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Bischof warnt: „Demokratie ist kein Selbstläufer“

Der österreichische Militärbischof Werner Freistetter
Der österreichische Militärbischof Werner FreistetterCaio Kauffmann
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Militärbischof Werner Freistetter meint, Europa habe in den vergangenen Jahrzehnten im Windschatten von Auseinandersetzungen gelebt - und das für Frieden gehalten.

Demokratie, Menschenrechte und Friede müssen ständig neu erarbeitet und erhalten werden. Sie sind alles andere als Selbstläufer. Das betont Österreichs Militärbischof Werner Freistetter im Kathpress-Interview.

In Europa und vor allem in Österreich habe man in den vergangenen Jahrzehnten das Glück gehabt, „dass wir im Windschatten vieler Auseinandersetzungen gelegen sind. Und wir haben das mit Frieden verwechselt“, so Freistetter.

Man habe über vergangene, oft auch schmerzhaft erzielte Errungenschaften und deren Grundlagen nicht mehr reflektiert und spätestens jetzt bemerke man, dass das demokratische Gesellschaftsmodell ganz und gar nicht überall auf der Welt als selbstverständlich erstrebenswert angesehen wird, so der Bischof weiter. Der Konfrontation mit anderen Gesellschaftsmodellen bzw. der erneuten Reflexion über die Grundlagen des eigenen Modells werde man sich stellen müssen, betonte Freistetter. Die Grundlagen des Zusammenlebens auf internationaler Ebene müsse neu verhandelt werden.

„Hoffen, dass das nie eintritt“

Auch das österreichische Bundesheer stehe vor einem grundlegenden Wandel. Sei es in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich darum gegangen, sich mit friedensfördernden Einsätzen im Ausland auseinanderzusetzen, trete nun die unmittelbare Landesverteidigung wieder stärker ins Zentrum und damit auch die Möglichkeit eines Krieges, der direkt das eigene Land betrifft. Freistetter: „Wir hoffen, dass das nie eintritt, aber allein schon die mentale Vorbereitung auf eine solche Möglichkeit verlangt den Soldaten einiges ab. Und auch für die Militärseelsorge ist das eine Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.“

»Wie wenn man einen Anzug trägt, bis er einem vom Leib fällt.“ «

Werner Freistetter

Militärbischof in Österreich

Erfreut zeigte sich Bischof Freistetter, dass es aktuell für das Bundesheer mehr Geld gibt. Die Infrastruktur in den Kasernen, die Ausrüstung für die Soldaten und das militärische Gerät seien viel zu lange nicht erneuert worden. „Das ist so, wie wenn man einen Anzug trägt, bis er einem vom Leib fällt.“ 

Das Recht auf Verteidigung

Die neuen internationalen Konflikte bzw. die in Auflösung begriffene internationale Ordnung, wie sie die letzten Jahrzehnte bestand, seien auch für die Militärethik eine große Aufgabe. Oft habe man noch keine Antworten, so Freistetter, der wissenschaftliche vor allem im Bereich der Sozial- und Militärethik tätig war. Krieg sei letztlich nie die Lösung, zugleich gebe es das Recht auf Verteidigung und auch die Pflicht zum Schutz von Bedrohten und Verfolgten.

Freistetter: „In einer großen Perspektive von außen ist Krieg immer etwas Schreckliches und Fürchterliches. Doch wenn ich jetzt selbst unmittelbar angegriffen werde und Gefahr laufe, ausgelöscht zu werden, und das dann durch militärische Gewalt verhindert wird, ist der Blick natürlich ein anderer.“

Gewalt sei jedoch nie die Lösung. Auch wenn durch militärische Mittel die unmittelbare Gefahr gebannt werden konnte, sei dies noch nicht mehr als die Voraussetzung dafür, „dass man sich im Anschluss intensiv um Frieden bemühen muss“. Das gelte etwa künftig für die Ukraine wie auch den Nahost-Konflikt, so der Bischof.

Zur Person

Werner Freistetter wird in Kürze, am 28. Oktober, 70 Jahre alt. Der gebürtige Linzer trat 1973 trat in das Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. 1975 setzte er seine Ausbildung im Collegium Germanicum et Hungaricum und an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom fort. 1979 wurde Freistetter in Rom von Kardinal Franz König zum Priester geweiht. 1993 promovierte er zum Doktor der Theologie und arbeitete bis 1997 am Päpstlichen Rat für die Kultur in Rom. 1997 kehrte Freistetter als Leiter des „Instituts für Religion und Frieden“ nach Wien zurück. Er arbeitete einige Jahre in der Delegation des Heiligen Stuhls bei der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in Wien, war als Militärseelsorger in Bosnien, im Kosovo und im Libanon im Einsatz und seelsorglich in verschiedenen Wiener Pfarren tätig. Papst Franziskus ernannte ihn am 16. April 2015 als Nachfolger Christian Werners zum Bischof der Militärdiözese.

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