Immun gegen Abhören

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Ein weiterer Test der Quantentheorie eröffnet vielversprechende Perspektiven: Quantendatenleitungen könnten abhörsicher gemacht werden.

Fast hundert Jahre nach ihrer Entdeckung ist die Quantentheorie nach wie vor dafür gut, Spezialisten wie Interessierte zu erstaunen, zu verwirren und Experimentatoren in aller Welt herauszufordern. Einem Team von Physikern der Uni Innsbruck und Waterloo in Kanada ist es gelungen zu zeigen, dass drei miteinander verschränkte Teilchen auch über Distanzen von mehreren hundert Metern verbunden bleiben. Die Ergebnisse können helfen, abhörsichere Datenleitungen zu bauen.

Verschränkung ist ein Effekt, den wir aus unserem Alltag nicht kennen, weil er nur auftritt, wenn Objekte völlig von der Außenwelt abgeschirmt sind. In der Welt unserer unmittelbaren Erfahrung stehen alle Objekte in ständiger Wechselwirkung: Ein in die Luft geworfener Apfel übt etwa Anziehungskraft in Form von Gravitation auf seine Umgebung aus, reflektiert Licht und reibt an der Luft. Ein Objekt ist also nie völlig ungestört, auch bei bestmöglicher Abschirmung bleibt ein Rest an Austausch mit der Umgebung erhalten.

Mit Max Plancks Entdeckung, dass Energie in Form winziger Pakete – Quanten – übertragen wird, ändert sich dieses Bild grundlegend. Werden auf ein Objekt – etwa ein Atom in einer Ionenfalle – nur noch wenige Energiequanten übertragen, so gibt es kurze Zeiträume, in denen gar keine Energie ausgetauscht wird und es keinen Kontakt zur Außenwelt hat. Solche Situationen sind es, in denen Quanteneffekte überhaupt erst auftreten – bunter Alltag in der mikroskopischen Welt der Atome, aber ebenso selten in der makroskopischen Welt, die wir wahrnehmen.

Was passiert wirklich, während ein System mit einem oder mehreren Teilchen vollkommen unbeobachtet ist? Diese Frage kann die Quantenphysik laut Lehrmeinung nicht beantworten. Sie kann aber präzise Vorhersagen machen, wie sich das System bei der nächsten Beobachtung verhalten wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass man nichts über das Verhalten von Teilchen zwischen zwei Messungen wüsste: Dass alle einfachen Erklärungen versagen, lässt sich nämlich sehr wohl zeigen.


Teilchen verlässt Position. Die Objekte unseres Alltags kümmern sich nicht darum, ob wir sie beobachten, weil sie ohnehin immer in Wechselwirkung mit uns stehen. Ein Teilchen dagegen wird nicht einfach auf einer bestimmten Position bleiben, wenn es unbeobachtet ist. Es kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit etwas anderes tun, etwa seine Position verlassen und woanders zu finden sein. Wo genau, ist aber nicht festgelegt, bevor wir seine Position messen. (Die Sprechweise der Physiker ist: Es gibt keine verborgenen Variablen.) Bei der Messung „entscheidet“ es sich dann für eine, und zwar zufällig. Diese Behauptung der Quantentheorie löst seit beinahe hundert Jahren immer wieder Kontroversen aus. Einsteins Weigerung, sie zu akzeptieren, ist legendär. Leider erlebte er die Experimente nicht mehr, bei denen es gelang, diese Tatsache experimentell zu belegen: Die Quantentheorie behielt recht.

Ein wichtiger Test, der 1982 von einem Team um Alain Aspect durchgeführt wurde, arbeitete mit zwei verschränkten Lichtteilchen. Die Photonen wurden gemeinsam erzeugt und dann in unterschiedliche Richtungen geschickt. Die Versuchsanordnung geht auf ein berühmtes Gedankenexperiment namens EPR-Paradoxon zurück, mit dem Einstein die absurden Eigenschaften der damals noch umstrittenen Quantentheorie verdeutlichen wollte: Wenn manche Eigenschaften eines Quantensystems vor der Messung tatsächlich nicht feststehen, so gilt das auch für zwei verschränkte Teilchen, die gemeinsam erzeugt wurden. Eine Messung des einen Teilchens würde auch die Eigenschaften des anderen Teilchens festlegen, augenblicklich und unabhängig davon, wie weit diese voneinander entfernt sind. Aspect konnte zeigen, dass die Polarisation zweier verschränkter Photonen, eine Eigenschaft, die etwa für 3-D-Brillen in Kinos genutzt wird, sich genau so verhält.

Das Experiment, das Gregor Weihs und seine Kollegen nun durchgeführt haben, ist ähnlich aufgebaut, nur dass es statt zweier Photonen drei verwendet. „Das hat sich vor uns noch niemand getraut“, sagt Weihs. „Es wäre noch vor ein paar Jahren völlig illusorisch gewesen.“ Es gab verschiedene experimentelle Schwierigkeiten zu meistern: So mussten sehr verlässliche Zufallsgeneratoren gefunden werden. Auch genügend verschränkte Photonendrillinge zu erzeugen stellte sich als schwierig dar. Für Letztere waren Kevin Resch und Thomas Jennewein zuständig, die einst bei Anton Zeilinger gearbeitet haben, während Weihs über besonders gute Zufallsgeneratoren verfügt.

Die Detektoren für die drei Teilchen lagen mehr als 600 Meter voneinander entfernt. „Das war nötig, um wirklich sicher zu gehen, dass die Messungen unabhängig sind. „Es gibt ja nach wie vor Leute, die zweifeln“, so Weihs. „Daher versuchen wir, sämtliche Schlupflöcher zu schließen, die andere Erklärungen erlauben.“ Zu den experimentellen Schwierigkeiten kamen unerwartete organisatorische Hindernisse, etwa eine Genehmigung, das Dach des Institutsgebäudes in Waterloo nutzen zu dürfen. Die Ergebnisse dieses unter anderem vom FWF und der EU unterstützten Experiments wurden in „Nature Photonics“ publiziert. Erstautor ist Chris Erven, der Doktorand bei Weihs war.

Die Ambition von Weihs und seinen Kollegen war ein weiterer Test der Quantentheorie. Allerdings ist die experimentelle Machbarkeit auch für künftige Anwendungen interessant. Quantendatenleitungen können immun gegen Abhörversuche gemacht werden: Jede geringste Wechselwirkung mit der Umgebung stört das System, jede Messung zerstört die Verschränkung, was die beiden Gesprächspartner merken. Für abhörsichere Datenleitungen zwischen zwei Orten gibt es schon mehrere kommerzielle Anbieter. Analog zur Versuchsanordnung von Weihs wäre es etwa möglich, einen Schlüssel an drei Orte zu übertragen und nach der Übertragung festzustellen, ob jemand mitgehört hat. Falls nicht, kann der Schlüssel nun zum Codieren von Nachrichten verwendet werden.

SICHERE DATEN

Physikern der Universitäten Innsbruck und Waterloo gelang ein weiterer Test der Quantentheorie: Sie haben gezeigt, dass drei miteinander verschränkte Teilchen auch über längere Distanzen miteinander verbunden bleiben.

Die Ergebnisse können helfen, abhörsichere Datenleitungen zu entwickeln und Daten zu codieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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