Gastkommentar

Eine Anerkennung ohne Ortstafeln

Die Bosnier in Österreich streben die Anerkennung als Volksgruppe an. Im Oktober folgt ein Antrag an das Parlament.

Verfassungsrechtler haben ein Thema, das zweifellos das Zeug zu einem wichtigen sowohl in den Nationalstaaten als auch in der EU haben könnte, längst berührt. Migranten könnten, haben sie gemeint, auf die Idee kommen, ihren Status nach der Verfestigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Situation gründlich überdenken und einen Volksgruppenstatus anstreben. Jetzt will eine bosnische Initiative einen Antrag im österreichischen Parlament einbringen. Und sie hat ein starkes Argument: Bosnien-Herzegowina gehörte von 1878 bis 1918 zu Österreich-Ungarn.   

Dies wirft die Frage allochthoner Volksgruppen auf. Als solche kommen im Gegensatz zu den autochthonen beispielsweise die Türken in Vorarlberg oder ex-jugoslawische Bürger in Wien in Betracht.

Die Migrantenströme der vergangenen Jahrzehnte, aber auch die demografische Entwicklung in allen EU-Staaten, hat dazu geführt, dass Migrantengruppen entstanden sind. Diese Einheiten sind in den letzten Jahrzehnten darauf aus gewesen, ihre Identität und Kultur zu bewahren und zu tradieren. Heute gehen ihre Bemühungen immer stärker in die Erwartung über, wie autochthone Volksgruppen behandelt zu werden.

Eines sei vorweggenommen, Wien wird keine mehrsprachigen Ortstafeln bekommen, was heißt, dass das kroatische Beč oder türkische Viyana den Namen nicht verfeinern wird. Der Staatsvertrag von Wien sichert den autochthonen Volksgruppen Rechte zu, die allochthonen können daraus jedoch keine ableiten. Die Rechte der Volksgruppen sind verfassungsgesetzlich geregelt. Die wichtigsten Bestimmungen finden sich neben dem Staatsvertrag im Bundes-Verfassungsgesetz und Volksgruppengesetz, das die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe an die österreichische Staatsbürgerschaft knüpft. Nebenbei bemerkt, es entspricht heute (noch) der Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofs, die Bestimmungen nicht restriktiv auszulegen.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Voraussetzung für die etwaige Verbriefung von Volksgruppenrechten für Migranten wäre das Siedeln in einem zusammenhängenden Gebiet über mehr als drei Generationen. Rechtlich wird sich die Anerkennung als Volksgruppe eher nicht erzwingen lassen, dies wird nur mit einigem (partei)politischen (Gestaltungs-)Willen möglich sein.

Vieles nicht abzusehen

Die Anerkennung würde jedoch, wie bereits festgehalten, nicht bedeuten, dass zwei- oder mehrsprachige Ortstafeln aufzustellen wären. Zweisprachige topografische Aufschriften sieht der Staatsvertrag nur für die Kärntner und steirischen Slowenen sowie die burgenländischen Kroaten vor. Rechtlich zu erörtern wäre lediglich die Frage, ob den Migranten in Wien oder Vorarlberg sowie anderen Bundesländern das Recht des Gebrauchs der Muttersprache vor Ämtern und Behörden sowie den Kindern ein – im Volksgruppenrecht geregelter – Elementarunterricht in dieser zukommt.

Bevor solche rechtlichen Normierungen in Frage kommen, wird mit Sicherheit noch eine Generation vergehen, zumal zuerst der Volksgruppenstatus durchzusetzen und dann die (Schutz-)Rechte zu normieren wären.

Bedenkt man, dass Kärnten nahezu sieben Jahrzehnte, das heißt, mehr als zwei Generationen, für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln gebraucht hat, ist nicht abzusehen, wann in Wien der erste Elementarunterricht in polnischer, türkischer oder einer anderen Migrantensprache abgehalten werden wird können.  

Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Zuletzt erschien seine Reisemonografie „Die Istrische Riviera“ (Edition Kleine Zeitung, Graz 2023).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.