Interview

„Wer Überstunden leistet, soll dafür auch gut bezahlt werden“

Thomas Stelzer: „Wer etwas leistet, muss vor allem das Gefühl haben, dass sich das auch spürbar in seiner Geldbörse auswirkt.“
Thomas Stelzer: „Wer etwas leistet, muss vor allem das Gefühl haben, dass sich das auch spürbar in seiner Geldbörse auswirkt.“Land OÖ/Mayrhofer
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Der Wirtschaftsstandort Österreich wird nur durch Leistung vieler erfolgreich bleiben. Doch Leistung müsse sich auszahlen, betont Thomas Stelzer. Das Bundes-Paket zur Entlastung von Überstunden muss rasch umgesetzt werden.

Herr Landeshauptmann, sprechen wir übers Geld: Die Finanzausgleichverhandlungen mit dem Bund sind durch. Ausverhandelt wurden 2,4 Milliarden Euro zusätzlich für die Länder, Städte und Gemeinden. Ein guter Kompromiss für Sie und Oberösterreich? 

Thomas Stelzer: Zunächst ist es ein schönes Signal, dass es gelingt, zwischen so vielen Interessensgruppen quer über alle Parteien eine Einigung zu erzielen. Es geht um den bestmöglichen Einsatz von Steuergeld und wie wir damit die Leistungen organisieren, die unsere Landsleute brauchen. Diese Aufgaben werden immer kostenintensiver. Dafür braucht es solide finanzielle Grundlagen. Da war von Anfang an klar, dass das schwierige Verhandlungen sein werden. 

Es gab auch Zweckwidmung und Zielvorgaben mit dem Zusatzfonds. Ist es genug Geld für die Länder, das jetzt zusätzlich kommen wird, um die aktuellen Herausforderungen fürs Gemeinwohl zu stemmen?: Gesundheitswesen, Pflege, Bildung, Kinderbetreuung, Umweltthemen …

Das Ergebnis ist ein Kompromiss. Das Wesen eines Kompromisses ist ja, dass alle Beteiligten Abstriche bei ihren Maximalforderungen machen. Es wird also gerade in diesen Bereichen auf eine verantwortungsvolle Zuteilung der Mittel und eine vorausschauende, sorgfältige Planung beim Einsatz dieser Mittel ankommen. Ich denke aber schon, dass der Zukunftsfonds insgesamt, auch für die Städte und Gemeinden, ein gutes und tragfähiges Instrument ist. 

Kann man das alles gleichzeitig schaffen, oder müssen Sie Schwerpunkte setzen? Was sehen Sie für Oberösterreich prioritär? Was muss leider noch warten?

Sie haben vorhin von den Herausforderungen für das Gemeinwohl gesprochen. Ich meine, dass es angesichts dieser Herausforderungen in all den Bereichen, egal ob Gesundheit, Kinderbetreuung oder Energiewende, gelingen muss, entscheidende Schritte für die Zukunft zu setzen und hier voran zu kommen. 

Herr Landeshauptmann, am meisten setzen den Menschen aktuell Inflation und Teuerung zu. Das Leben kostet zu viel. Viele können sich Miete, Energie, den normalen Einkauf nicht mehr leisten. Braucht es hier mehr – und wieder – Hilfe, Deckel seitens des Staates?

Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Menschen in Österreich angesichts der hohen Preise zu unterstützen. In Oberösterreich haben wir außerdem zusätzliche Unterstützungsleistungen aufgelegt, wie etwa einen Wohn- und Energiekostenbonus, der bis weit in die Mittelschicht hineinwirkt und den wir aktuell für die anstehende Heizperiode aufstocken. Aber klar ist: Wenn die Teuerungsraten so bleiben, wird es sicher weitere Entlastungsmaßnahmen geben.

Die Menschen und die Wirtschaft sind durch die Coronahilfen mit der Gießkanne mittlerweile gewohnt, den Staat um Unterstützung anzurufen, wenn Probleme kommen. Sollen Bund und Land weiter für jeden und alles Hilfspakete schnüren oder soll es wieder mehr in die Eigenverantwortlichkeit gehen?

Österreich wird als Wirtschaftsstandort nur dann erfolgreich und auch sozial ausgewogen bleiben, wenn viele Leute bereit sind, Leistung zu zeigen. Wir müssen auch in schwierigen Zeiten alles daransetzen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Arbeitsplätze und damit auch unseren Wohlstand zu sichern. Dann können wir weiterhin jenen helfen, die dringend Hilfe benötigen.

Oberösterreich hat mit der Covid-Gesundheitskrise seine Null-Schulden-Politik ausgesetzt und wieder fast 2,5 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Bis 2019, dem Jahr vor Corona, hat man sich bereits auf 1,67 Milliarden Schulden runtergespart. Wie geht es weiter? Sparkurs oder neue Schulden machen?

