Paralympics dazu beigetragen, dass die Chinesen Behinderte mit neuen Augen betrachten, sagt Claudia Lösch. Den Vorbehalt, Winter-Paralympics seien wegen der hohen Kosten für die Ausrüstung eher eine Sache für Vertreter wohlhabender Nationen, mag sie nicht teilen. Lösch: „Wir haben in den Spitzenrängen eine größere Fluktuation als im Weltcup der Nichtbehinderten.“ Es komme eher auf die Qualität des gesellschaftlichen Respekts für Behinderte an, sagt auch Huber. „Wir sehen die Limitierung eher in der Anzahl der Teilnehmer pro Nation, nicht in der Selektion nach Nationen.“

Das ÖPC selbst verfügt nach der Neuordnung der österreichischen Bundessportförderung über „eher mehr Geld“ als früher, sagt Huber. Das ist sicher auch der ausgezeichneten Präsenz der heimischen Behindertensportler bei den vergangenen Großereignissen zu verdanken, die mit Pepo Puch (Reiten) oder dem Rollstuhlfahrer Thomas Geierspichler Stars und Integrationsfiguren hervorgebracht haben. Die kontinuierliche Aufbauarbeit zeigt sich auch im Sponsorenverzeichnis, das einige große, den Paralympikern treu verpflichtete Partner (AUVA, Austrian Airlines, Lotterien) aufweist. Die Reise nach Sotschi kostet den ÖPC rund 800.000 Euro, die Hälfte wird von privaten Sponsoren getragen. Eine Eigendeckungsquote, von der das ÖOC nur träumen kann.

Die rasch zunehmende Professionalisierung und das Alter haben einige Sportler in den Ruhestand gezwungen, sagt Huber, so sei die Mannschaft heuer eher klein. Aber angeblich aussichtsreich. Sie umfasst mit dem Weltcupführenden Markus Salcher und dem aus dem Skiweltcup bekannten Matthias Lanzinger herausragende Medaillenanwärter. Der Lohn der Anstrengung wurde zwar erhöht, beträgt aber im Vergleich zu den ÖOC-Prämien immer noch bloß ein Drittel: 6000 Euro für Gold, 4000 Euro für Silber und 2000 Euro für Bronze. In Vancouver war Österreich Siebenter der Medaillenwertung (erster: Deutschland 12/5/6) mit drei Gold- und je vier Silber- und Bronzmedaillen.

Siehe auch Gastkommentar Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2014)

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