Nordkorea: Explosion durch Dynamit?

Einen Tag nach der verheerenden Explosion in Ryongchon stehen weder Ausmaß noch Ursache des Unglücks fest.

SEOUL/PJÖNGJANG (ag.). War es Benzin, Flüssiggas oder Dynamit? War es ein Zusammenstoß zweier Güterzüge oder ein elektrischer Defekt beim Rangieren eines Waggons? Am Tag nach der schweren Explosion im Bahnhof der nordkoreanischen Industriestadt Ryongchon gab es weder über Ursache noch über Ausmaß des Unglücks offiziell bestätigte Angaben.

Erste Meldungen südkoreanischer Medien vom Donnerstag hatten von bis zu 3000 Opfern gesprochen. Am Freitag bezifferte das Rote Kreuz die Zahl der Toten und Verletzten mit 54 bzw. 1200, die Vertreterin einer irischen Hilfsorganisation in der Hauptstadt Pjöngjang sprach indes von über 150 Todesopfern.

Ursprünglich war von der Kollision zweier Züge die Rede, die mit Benzin und Flüssiggas beladen waren. Am Freitag verdichtete sich jedoch der Verdacht, dass durch eine Unachtsamkeit beim Rangieren ein Waggon mit Sprengstoff in die Luft geflogen sein könnte. Laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo hatte sich Dynamit infolge eines elektrischen Defekts entzündet. Die russische Agentur Itar-Tass berief sich auf nordkoreanische Diplomaten, die auch von einer Sprengstoff-Explosion gesprochen hätten: Es sei Dynamit gewesen, das zum Bau eines Bewässerungskanals verwendet hätte werden sollen. Laut der chinesischen Agentur Xinhua sei auch Ammoniumnitrat im Spiel gewesen, das zur Sprengstoff- und Düngerproduktion benutzt wird.

Die genauesten Angaben machte Ann O'Mahoney, Repräsentantin der irischen Hilfsorganisation "Concern" in Pjöngjang gegenüber dem irischen Radio. Demnach hätten Arbeiter versucht, zwei mit Dynamit beladene Waggons zu entkoppeln und an einen anderen Zug anzukoppeln. Dabei seien sie in den Strom der Oberleitung gekommen, dieser habe auf die Waggons durchgeschlagen und das Dynamit gezündet.

Mahoney zufolge, die ihrerseits nordkoreanische Behörden zitierte, seien mindestens 150 Menschen getötet und über 1000 verletzt worden. In der Nähe des Bahnhofs, der sich in einem dicht besiedelten Gebiet befindet, seien 800 Wohnungen zerstört worden und viele Gebäude eingestürzt. US-Satellitenaufnahmen zeigten eine mächtige Rauchwolke über der 130.000-Einwohner-Stadt.

Nordkorea gab auch am Freitag noch keine offiziellen Stellungnahmen zu dem Unglück ab. Über diplomatische Kanäle wurden aber das Internationale Rote Kreuz und die EU diskret um Hilfe ersucht. Experten halten es für unmöglich, dass die vielen Opfer in Nordkorea, dessen Infrastruktur weitgehend nicht mehr funktionstüchtig ist, behandelt werden können. In der chinesischen Grenzstadt Dangdong, die etwa 50 Kilometer entfernt ist, bereiteten sich die Spitäler auf einen Ansturm vor: China würde seine Grenze für Hilfe nicht sperren, hieß es.

Stunden vor dem Unglück hatte der Sonderzug des nordkoreanischen Staatschefs Kim Il Jong den Bahnhof auf der Rückreise von einem China-Besuch passiert. Ein Sabotageakt wurde von südkoreanischen Regierungsvertretern ausgeschlossen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.