2019 hat sich Oberösterreich als erstes Bundesland gesetzlich verpflichtet, keine neuen Schulden zu machen. Nachdem eine halbe Milliarde Euro an Schulden abgebaut wurde, hat die Bewältigung der Coronakrise diesem Kurs ein vorläufiges Ende gesetzt. In Anbetracht der aktuellen Krisen ist eine dogmatische Ablehnung neuer Schulden vorerst nicht realistisch, weil es Investitionen, vor allem in die Transformation unseres Standortes braucht. Wir wollen in Oberösterreich aber dennoch zu einem System zurückkommen, das finanzielle Stabilität garantiert und Schulden einen engen Rahmen setzt. Daher werden wir gemeinsam mit Experten ein neues Modell eines Schuldendeckels für nachhaltiges Wirtschaften umsetzen. Ziel ist, bereits mit dem Start des neuen Jahres erstmals diesen neuen Schuldendeckel anzuwenden. Oberösterreich soll auch nach der Coronakrise die Vorreiterrolle für ein verlässliches und nachhaltiges Wirtschaften übernehmen.

Die Wirtschaft ist für das Industrieland Oberösterreich besonders wichtig. Unternehmer sprechen von Rezession – für heuer und auch für nächstes Jahr. Wifo und IHS haben nachgezogen und das jetzt prognostiziert, wenngleich mit positivem Ausblick. Würde sich Oberösterreich bei einer länger dauernden Rezession eine kräftige Erkältung holen?

Natürlich beobachten wir die aktuellen Konjunkturprognosen mit gewisser Sorge. Wir sehen unser Land gleichzeitig aber auch erfolgreich und stabil aufgestellt. Oberösterreich ist trotz schwieriger Rahmenbedingungen unter die Top 20 der wettbewerbsfähigsten Industrieregionen Europas aufgestiegen. Durch sparsames Wirtschaften und gezielte Investitionen in guten Zeiten haben wir den Wirtschaftsstandort nachhaltig gestärkt. Bereits seit 2020 setzen wir mit dem Oberösterreich Plan ein breites Maßnahmenbündel um. Bis 2026 werden insgesamt 1,2 Milliarden Euro in allen Bereichen und allen Regionen des Landes investiert, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern. Neben dem Oberösterreich Plan investiert die Landesregierung mit dem Zukunftsfonds 200 Millionen Euro jährlich in jene Bereiche, in denen sich die Zukunft unseres Landes entscheidet. Besonders im Fokus stehen die Beschleunigung der Energiewende, die Stärkung der Innovationskraft durch eine verstärkte Forschungsförderung oder eine raschere Umsetzung der digitalen Transformation und der Breitbandausbau.

Ein heißes Eisen für die Wirtschaft sind gerade die Metaller-Lohnverhandlungen, die richtungsweisend für alle Branchen sind. Die Industrie sagt, dass sich zehn Prozent Lohnerhöhungen bei der Rezession nicht ausgehen kann. Auf der anderen Seite fordert die Gewerkschaft hartnäckig, dass den Arbeitnehmern durch die hohe Inflation die zehn Prozent zustehen. Das ist eine harte Nuss …

Ich kann beide Positionen verstehen. Die Preise sind hoch, immer mehr Menschen müssen den Gürtel enger schnallen, um sich das Leben für sich und ihre Familien leisten zu können. Gleichzeitig sind aber auch Industrie und Wirtschaft mit enormen Kostensteigerungen konfrontiert und fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Ich hoffe, dass es am Ende einen vernünftigen Kompromiss geben wird, mit dem beide Seiten gut leben können. In Oberösterreich haben wir, Gott sei Dank, eine lebendige Kultur des Miteinanders und vor allem des Miteinanderredens. Ich bin mir sicher, dass sich alle handelnden Personen ihrer Verantwortung für unseren Standort bewusst sind.

Kann die Politik in diesem „Arbeitskampf“ um die Löhne nur zusehen oder sich einbringen, z. B. Steuererleichterungen in Aussicht stellen. Der Faktor Arbeit ist in Österreich viel zu hoch besteuert, sagen viele Experten …

Grundsätzlich haben wir gerade für solche schwierigen Verhandlungen in Österreich das bewährte System der Sozialpartnerschaft eingeführt. Das hat sich auch über Jahrzehnte bewährt und am Ende zumeist zufriedenstellende Lösungen für beide Seiten ermöglicht. Die Politik bringt sich natürlich ein. So hat die Bundesregierung etwa die kalte Progression abgeschafft. Dadurch bleibt den Menschen mehr von ihrem Einkommen. Dazu kommen die vielen Antiteuerungshilfen, wie der angesprochene Energiekostenbonus.

Als ÖVP haben wir zuletzt immer wieder gesagt, dass Arbeit und Leistung einen höheren Stellenwert verdient haben. Wer etwas leistet, muss vor allem das Gefühl haben, dass sich das auch spürbar in seiner Geldbörse auswirkt. Wer Überstunden leistet, soll dafür auch gut bezahlt werden. Das angekündigte Bundes-Paket zur Entlastung von Überstunden muss daher rasch umgesetzt werden.

