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Betriebe suchen Arbeitswelten statt Büroflächen

Die Ansprüche vieler Unternehmen an Büroräumlichkeiten steigen.
Die Ansprüche vieler Unternehmen an Büroräumlichkeiten steigen.Getty Images
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Wien wächst, die Bürolandschaft verändert sich: Kleinere Flächen müssen größeren, individuelleren Ansprüchen der Unternehmen und deren Beschäftigten genügen.

Büroflächen sind nicht mehr gefragt. Die Zeiten der vielen Quadratmeter, um möglichst viele Mitarbeiter unterzubringen, sind vorbei – und werden auch nicht mehr wiederkommen. Die Unternehmen suchen Arbeitswelten. „Es ist deutlich spürbar, dass die Ansprüche vieler Unternehmen hinsichtlich der Ausstattungsqualität und Annehmlichkeiten, wie gastronomische Versorgung und Grünflächen in direkter Nähe zur Immobilie, steigen“, stellt Steven Bill Scheffler, Teamleiter Büroflächen Otto Immobilien, fest. Qualität zählt, sowohl was Ausstattungsmerkmale wie Fahrradabstellplätze, Konferenzzentrum, hochwertige Lobby und Allgemeinflächen betrifft als auch die Lage. Daher „streben die meisten Unternehmen durch einen geplanten Umzug primär eine qualitative Verbesserung an“, sagt Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien.

Erfolgreiche Unternehmen brauchen und suchen die richtigen Mitarbeiter – diese sind meist nicht leicht zu finden und auch anspruchsvoll. Mehr denn je spielen die gut gestalteten Bürowelten beim „Halten“ oder „Anwerben“ eine wichtige Rolle. „Erkennbar ist auch, dass Unternehmen häufiger kaum mehr bereit sind, Kompromisse einzugehen“, stellt Stefan Wernhart fest: „Das neue Büro muss weitestgehend alle gewünschten Kriterien erfüllen und Unternehmen lassen sich nur schwer von Alternativen überzeugen, die nicht den gesetzten Anforderungen entsprechen – zumeist aus Sorge, dass sie wichtige Mitarbeiter verlieren könnten oder einen Nachteil im Recruiting haben.“

Das Beste für die Mitarbeiter

Die jungen Mitarbeiter interessieren sich sehr stark für die ökologischen und sozialen Aspekte ihres (künftigen oder bestehenden) Dienstgebers. Das Unternehmen wird ganz gezielt ausgesucht und muss bis zu einem gewissen Maß auch dem Wertekanon der Bewerber entsprechen, die Wertvorstellungen zeigen sich zweifellos auch im Anspruch an die Baulichkeiten. Wie wird geheizt und gekühlt? Welche Materialien wurden beim Bau verwendet? Wie wird mit dem Abfall umgegangen? Unabhängig von den Wünschen der jungen Menschen werden grundsätzlich Büroflächen im Sinne von Nachhaltigkeit/ESG mit einem besonders niedrigen Energieverbrauch beziehungsweise einer schonenden Heizungsart und Ähnlichem immer stärker nachgefragt.

„Nachhaltige Immobilien werden sich zukünftig häufiger gegen ältere nicht den Nachhaltigkeitsaspekten entsprechende Immobilien durchsetzen“, sagt Stefan Wernhart. Früher eher ein „Nice-to-have“, mittlerweile oftmals ein „Must-have“ für viele Mieter, vor allem seit dem rapiden Anstieg der Betriebs- und Energiekosten. „Nur“ eine Zertifizierung allein ist manchmal nicht mehr ausreichend, die Mieter wollen konkrete Informationen, wie das Thema Nachhaltigkeit in der Entwicklung der Immobilie behandelt und umgesetzt wird.

Sanierung statt Neubau: Alter Charme punktet wieder, etwa das für Leitner Leitner GmbH adaptierte Haus der Kaufmannschaft am Schwarzenbergplatz 14.
Sanierung statt Neubau: Alter Charme punktet wieder, etwa das für Leitner Leitner GmbH adaptierte Haus der Kaufmannschaft am Schwarzenbergplatz 14.Christopher Dickie

Ein gemeinsamer Nenner zeichnet sich derzeit hinsichtlich der Layout-Bedürfnisse ab. Waren Pre-Covid noch Einzelraumkonfigurationen oder gänzliche Open-Space-Flächen je nach Branche und Nutzer gefragt, erscheint nun ein gemischtes Layout Konsens zu sein. Bis auf wenige Branchen, die eine Kleinteiligkeit in ihrer Raumkonfiguration benötigen, geht es deutlich mehr in Richtung „mixed use office“ mit hochwertigen Collaboration Areas, großzügigen Sozialbereiche und einer durch die Covid 19-Pandemie beschleunigten Integration von hybriden Arbeitsweisen. „Diese hat sich mittlerweile in sehr vielen Unternehmen etabliert und als praktikabel und effizient erwiesen“, weiß Wernhart.

