Bodenverbrauch

Bodenversiegelung: Lösungen bleiben unter Verschluss

Der Boden verschwindet, wird überbaut und versiegelt; in Österreich 12,5 Hektar pro Tag.
Der Boden verschwindet, wird überbaut und versiegelt; in Österreich 12,5 Hektar pro Tag.Stevecoleimages
  • Drucken
  • Kommentieren

In den vergangenen Jahren ist der Bodenverbrauch auch in Österreich völlig aus dem Ruder gelaufen. Zumindest konzeptiv gibt es Lösungen, die allerdings unter Verschluss bleiben.

Das Ziel ist alt, aber nach wie vor außer Reichweite. Es ist mehr als zwei Jahrzehnte her, dass die österreichische Bundesregierung erstmals die Notwendigkeit formuliert hat, den Verbrauch an Boden deutlich zurückzuschrauben. Als Ziel wurden damals 2,5 Hektar pro Tag für ganz Österreich festgesetzt. Diese Vorgabe gilt auch heute noch. Allerdings: Sie ist heute in größerer Entfernung als noch vor mehr als 20 Jahren.

Eine der Ursachen liegt nicht nur in der diesbezüglichen politischen Untätigkeit der Regierungen seit der Jahrtausendwende, sondern auch im Umstand, dass die realen Zuständigkeiten für die Bundespolitik kaum ansteuerbar sind: Die kräftigsten Hebel bei dem Thema sind in den Gemeinden zu Hause, die über die konkrete Widmung der Flächen entscheiden. Ein kräftiges Wort mitzureden haben auch die Länder, die in groben Zügen Vorgaben für die Raumordnung definieren und manchmal auch konkrete Umwidmungen der Gemeinden absegnen (oder eben nicht).

Vor diesem Hintergrund hat das Landwirtschaftsministerium bereits 2021 beim Umweltbundesamt (UBA) eine Studie in Auftrag gegeben, die Details zur „Regionalisierung der Zielvorgabe zur Flächeninanspruchnahme“ zutage fördern sollte. Die 26seitige Arbeit liefert, allerdings bleiben die Ergebnisse vorerst unter Verschluss.

Studie bleibt in der Schublade,...

Deshalb gab das UBA am Dienstag keine Stellungnahme ab – weder zum Inhalt der Studie, dessen „Arbeitspaket 4“ der „Presse“ vorliegt, noch zur Tatsache, dass die Arbeit weggesperrt bleibt. Dem Vernehmen nach dürfte sie deshalb unter Verschluss sein, weil das Landwirtschaftsministerium (das für den Bodenschutz auf Bundesebene zuständig ist) in einem ersten Schritt die Bodenschutzstrategie unter Dach und Fach bringen wollte. Dieser Anlauf ist allerdings im Frühsommer gescheitert. Die als Abschluss geplante Sitzung unter Beisein von Minister und Vizekanzler endete im Eklat, es gelang nicht, die Obergrenze von 2,5 Hektar pro Tag verbindlich zu machen und einen Pfad festzulegen, wie diese Ziel bis zum Jahr 2030 angesteuert werden soll..

Nach dem Scheitern wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Formulierungen zur Konsensfähigkeit zurecht zu feilen. Allerdings: Bisher ist noch kein Ergebnis in Sicht. Arthur Kanonier, Professor am Institut für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der Technischen Universität Wien, hat den Entwurf des Bodenschutzkonzepts koordiniert, glaubt, dass vorerst „die Luft draußen“ sein könnte.

... die nur für manche aufgeht

Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, dass das interne Arbeitspapier nicht geheim sei: Es sei den Teilnehmern der Raumordnungskonferenz als Fachpapier zur Verfügung gestellt worden. Eine Veröffentlichung außerhalb der Raumordnungskonferenz sei nicht sinnvoll gewesen, weil sich zunächst einmal alle zu einem gemeinsamen Ziel für die Reduktion bekennen müssten, ehe dann die Regionalisierung dieses Ziels angegangen werde. Auch beruhe das Arbeitspapier noch auf einem Datenmodell, dass im Zuge der Bodenstrategie erst aktualisiert wird.

Möglicherweise könnte das Bekanntwerden des UBA-Reports die Debatte wiederbeleben. Die Studie über die Regionalisierung des Bodenschutzes ist jedenfalls aufschlussreich. Denn sie bietet der Politik gleich mehrere Optionen an, um die Inanspruchnahme von natürlichem Boden zu verringern.

Vergleichsweise einfach ist die Betrachtung der Länderwerte: So darf – bei Einhaltung des 2,5 ha-Zieles – die Inanspruchnahme von naturbelassenem Boden in der Steiermark 0,49 ha (pro Tag) nicht übersteigen. Die tatsächliche Zahl des Verbrauchs ist um ein Vielfaches höher – sie liegt bei 2,95 ha (die höchsten Einzelwerte).

„Sanierungen verstärken, Leerstände mobilisieren“

In der Arbeit wird aber eine differenziertere Sicht auf die Dinge angeraten: Handhabbarer wird der Ansatz, wenn in elf Raumtypen unterschieden wird und wenn auch Einwohnerzahl und die bestehende Verbauungsdichte ins Kalkül gezogen werden. Damit soll der tatsächliche Bedarf besser abschätzbar sein. Hohe Aussagekraft hat demnach, wenn die Inanspruchnahme von unverbautem Boden mit der Einwohnerzahl in Zusammenhang gebracht werden. Die Zielwerte liegen dann zwischen 0,02 und 0,49 ha. Der Status quo ist zwischen 0,17 und 3,21 ha.

Für Simon Pories, den Bodenschutzexperten des World Wide Fund for Nature (WWF), liegen mit der Arbeit alle Fakten vor, um eine differenzierte Strategie zu beschließen, um den Bodenverbrauch zu verringern. Pories: „Das Erreichen dieser Ziele ist eine große, aber machbare Aufgabe. Mit einer Ökologisierung der Raumordnung, des Steuersystems und des Finanzausgleichs kann die Politik die notwendigen Weichen stellen.” Und: „Zusätzlich muss die Politik Leerstände mobilisieren und Sanierungen verstärken.” Anstatt die Studie unter Verschluss zu halten, müsse die Arbeit öffentlich gemacht und mit ihr gearbeitet werden.

Schwerpunkt Klimawandel

Die Erderhitzung und die grüne Wende verändern Natur, Gesellschaft und Märkte auf der Welt grundlegend. Das Klima-Team der „Presse“ liefert Hintergründe, jüngste Forschungsergebnisse und Debatten rund um eines der drängendsten Probleme unserer Zeit.

Alle Artikel finden Sie unter diepresse.com/klima. Sie wollen keinen wichtigen Beitrag verpassen? Abonnieren Sie Klimawandel als Push-Nachricht in den Einstellungen der „Presse“-App.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.