Wenn man in Österreich von Steuersenkungen spricht, geht das oft nur mit neuen Steuern einher. Was halten Sie von den aktuellen Vermögenssteuer- und Erbschaftssteuer-Diskussionen? Ist das nicht zusätzliches Gift, das gegen die Wirtschaft verspritzt wird?

Österreich ist bereits jetzt ein Land, in dem die Bürger eine vergleichsweise hohe Steuerlast zu tragen haben. Was es als Wirtschaftsstandort ganz sicher nicht braucht, sind daher neue Steuern.

Mittlerweile sprechen einige Industrielle davon, dass der Wirtschaftsstandort in Gefahr ist, weil er kostentechnisch nicht mehr konkurrenzfähig ist. Im besten Fall hieße das, keine Investitionen mehr, im schlechtesten Fall Abwanderung von Industrien. Läuten da nicht alle Alarmglocken im Landhaus?

Mit dem Oberösterreich Plan und dem Zukunftsfonds investieren wir ganz gezielt in jene Bereiche, in denen sich die Zukunft unseres Landes und damit auch jene des Wirtschafts- und Industriestandortes entscheidet. Vor allem die Stärkung der Innovationskraft und der Umbau hin zu einem klimafitten und modernen Industriestandort stehen dabei im Fokus. Wir sehen, dass führende Unternehmen wie etwa die voestalpine, der BMW-Standort in Steyr aber auch kleinere und mittlere Betriebe mit strategischen Weichenstellungen und damit verbundenen Investitionen deutliche Bekenntnisse zum Wirtschaftsstandort Oberösterreich abgeben. Gleichzeitig muss die Europäische Union aufpassen, nicht durch überschießende Auflagen und streberhaften Klimavorschriften der europäischen Industrie den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Hier braucht es jedenfalls ein Umdenken in Brüssel.

Für die Wirtschaft ist die Energiewende eine große Herausforderung. Obwohl viel Geld in erneuerbare Energien gesteckt wird, wird Gas für viele Industriebetriebe noch lange unverzichtbar bleiben. Oder?

Die Energiewende braucht realistische und deshalb auch machbare Ziele. Diese wollen wir mit Innovationen und ganz konkreten Projekten erreichen. Klar ist, dass es noch eine Zeit lang Gas als Energieträger brauchen wird. In Oberösterreich treiben wir den Umbau hin zu einem klimafitten Industrie- und Wirtschaftsstandort weiter konsequent voran. Unser Ziel ist es, bis 2040 klimaneutral und gleichzeitig Vorreiter bei sauberer und nachhaltiger Produktion zu sein. Schon jetzt kommen mehr als 70 Prozent des in Oberösterreich verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen. In den nächsten sieben Jahren wollen wir diese Zahl auf 90 Prozent steigern. Schon jetzt übernehmen auch viele Unternehmen in Oberösterreich Verantwortung und tragen die Energiewende, etwa durch die Installation großflächiger PV-Anlagen auf den Dächern der Betriebsgebäude mit.

PV als alternative Energieform ist akzeptiert und boomt. Von Windenergie redet jeder, nur haben will sie keiner. Daher stehen in Oberösterreich nur 28 Windräder, in Niederösterreich mehr als 700. Bläst hier der Wind weniger durch als bei Ihren Nachbarn? Oder gibt es seitens des Landes keine Bestrebungen? 90 Prozent von Oberösterreich sind angeblich für Windenergie nicht geeignet …

Wir werden auch in Zukunft nicht zuletzt durch die fortschreitende Dekarbonisierung viel Energie benötigen. Die Österreichische Energieagentur hat in Oberösterreich insbesondere der Sonnenenergie das höchste Potenzial eingeräumt. Gleichzeitig haben wir aber auch immer gesagt, dass es bei der Energieaufbringung auf einen Mix aus unterschiedlichen Quellen ankommen wird. Wir setzen auch auf den Ausbau und das Repowering von Windkraftanlagen. Jedes genehmigungsfähige Projekt wird daher auch genehmigt und umgesetzt werden.

»„Österreich ist bereits jetzt ein Land, in dem die Bürger eine vergleichsweise hohe Steuerlast zu tragen haben. Was es als Wirtschaftsstandort ganz sicher nicht braucht, sind daher neue Steuern.“«

Thomas Stelzer

Landeshauptmann von Oberösterreich

Austria‘s Leading Companies Award

Das Interview wurde im Rahmen des Austria‘s Leading Companies Award geführt.

„Austria‘s Leading Companies“ wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich.

ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, Donau Versicherung und Wiener Städtische Versicherungsverein, Post AG, PSA, Škoda, TÜV Austria sowie MVG und Zero Project.

Zu allen Veranstaltungen: www.diepresse.com/alc

Zur Person

Thomas Stelzer (ÖVP) ist seit April 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich. In der Landespolitik ist der studierte Jurist seit 1991. Stelzer ist als Chef der Landesregierung u. a. für die Bereiche Finanzen, Kultur, Personal und Verfassungsdienst zuständig.


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