Medienforschung

Wenn PR so tut, als wäre sie Journalismus

Fachleute sehen die Vermischung von redaktionellen Beiträgen und Werbung kritisch.
Fachleute sehen die Vermischung von redaktionellen Beiträgen und Werbung kritisch.Die Presse digital
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Hinter Begriffen wie „Medienkooperation“ oder „Sponsored Content“ verbergen sich Formate, die zwischen Journalismus und Werbung angesiedelt sind. Eine Studie befasst sich mit deren Auswirkungen.

In einem Zeitungsinterview mit einem Arzt stößt man auf das Wort „Anzeige“. Im Nachspann einer TV-Kochshow tauchen die Markennamen von Zutaten auf. In einem Onlineartikel ist ein kaum „wegklickbares“ Werbebanner platziert. Die Formen der Vermischung von Redaktion und Werbung sind mehr oder minder subtil, jedoch zunehmend vielfältig. Von der angestrebten Zielgruppe werden sie oft unaufgeregt oder gar nicht wahrgenommen, von Fachleuten hingegen kritisch.  

Ethische Grenzen ziehen

„Die Problematik steht in direktem Zusammenhang mit der Krise im Journalismus durch Digitalisierung und fehlende Finanzierungsmodelle für Online-Content“, sagt Gisela Reiter, Medienwissenschaftlerin an der Fachhochschule Wien der WKW. Der Ausweg sei eine gesamtgesellschaftliche bzw. eine politische Entscheidung und habe grundsätzlich mit einer Medienförderung zu tun, die sich an Qualität und nicht an Quantität messe. „Recherche und unabhängige Berichterstattung brauchen Zeit und Geld ,ohne Mascherl‘. Aber auch vonseiten der PR (Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit; Anm.) sind klare ethische Grenzen eher ein Qualitätssiegel als ein Problem bei Vertragsabschlüssen.“ Wichtig seien Transparenz und Kommunikation in diesem Bereich. Sie würden langfristig auch zu mehr Akzeptanz ethischer Grenzen führen.

Reiter ist Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt zu den verschwimmenden Grenzen zwischen PR, Werbung und Journalismus sowie den ethischen Herausforderungen, die sich daraus für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Branchen ergeben. Das Projekt wird von der Uni Wien in Kooperation mit der WU Wien, der Uni Innsbruck und der FH Wien der WKW durchgeführt. Es beinhaltet eine Studie, die bei der Jahreskonferenz der International Communication Association (ICA) in Toronto präsentiert und mit dem „Top Three Faculty Papers Award“ ausgezeichnet wurde. 46 Personen aus den genannten Branchen wurden dafür ausführlich befragt.

Kritische Sicht überwog

Da es sich um eine qualitative Erhebung handelt – die Methode bemüht sich um ein tiefes Verständnis komplexer Phänomene – , sind zahlenmäßige Ergebnisse weniger aussagekräftig als Tendenzen, die sich daraus ableiten lassen. So geht aus den Antworten jener, die die verschwimmenden Grenzen negativ wahrnehmen, eine Verschiebung der Machtverhältnisse zu PR und Werbung hervor und daraus resultierend ein Verlust an Glaubwürdigkeit. „Wenn PR so tut, als wäre sie Journalismus – das ist nicht eine verschwimmende Grenze, sondern das ist ein klarer Grenzübertritt“, heißt es in einer der zitierten Antworten. So mancher Befragte konnte den Veränderungen auch Gutes abgewinnen, da Werbung Journalismus finanziere und damit weiter ermögliche und unabhängig halte.

Es sei in jedem Fall von Bedeutung, die Bevölkerung für medienpolitische Zusammenhänge und die Relevanz unabhängiger Berichterstattung zu sensibilisieren, sagt Reiter. In Schulen könnte etwa das neue Fach „Digitale Grundbildung“ dazu beitragen. Auch für Mitarbeiter in Medien- und Kommunikationsunternehmen sei es wichtig, sich immer wieder die ethischen Herausforderungen bewusst zu machen, weshalb man im Zuge des Forschungsprojekts auch ein Workshop-Konzept für Praktiker entwickelt habe.

In Zahlen

65 Prozent von 2000 Kommunikationsfachleuten in Europa erleben jährlich eine ethische Herausforderung (Communication Monitor, 2020). 63 Prozent waren es in Österreich.

47 Prozent europaweit mussten mehrere ethische Herausforderungen meistern (Österreich: 40 Prozent). 2012 gaben das 35 Prozent der Befragten an.

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