Historiker

Vom Umgang mit der Erinnerung

Der Streifzug des Historikers, von 
der Monarchie zur 
Republik. Krone und Reichsadler, Hofburg Wien.
Der Streifzug des Historikers, von der Monarchie zur Republik. Krone und Reichsadler, Hofburg Wien.Bloomberg
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Manfried Rauchensteiner hat sich ein halbes Jahrhundert lang an Österreichs Geschichte abgearbeitet, auch in kurzen Beiträgen und Einwürfen zu Debatten.

Kennen Sie die Geschichte von Österreichs letzten Galeerensträflingen? 1797 erhielt die Habsburgermonarchie von Napoleon Bonaparte zum Trost für den Verlust der Niederlande Venedig. Man freute sich in Wien über den Zugewinn einer ansehnlichen Flotte. Der Status einer Großmacht zur See lag in der Luft. Doch ach! Die Venezianer hatten alles, von der Fregatte bis zum schäbigsten Kutter, im Arsenale versenkt.

Intakt blieben merkwürdigerweise sechs längst überholte Sträflingsgaleeren, so ziemlich die übelsten schwimmenden Kerker, die man sich vorstellen konnte. Pro Galeere rackerten bis zu 220 angekettete Schwerverbrecher, von denen es offenbar in Venedig ausreichend viele gab. Was tun mit dieser Hinterlassenschaft? Das Marinekommando hatte eine Idee: Aus allen Teilen der Monarchie brachte man Sträflinge aus den überfüllten Gefängnissen nach Venedig, sie wurden sogar als Rudersklaven an andere Schiffseigentümer vermietet. Nach sechs Jahren wurde diese merkwürdige Flottille aber wieder abgerüstet. 1805 fiel Venedig nämlich wieder an die Franzosen. Österreichische Sträflingsgaleeren gab es dann keine mehr. 

Abergläubische Soldaten

Kriege wurden ja ständig geführt, zum Beispiel gegen die Türken, zumindest, wenn es die Jahreszeit gerade zuließ. Letztlich standen nur vier Monate im Jahr dafür zur Verfügung. Im Frühjahr wurde rekrutiert, exerziert und fernab der Armee, im Wiener Hofkriegsrat, gegrübelt, wie man den Feldzug anlegen sollte. Und im Herbst hieß es möglichst rasch in Winterquartiere zu gehen, denn wenn es einmal regnete, kam man mit den rund 2500 Wagen, die von mehr als doppelt so viel Ochsen gezogen wurden, nicht mehr weiter. Vor allem gab es dann kein Futter mehr. In der Schlacht selbst wurde von den Infanterieregimentern geschossen, geladen, geschossen. Sehr viel wurde mit dem Mund erledigt. Im Mund wurden Kugeln verwahrt, Patronen wurden abgebissen, der Zapfen des Pulverhorns mit den Zähnen herausgezogen, und natürlich wurde viel geschrien.

Nicht jeder Historiker kann seine Forschungsergebnisse so anschaulich vermitteln, wie es der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner in den beiden historischen Miniaturen tut, die oben zitiert wurden. Über die Soldaten, die unter Prinz Eugen dienten, schreibt er in seinem neuen Buch: „Die meisten waren abergläubisch, trugen in ihren Kleidern Zettel oder Symbole, gelegentlich auch Kräuter, die in das Gewand eingenäht waren, um es kugelfest zu machen. Umgekehrt verwendeten sie beim Gießen von Kugeln alle möglichen Beigaben und Sprüche, um todsicher zu treffen und die Kugelfestigkeit des Feindes zu durchdringen. Dergleichen Künste und Aberglauben galten zwar als Sünde, doch es war den Soldaten nicht zu verwehren. Überhaupt dann, wenn es gegen den Feind der Christenheit ging.“

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