Firmen suchen ihresgleichen

„Im Gegensatz zur Situation in den meisten deutschen Großstädten, ist in Wien die Nachfrage nach Büroflächen weiterhin auf einem stabilen Niveau“, sagt Alexander Fenzl, Geschäftsführer Optin Immobilien. Aber es wird nicht alles gesucht, so Steven Bill Scheffler: „Die größte Nachfrage genießen weiterhin Neubaubüros in zentralen Lagen.“ Standorte in Büroclustern sind weiterhin gefragt, egal ob Innenstadt, Vienna DC, Lassallestraße/Messe/Prater oder die Achse Hauptbahnhof. „Die Bürocluster wie zum Beispiel der Hauptbahnhof verfügen über starke Anziehungskraft“, weiß Örag-Vorstand Johannes Endl, und daher ist „hier der Leerstand trotz effizienterer Flächennutzung kaum ein Thema“. Einerseits gut für die Vermieter, andererseits schlecht für die Unternehmen.

Denn wer aktuell nach neuen Flächen in einem der Cluster sucht, braucht entsprechend Zeit und Geduld, aber auch Geld, erklärt Stefan Wernhart: „Aufgrund der geringen Fertigstellung moderner Erstbezugsflächen und des historisch geringen Leerstandes in Top-Lagen, können aktuell vermehrt Kunden mit gehobenen Anspruch nicht bedient werden.“

»Unternehmen lassen sich nur schwer von Alternativen überzeugen, die ihren Anforderungen nicht ganz entsprechen.«

Stefan Wernhart

Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien

Diese Kunden müssen sich daher mit der Entscheidungsfindung auseinandersetzen, ob sie den bestehenden Standort qualitativ hochwertig refurbishen oder zukünftige Projekte in den Fokus rücken, um die gewünschten Qualitätsverbesserungen zu erzielen. Wenig Angebot und steigende Nachfrage lassen natürlich auch die Kosten für die Quadratmeter steigen, erklärt Alexander Fenzl: „Durch die starke Konzentration auf hochwertige, energieeffiziente Flächen in zentralen Lagen, gepaart mit einem sehr geringen Neubauangebot, beobachten wir für diese Lagen weiter steigende Mietpreise.“

Ein „neuer“ Markt

Zahlreiche Unternehmen machen aus der Not eine Tugend, und bei der Bürovermietung hat sich mit der Untervermietung ein neuer Markt entwickelt. „Viele Unternehmen vermieten ihre unbelegten Flächen. Das hat es zwar schon immer gegeben, aber nicht in dieser Dimension“, meint Sabine Müller, Chief Innovation & Marketing Officer, Value One: „Auch wir haben in unserem Unternehmen ein Stockwerk aufgegeben und es an andere vermietet.“ Diese Entwicklung ist Teil des New Work und hat auch eine positive Seite. Man kann sich Unternehmen, mit denen man zusammenarbeitet, in die eigenen Räumlichkeiten holen. Dadurch ergeben sich zusätzliche Synergien. Zudem ist die Untervermietung eine Notwendigkeit, wie Sabine Müller meint: „Damit ein Büro eine gute Atmosphäre ausstrahlt, braucht es unter anderem eine gewisse soziale Dichte, und die war durch Home-Office nicht mehr gegeben.“ Hochwertige Einheiten werden bei einem angemessenen Pricing kurzfristig in Eigenregie vermietet und gelangen teils gar nicht erst in eine offizielle/öffentliche Vermarktung.

»Viele Unternehmen vermieten ihre unbelegten Flächen. Das gab es in dieser Dimension noch nicht.«

Sabine Müller

Chief Innovation & Marketing Officer Value One

Co-Working hat zwar in den Städten seinen Anfang genommen, aber schwappt – als eine Entwicklung im Bereich „neuer Arbeitsformen“ – über diese hinaus. „Ich glaube, dass das Thema Co-Working eine größere Rolle spielen wird“, blickt Sabine Müller in die kommende Zeit: „Da dezentraler gearbeitet wird, werden sich rund um die Ballungsräume Hubs mit Co-Working-Angeboten entwickeln.“ Dahingehend arbeitet Value One an einem Büroprodukt, das darauf basiert, dass in den Gebäuden, die vom Unternehmen geplant oder refurbished werden, immer ein Teil als Co-Working-Space reserviert ist.

Eines lässt sich auf jeden Fall sagen, so Johannes Endl: „Klar widerlegt ist die These vom Verschwinden des Büros durch Home-Office.“ Wenn die Corona-Lockdowns etwas schonungslos gezeigt haben, dann, wie unersetzbar die direkte persönliche Kommunikation für die Zusammenarbeit ist. Auch wenn in vielen Bereichen an einzelnen Tagen gut von daheim gearbeitet werden kann: „Sinnstiftung, kreativer Austausch, Teamwork, Einschulungen, Führungsarbeit und vieles mehr brauchen passenden, inspirierenden Raum“, ist der Örag-Vorstand überzeugt. Mobiles Arbeiten wird wohl zukünftig nicht zu einer Verdrängung der physischen Zusammenarbeit führen, denn „schließlich ist der Menschen von Natur aus ein soziales Wesen. Glaubt man diversen Zukunftsforschern wird sich – KI sei Dank – der Fokus des menschlichen Wirkens im Morgen sogar noch mehr um Kreativität und soziale Interaktion drehen“. Und die Büroflächen – pardon, Arbeitswelten – werden sich diesen Bedürfnissen anpassen.

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