Medizin

Magnetfeldtherapie auf dem Prüfstand der Forschung

Die Zahl jener, die nach einer Sars-CoV-2-Infektion an einem Erschöpfungssysndrom leiden – und damit für eine Therapie infrage kommen –, ist groß.
Die Zahl jener, die nach einer Sars-CoV-2-Infektion an einem Erschöpfungssysndrom leiden – und damit für eine Therapie infrage kommen –, ist groß.Imago / David Inderlied/kirchner-media Via Www.imago-images.de
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Magnetfeldmatten und -geräte boomen. Aber wie seriös sind Aussagen über ihre therapeutische Wirkung? Das Interesse an Untersuchungen war bisher eher bescheiden. Diese Lücke wird zunehmend – auch mithilfe Wiener Forschender – geschlossen.

„Ich hätte das nie für möglich gehalten, das hat mich schon überrascht.“ So lautet der Kommentar von Richard Crevenna, Vorstand der Wiener Medizinischen Universitätsklinik für physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin. Der Anlass der Überraschung wurde in der Wiener Klinischen Wochenschrift bereits als Fallbericht publiziert: Eine Klinikmitarbeiterin war vom Long-Covid-19-Erschöpfungssyndrom derart stark gezeichnet, dass sie kaum mehr in den ersten Stock gehen, geschweige denn voll arbeiten konnte. Doch schon nach wenigen Behandlungen mit pulsierender Magnetfeldtherapie, kurz PEMF oder auch Ioneninduktionstherapie, war die Patientin wieder fit.

Das inspirierte Crevenna zu einer Pilotstudie. Involviert sind 20 Probanden mit Long-Covid-bedingtem Erschöpfungssyndrom. Behandelt wird zweimal pro Woche mit einem Ioneninduktionsgerät, das noch ein halbes Jahr laufende Projekt wird von der Stadt Wien gefördert. Erste praktische Erkenntnisse weisen eindeutig auf eine Besserung des Erschöpfungssyndroms und des Allgemeinzustandes hin, eine größere darauf aufbauende Folgestudie ist geplant.

Covid, Kreuz und Knochen

Die Zahl jener, die nach einer Sars-CoV-2-Infektion an einem Erschöpfungssysndrom leiden – und damit für eine Therapie infrage kommen –, ist groß. Bei Fatigue, die durch Multiple Sklerose ausgelöst wird, ist PEMF schon länger im Einsatz. Auch mehren sich die Hinweise aus Literatur und Praxis, dass die Ioneninduktionstherapie bei Arthrose oder Entzündungen sowie zur beschleunigten Regeneration, zur schnelleren Heilung von Knochenbrüchen und bei Kreuzschmerzen eingesetzt werden könnte. Auch bezüglich Kreuzschmerz ist man an der Med-Uni Wien im Einsatz.

Aber wie kann ein- und dieselbe Behandlung bei so unterschiedlichen Symptomen helfen? Im Prinzip ist die Magnetfeldtherapie eine physikalische Maßnahme, bei der elektrische Reize zu Heilzwecken eingesetzt werden. Crevenna: „Über die konkrete Wirkungsweise weiß man leider noch sehr wenig. PEMF soll sich auf die Mitochondrien auswirken und könnte so die Energiebereitstellung im Körper sowie unterschiedliche Zellprozesse positiv beeinflussen.“ Gesichert ist ja, dass viele Vorgänge im Körper auf elektrischen Prozessen basieren und dass jede Körperzelle von einem elektrischen Feld umgeben ist. Sind die Zellen aus irgendeinem Grund (etwa Krankheit, Verletzung, Alter) geschwächt, sollen – so die Annahme – elektromagnetische Impulse tief ins Gewebe eindringen und das Energiepotenzial der Zellen positiv beeinflussen. Schwache Zellen sollen so gestärkt und die Selbstheilungskraft des Körpers angeregt werden.

„Wir haben zu PEMF bei Arthrose, vorwiegend im Knie, und bei unspezifischem, ungefährlichem Rückenschmerz zwei Übersichtsarbeiten gemacht“, erklärt Crevenna. Bisherige Studien seien schwer vergleichbar, weil diese viel zu heterogen gewesen seien: suboptimales Design, unterschiedliche Flussdichte und Frequenzen, verschiedene Anzahl und Dauer der Anwendungen, teilweise fehlende Dokumentation. Zumindest zehn von 69 Studien konnten ergänzend herangezogen werden. Konklusion: Magnetfeldtherapie kann bei Knie-Arthrose Schmerzen und Einschränkungen reduzieren sowie die Funktion verbessern.   

Sicher und einfach zugänglich

In Bezug auf unspezifischen Kreuzschmerz haben Crevenna und sein Team 20 Studien identifiziert. Nur neun davon waren randomisiert und kontrolliert und konnten letztlich in die Arbeiten eingeschlossen werden. Davon zeigte eine Mehrheit signifikante Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung. Es könnte sich demnach um eine nebenwirkungsarme, sichere und leicht zugängliche Therapie bei Rückenproblemen handeln, ist Crevenna optimistisch.

Der nächste Schritt: eine prospektive Studie zur Magnetfeldtherapie bei unspezifischem Kreuzschmerz. Diese soll demnächst bei der Ethikkommission eingereicht werden. „Die Forschung zur pulsierenden Magnetfeldtherapie muss gezielter werden, es muss standardisierte Settings geben, die Studienqualität muss verbessert werden, mehr Evidenz muss geschaffen werden“, wünscht sich Crevenna.

Lexikon

Gepulste Magnetfelder sollen bio­chemische Reaktionen auf zellulärer Ebene beeinflussen.

Die Effekte der pulsierenden Magnetfeldtherapie beim Long-Covid-Erschöpfungssysndrom werden in einer Studie an der Uniklinik für physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der Med-Uni Wien untersucht.

Eine weitere Studie zur Magnetfeldtherapie bei unspezifischem Kreuzschmerz ist ebenfalls geplant, leiden doch mindestens 1,9 Mio. Menschen in Österreich regelmäßig unter Rückenschmerzen.

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