Kulturerbe

Eine neue Leitfigur für Cannes-Anwärter

Ästhetische Intelligenz: Jessica Hausner.
Ästhetische Intelligenz: Jessica Hausner.Stadtkino
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Die gebürtige Wienerin Jessica Hausner hat sich ins Spitzenfeld des Euro-Kunstfilms hochgestemmt. Auch abseits des Kinos ist sie Vorbild für Regienachwuchs.

Lang hieß es in heimischen Cineastenkreisen immer: „unser Mann in Cannes“. Einige meinten: Viel zu lang. Doch in den vergangenen Jahren hat sich das Blatt gewendet und den Blick auf ein neues Kapitel im Kunstkino Österreichs freigelegt. Wenn der Name unseres kleinen Alpenlandes auf den Wettbewerbslisten der renommiertesten europäischen A-Filmfestivals auftauchte, war das bislang meist dem „neuen Haneke“ oder dem „neuen Seidl“ geschuldet. Doch jüngst ist es immer öfter der „neue Hausner“, der Hoffnungen auf eine Goldene Palme aus Südfrankreich schürt.

Keine Frage: Jessica Hausner, 50, Filmregisseurin und Drehbuchautorin, ist die zentrale Protagonistin und Leitfigur einer neuen Welle künstlerisch ambitionierten Filmschaffens heimischen Ursprungs. Was kein bloßes Zeichen der feministisch beschwingten Zeit ist, sondern Resultat der Qualitätsarbeit einer begabten und gewissenhaften Kinokünstlerin, die schon seit den 1990er-Jahren an ihrer persönlichen Handschrift feilt. Zur Festival-Fixgröße wurde die Mitbegründerin der renommierten Wiener Produktionsfirma Coop99 bereits mit ihrem Langfilmdebüt „Lovely Rita“ (2001), dem dezidiert unromantischen Porträt einer jugendlichen Außenseiterin. Es folgten die mysteriöse Horror-Miniatur „Hotel“ (2004), das Wallfahrtsdrama „Lourdes“ (2009) und der Kostümfilm „Amour Fou“ (2014), über die tragische Liebesgeschichte zwischen Henriette Vogel und Heinrich von Kleist. Der Science-Fiction-Film „Little Joe“, besetzt mit den UK-Stars Ben Whishaw und Emily Beecham, schaffte es 2019 als erster Hausner-Film in den glanzvollen Hauptwettbewerb von Cannes – und verankerte die gebürtige Wienerin endgültig in der europäischen Arthouse-Oberliga. Auch dessen Nachfolger „Club Zero“, der im Oktober bei der Viennale seine Österreich-Premiere feiert, wurde an der Côte d’Azur uraufgeführt.

Was die Filme Hausners so besonders macht? Zum einen ist es ihr ausgeprägter Sinn fürs Ästhetische, für eigentümliche und pointierte audiovisuelle Gestaltung. „Club Zero“ etwa handelt von einem Ernährungskult an einer Eliteschule, und die markanten neongelben Uniformen der Schüler (Kostüm: Hausners Schwester Tanja) prägen sich einem ebenso ein wie die Sichtbeton-Architektur, die dem Film als subtil entrückte Kulisse dient. Vor allem aber ist es Hausners im besten Sinn merkwürdige Weltsicht, die ihre Leinwanderzählungen auszeichnet. Diese ist weniger „schonungslos“ als konsequent urteilsfrei: Statt ihre Figuren als verblendet bloßzustellen, führt Hausner uns auf raffinierte Art vor Augen, dass ein Leben ohne Verblendung in unserer ideologisch durchwirkten Gesellschaft nicht möglich ist.

Der Hang zum Skurrilen verleiht ihrem Werk zudem eine würzige Prise Humor, die viele ihrer Kunstfilm-Kollegen vermissen lassen. Umso erfreulicher, dass die Tochter des Malerpaars Anne und Rudolf Hausner ab Dezember 2020 zwei Jahre lang eine Professur für Regie innehate, an der Filmakademie Wien, die sie einst selbst besuchte. Mit ihrer ästhetischen Intelligenz und internationalen Orientierung gibt Jessica Hausner ein formidables Vorbild für den heimischen Filmnachwuchs ab. (and)

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