Nahost-Konflikt im Sport

Wie Fußball-Europa auf pro-palästinensische Beiträge reagiert

Imago / Rhr-foto
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Was ist noch zu tolerieren und was zu sanktionieren? Viele Fußballer fallen durch Postings und Videos auf, die anti-israelische Botschaften transportieren. In Deutschland setzt es Suspendierungen, in Frankreich ermittelt die Justiz. In Österreich herrscht erstaunliche Stille.

In Österreich sind keine Stellungnahmen von Sportlern zum laufenden Nahost-Konflikt aufgefallen. Dafür häufen sich in Fußball-Europa Postings, die für Unruhe und Unverständnis sorgen. Vor allem, wie gehen die Vereine damit um? Die vom Deutschen Fußball-Bund und der deutschen Bundesliga wegen der schrecklichen Bilder nach dem Hamas-Angriff auf Israel empfohlene Schweigeminute wird an diesem Wochenende für einen Moment der Stille sorgen. Nach pro-palästinensischen Beiträgen von Profis ist die hoch komplizierte Lage jedoch längst zur großen Herausforderung geworden. Der Umgang damit ist immens schwierig.

„Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit ist insbesondere dann begrenzt, wenn Straftaten wie Beleidigung oder Volksverhetzung begangen werden“, sagte Ulf Baranowsky von der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) der Deutschen Presse-Agentur. „Inwieweit strafrechtliche Verstöße vorliegen und arbeitsrechtliche Sanktionen rechtskonform sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.“ Insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen sollten Personen des öffentlichen Lebens ihrer Vorbildrolle gerecht werden. Ziel muss es sein, zu deeskalieren und dauerhaften Frieden zu schaffen.“

Mainz warf Spieler raus

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem die Profis Anwar El Ghazi von Mainz 05 und Noussair Mazraoui vom FC Bayern München mit Beiträgen in den sozialen Medien für Aufsehen und Kritik gesorgt. Auch Ex-Nationalspieler Mesut Özil und der im Sommer von Real Madrid zu Al-Ittihad nach Saudi-Arabien gewechselte Ex-Weltfußballer Karim Benzema kommentierten den Konflikt ebenfalls mit eindeutiger pro-palästinensischer Tendenz.

El Ghazi wurde bereits vom Spiel- und Trainingsbetrieb freigestellt. „Mainz 05 respektiert, dass es unterschiedliche Perspektiven auf den seit Jahrzehnten währenden komplexen Nahost-Konflikt gibt“, teilten die Rheinhessen mit. „Der Verein distanziert sich jedoch von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Vereins einhergeht.“ Die Bayern hatten angekündigt, mit dem Marokkaner Nazraoui nach dessen Rückkehr von der Länderspielreise ein Gespräch führen zu wollen. Gegen Youcef Atal vom französischen Club OGC Nizza ermitteln die Justizbehörden. Der Algerier steht im Verdacht, Terrorismus öffentlich befürwortet zu haben. Von seinem Verein wurde der 27-Jährige wegen seines Pro-Palästina-Posts suspendiert.

In vielen Fällen sorgt die Verwendung der Parole „Free Palestine“ für Diskussionen - auch, weil sie wohl unterschiedliche Interpretationen zulässt. „Das Problem ist, dass diese Spieler, die Millionen verdienen, den Sinn von „Free Palestine“ nicht verstehen“, sagte Alon Meyer, der Präsident des deutsch-jüdischen Sportverbands Makkabi, bei Sky. „Die Solidarität mit den Menschen in Palästina, die sie vielleicht mit so einem Post bekunden möchten, ist vollkommen in Ordnung“, so Meyer. „Free Palestine“ bedeute jedoch „ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer gegen das Existenzrecht Israels und das geht nun mal nicht“.

Spieler keine Privatpersonen

In der Regel weisen die Vereine ihre Spieler explizit darauf hin, dass sie auch in den sozialen Medien eben nicht als Privatpersonen, sondern Repräsentanten ihres Arbeitgebers auftreten und dort dementsprechend nicht vereinsschädigend aktiv werden sollten. Sich vertraglich für alle möglichen Fälle zu wappnen, ist aber nahezu unmöglich. Was zu der Frage führt: Was ist noch zu tolerieren und was zu sanktionieren? Heißt ein Spieler kriegerische Taten gut, kann es strafrechtliche Konsequenzen für ihn haben. Teilt er nur gewisse Ansichten, ist eher der Ermessensspielraum der Clubs gefragt - und dieser ist mitunter riesig.

„Wichtig ist auch die Prävention“, sagte VdV-Präsident Baranowsky. „Gerade im Sport gilt es, junge Menschen frühzeitig zu sensibilisieren und bei Problemen das Gespräch zu suchen.“ Die Milliardenbranche Profifußball spürt das dieser Tage ganz besonders.

(dpa/red)

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